Zukunft Homeoffice – wird das Büro zum Auslaufmodell?
Zukunft Homeoffice – wird das Büro tatsächlich zum Auslaufmodell? – Nachdem ich mich in letzter Zeit (natürlich) schon ein paar Mal mit dem Büro der Zukunft beschäftigt habe, heute ein Interview mit Thomas Friedlmayer von Cornerstone OnDemand rund um die Frage, wie es um die Zukunft der Arbeit aussehen kann und welche Rolle das Büro dabei spielt.
SAATKORN: Herr Friedlmayer, bitte stellen Sie sich den SAATKORN Leser*innen doch kurz vor.
Mein Name ist Thomas Friedlmayer und ich bin seit März 2019 als Regional Sales Director für Schweiz, Österreich und Osteuropa verantwortlich. Cornerstone ist das weltweit führende Unternehmen für Personalentwicklung. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch seine beruflichen Ziele erreichen kann, wenn er nur die nötige Unterstützung und Möglichkeiten erfährt. Cornerstones Lösungen für die Personalentwicklung werden weltweit von mehr als 7.000 Kunden aller Größenordnungen erfolgreich eingesetzt. Dies umfasst mehr als 75 Millionen Nutzer in über 180 Ländern und mehr als 50 Sprachen.
SAATKORN: Seit Jahren schon wird über die Flexibilisierung von Arbeitszeit- und -ort diskutiert, vor allem in der New Work Szene. Nehmen wir mal an, Corona wäre nicht passiert. Was wäre dann Ihre Meinung zum Thema Büro, insbesondere für Wissensarbeiter?
Ich gehe davon aus, dass sich das Thema kontinuierlich weiterentwickelt hätte. Wir haben auch schon vor Corona bei vielen unserer Kunden im Rahmen der Digitalisierung ihrer HR-Prozesse ein Umdenken und eine Umstellung der Arbeitsmethodiken- und modelle festellen können. Die Geschwindigkeit und auch das Ausmaß haben jedoch seit Corona massiv zugenommen. Man kann damit sicher von einer disruptiven Wirkung der aktuellen Pandemie sprechen.
SAATKORN: Nun ist Corona Realität und begleitet uns schon über ein halbes Jahr. Kaum jemand rechnet damit, dass wir zu alten Arbeitsmodellen komplett zurückkehren. Wie sehen Sie das?
Ich denke, dass die bereits erfolgten Umstellungen aufgrund ihrer Breite und auch wegen der langen Dauer zu einer nachhaltigen Veränderung geführt haben, die eine Rückkehr zu einem Status-Quo vor Corona unmöglich macht. Sowohl Unternehmen wie auch ihre Mitarbeiter mussten sich gerade in den Lock-Down-Phasen längerfristig auf die neue Situation einrichten. Das ist nicht komplett revidierbar. Insbesondere, da in einigen Bereichen beide Seiten von dieser Veränderung auch profitieren konnten. Die Mitarbeiter von mehr Flexibilität, weniger Zeitverlust durch Wegfall von Anfahrtszeiten und Dienstreisen und konzentrierteres Arbeiten von zu Hause. Die Unternehmen vor allem durch Kosteneinsparungen und höhere Produktivität.
Ich kann Ihnen 2 Statistiken dazu nennen. Erstens den signifikanten Anstieg der Nutzung unserer Cornerstone-Online-Trainings. Im Zeitraum von März bis Mai 2020 hatte sich das Gesamtvolumen an Abrufen von Online-Content auf unserer Platform auf 39 Millionen Stunden fast verdoppelt. Und in Deutschland waren vor Corona nur ca. 5% der Erwebstätigen in reinem Home-Office. Heute ergeben Befragungen, dass sich 2/3 sich im Homeoffice wohl fühlen und sich nach der Krise auch mehr Homeoffice wünschen.
SAATKORN: Welche Funktion hat das Büro dann in Post-Corona Zeiten noch?
Ich sehe als eine der Hauptfunktionen des zukünftigen Büros, die persönliche Begegnung der Mitarbeiter zu ermöglichen. Als soziale Wesen reicht den meisten Mitarbeitern die reine Online-Kommunikation nicht aus.
SAATKORN: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, die nun angesichts der wahrscheinlich kommenden Hybridmodelle aus Arbeit vor Ort im Büro und mobile Office entstehen?
Auch in meinem persönlichen Umfeld wird oft das Vorhandensein eines ungestörten Arbeitsplatzes im mobile Office als große Herausforderung genannt. Nicht jeder hat ein eigenes, abgetrenntes Büro zu Hause. Diese nötige Abgrenzung vom Privatleben wird durch Situationen wie „Home-Schooling“ noch erschwert. Hinzu kommen die Verfügbarkeit und der kompetente Umgang mit digitalen Tools. Wenn heute Unternehmen z.B. keinen passenden Online-Content auf einer professionellen Lernplattform für ihre Mitarbeiter anbieten können, ist eine Umstellung auf eine Distance-Learning Strategie schwierig.
SAATKORN: Wie sollten sich Unternehmen diesen Hybridmodellen nähern? – Das Thema ist ja komplex und facettenreich: wir haben die Mitbestimmung, wir haben zumindest theoretisch massive Einsparmöglichkeiten durch die Verringerung von Flächen, wir haben Mitarbeiter, die dann ihren Schreibtisch und Stuhl zu Hause finanziert bekommen möchten und Vieles mehr…
Ganz wesentlich sind sicher Klarheit in der gegenseitigen Erwartungshaltung. Was sind die Dienstzeiten und wann muss jemand erreichbar sein? Wieviel darf der Dienstnehmer in die Ausrüstung des Home-Office investieren? Zu diesen und ähnlichen Fragen bedarf es Transparenz. Auch die Manager müssen sich umstellen. Zielvorgaben sollten klar und dokumentiert sein. Die Interaktion sollte geplant und regelmäßig sein. Das zufällige Kaffeegespräch im Flur fällt ja weg. Wir verwenden systemunterstützt sogenannte „Check-Ins“, um diesen kontinuierlichen Dialog und Feedbackprozess zu begleiten und zu dokumentieren.
SAATKORN: Wie sieht es konkret bei Ihnen am Arbeitsplatz aus? Arbeiten Sie selbst komplett im Homeoffice oder in einer Hybridform?
Für mein Team kann ich sagen, dass wir aufgrund der regionalen Verteilung schon vor dem Lock-Down komplett remote gearbeitet haben. Wir hatten damit den großen Vorteil uns mit wenigen Änderungen auf die neue Situation einstellen zu können. Dazu kommt, dass wir ja auch unsere eigenen Lösungen für die HR-Prozesse (im Bereich Recruiting, Onboarding, Learning, Goals und Performance Management, etc.) einsetzen und damit sehr gut digital ausgerüstet sind. Natürlich wünschen auch wir uns wieder mehr persönlichen Kontakt mit unseren Kunden und Kollegen – aber bis dahin machen wir wohl das Beste aus der aktuellen Situation und sind trotz Krise auch sehr erfolgreich.
SAATKORN: Zu guter Letzt: für wie wahrscheinlich halten Sie das Szenario, dass nach Vorhandensein eines Impfstoffs alle Menschen zurück in die Büros geordert werden?
Das halte ich für völlig unwahrscheinlich.
SAATKORN: Herr Friedlmayer, vielen Dank für das Interview rund um das Thema Homeoffice.