New Work: das Thema spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine immer größere Rolle. Das zeigen Artikel, Initiativen, Filme, Bücher und eben auch die XING New Work Awards, die Ende Januar vergeben wurden. Ich hatte Gelegenheit mit den 3 Gewinner-Unternehmen zu sprechen. Auf geht’s:
XING New Work Awards 2016: Bosch, Heitkamp & Hülscher und Bike Citizens sind die Gewinner
Den Reigen eröffnet Heidi Stock, Expertin für Arbeitskultur bei Bosch, die den New Work Award in der Kategorie Großunternehmen entegegennehmen durfte.
saatkorn.: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des XING New Work Awards 2016! – Was bedeutet für Sie und Ihr Unternehmen der Award?
Die Auszeichnung ist für Bosch Bestätigung und Ansporn zugleich, unsere flexible und familienbewusste Arbeitskultur stetig weiterzuentwickeln. Bei Bosch sind wir davon überzeugt, dass eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit mehr Ausgeglichenheit, mehr Zufriedenheit und damit bessere Arbeitsergebnisse liefert. Unsere Arbeitskultur ist damit ein wichtiger Impulsgeber für unsere Innovationskraft – im vergangenen Jahr haben unsere Mitarbeiter weltweit gut 5400 Patente angemeldet.
saatkorn.: Lebensphasenorientiert Arbeiten: Was ist die Idee hinter dem prämierten New Work Konzept von Bosch?
In Europa und vor allem in Deutschland erleben wir den demografischen Wandel. Die Arbeitswelt der Zukunft muss daher den Bedürfnissen von jüngeren und älteren Arbeitnehmern gerecht werden, damit diese ihr Know-how bestmöglich ins Unternehmen einbringen können. Deshalb orientieren wir uns an den verschiedenen Lebensphasen unserer Mitarbeiter, damit sie etwa mal zu Hause arbeiten, ein Sabbatical einlegen oder eine Auszeit nehmen können, wenn Angehörige gepflegt werden müssen. Das erfordert aber auch einen Wandel in den Köpfen, von der gewohnten Präsenzkultur Abschied zu nehmen. Dazu braucht es Impulse, die Organisation in Bewegung zu bringen, zum Beispiel durch Rollenbeispiele, etwa unter Führungskräften, viel Information und Dialogmöglichkeiten.
https://www.youtube.com/watch?v=YqCtASD_k-M
Damit es gelingt, begleiten wir solche Veränderungen innerhalb unserer Diversity-Strategie. Dazu gehört auch eine langfristige Projektkommunikation, um alle Mitarbeiter auf diesem Weg des Wandels mitzunehmen. Das ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich für alle.
saatkorn.: Was sind die nächsten Schritte im Rahmen Ihrer Initiative? – Welche Ziele wollen Sie bis Ende 2016 erreichen?
Gemischte Teams sind ein weiteres Kernelement unserer erfolgreichen Zusammenarbeit im Unternehmen. Deshalb arbeiten wir konsequent an unserem Ziel, bis 2020 weltweit einen weiblichen Anteil an Führungskräften von 20 Prozent zu erreichen. Gerade als Technikunternehmen, in dem gut 80 Prozent der Mitarbeiter in MINT-Berufen arbeitet, ein ambitioniertes, aber wichtiges Vorhaben. Dabei wollen wir auch einen Beitrag leisten, in Deutschland den dafür erforderlichen gesellschaftlichen Wandel mit voranzubringen. Bosch engagiert sich deshalb in der Netzwerkinitiative „Chefsache“ unter Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin.
Und weiter geht’s mit Erwin Hülscher, dem Geschäftsführer von HEITKAMP & HÜLSCHER:
saatkorn.: Herr Hülscher, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des XING New Work Awards 2016! – Was bedeutet für Sie und Ihr Unternehmen der Award?
Die Auszeichnung beim New Work Award 2016 zeigt uns, dass wir mit unserem Konzept eines Mitarbeiterunternehmens genau den Zeitgeist getroffen haben. Wenngleich die H&H Team GmbH & Co. KG in diesem Jahr 10 Jahre alt wird, so ist der Grundgedanke, der der Unternehmensgründung vorausging, genau das, wonach viele Firmen suchen. Dem Mitarbeiter ein Arbeitsumfeld zu schaffen, wo es ihm Freude macht zu arbeiten und wo gemeinsam wirtschaftliche Erfolge erzielt werden.
Das dann auch noch die XING-Netzgemeinde uns als relativ unspektakuläres Bauunternehmen als besonders innovativ identifiziert, macht uns nicht nur ein wenig stolz, sondern hebt uns von unseren Marktbegleitern schon ab.
saatkorn.: Ihre Idee: Mitarbeiter werden zu Mitunternehmern. – Was war bei der Konzeption und Entwicklung Ihrer New Work Initiative die größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?
Die Konzeption basiert auf den wesentlichen strategischen Gedanken unserer Unternehmensvision: „Vom Mitarbeiter zum Mitunternehmen !“ Die Entwicklung und Umsetzung dahin brauchte eine Idee und diese Idee wurde 2015 gemeinsam mit der AGP e.V. (Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V.) entwickelt.
https://www.youtube.com/watch?v=uRrKZoZXOs4
Das Mitarbeiter zu Mitunternehmern werden kennt man bei Großbetrieben in Form von Mitarbeiteraktionären. Für den Mittelstand und kleinere Unternehmen gibt es jedoch wenig praktikable Modelle, die sich in der Praxis bewährt haben und die wir hätten übernehmen können. Die Beteiligung am Anlagevermögen, in unserem Fall sind es die Baumaschinen und –geräte, und die Auslagerung in ein selbstständiges Unternehmen, war der Kerngedanke. Als wir diesen identifiziert hatten und eine Lösung für die Kapitalbeschaffung auf dem Tisch lag, ging es eigentlich alles ganz schnell. Unsere Mitarbeiter wurden über unsere Idee informiert, das Beteiligungsmodell und der Weg zur Kapitalbeschaffung vorgestellt und dann war es an den Mitarbeitern, diesem Konzept zu vertrauen. Das Vertrauen seitens der Mitarbeiter war von Beginn an vorhanden, was sich in einer anfänglichen Beteiligungsquote von fast 90 % der berechtigten Mitarbeiter niederschlug und sich bis heute mit einer Quote von 100 % manifestiert hat. Besser konnte es nicht laufen.
saatkorn.: Was sind die nächsten Schritte im Rahmen Ihrer Initiative? – Welche Ziele wollen Sie bis Ende 2016 erreichen?
Es mag vermessen klingen, aber das Modell ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden, von welchem Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen profitieren. Das Unternehmen ist wirtschaftlich kerngesund und unser Beteiligungsmodell findet zunehmend Interessenten aus dem Baubereich und ähnlich strukturierten Branchen. So haben bereits zwei weitere Unternehmen ein Beteiligungsmodell nach unserem Muster ins Leben gerufen. Unser Ziel ist es, unser Konzept auf andere Unternehmen zu übertragen. Wir bieten daher das Beteiligungsmodell einschließlich der Vertragsmuster als Blaupause zum Erwerb an. Hier ist es unser erklärtes Ziel, in 2016 weitere Nachahmer zu finden und für das Modell eines Mitarbeiterunternehmens zu begeistern. Wer Interesse hat, kann mich gerne ansprechen.
Und last but not least konnte ich mit Elisabeth Gressl von Bike Citizens sprechen:
saatkorn.: Frau Gressl, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des XING New Work Awards 2016! – Was bedeutet für Sie und Ihr Unternehmen der Award?
Vielen Dank – wir freuen uns sehr über die Auszeichnung bei den XING New Work Awards. Es ist toll, als so junges Unternehmen neben internationalen Größen wie Bosch auf der Bühne zu stehen. Wir sehen den Award als Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Für uns als App- und Techologie-Unternehmen mit Fokus auf das urbane Radfahren spielen Urbanisierung, Digitalisierung und aktive Mobilität eine zentrale Rolle. Wer auf diese Trends aufspringt und sich für moderne, lebenswertere und grünere Städte mit mehr Radverkehr einsetzt, kann auf der anderen Seite nicht in einem veralteten „9 to 5“ Arbeitsmodell stecken bleiben – das wäre irgendwie schräg. Gleichzeitig wissen wir, dass die 4-Tage-Woche in der jetzigen Form noch nicht aller Tage Abend ist und unser internationales Wachstum die nächsten Herausforderungen mit sich bringen wird.
https://www.youtube.com/watch?v=M-ftFjFcLLU
saatkorn.: Die Einführung einer 4 Tage Woche macht man nicht so nebenbei. Was waren die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung lag tatsächlich in der konsequenten Umsetzung – in machen Abteilungen hatten wir zuweilen eine 6-Tage-Woche, da war der Sprung auf 4 Tage sehr groß. Selbst nach der 3-monatigen Testphase lief noch nicht alles wie am Schnürchen, aber wir hatten zumindest 2 klare Erkenntnisse gewonnen: 1. Niemand wollte zurück zur 5-Tage-Woche und 2. das Konzept kann nur mit einer konsequenten Umsetzung vom Chef bis zum Praktikanten funktionieren. Ein wichtiger Punkt war auch die Aufstockung des Teams, um das steigende Arbeitspensum auf mehr Köpfe verteilen zu können.
saatkorn.: Was sind die nächsten Schritte für die Bike Citizens?
Fine Tuning unserer Unternehmensstruktur 😉 Bike Citizens ist in den letzten Jahren und v.a. 2015 sehr schnell gewachsen – Unsere App ist mittlerweile in über 300 Städten in Europa, USA und Australien verfügbar, unsere universelle Smartphone-Halterung Finn ist bereits in die 2. Version gegangen und wurde weltweit über 300.000 Mal verkauft, wir haben tolle Projekte z.B. mit der European Space Agency oder dem European Open Data Incubator (Odine) an Land gezogen und Wien sowie unsere erste UK Stadt als Partner gewonnen.
Bei all den Facetten und dem Tempo in dem wir uns bewegen, ist es essenziell, dass wir weiter an unserer Organisationsstruktur feilen. Insofern begegnen wir denselben Herausforderungen wie andere Unternehmen auch – nur dass wir offen für neue, kreative Lösungen sind. Aktuell experimentieren wir gerade mit unserer Raumaufteilung – wie wir themenspezifische (leise, laute, bunte, kahle..) Räume für individuelle Arbeitsbedürfnisse schaffen können, die je nach Arbeitsthemen, Lust und Laune flexibel beziehbar sind. Auch überlegen wir, wie wir unser Berliner Office näher an uns ran holen können – z.B. mittels Livestream, sodass die Kollegen bei den Arbeitsprozessen immer im Hinterkopf präsent sind – oder sie im Gegenzug schneller mitbekommen, warum eine Rückmeldung mal länger dauert. Auf der XING New Work Session in Frankfurt haben wir ein Unternehmen kennengelernt, in dem die Mitarbeiter ihr Gehalt selbst bestimmen – auch das ist ein interessanter Gedanke …
saatkorn.: Frau Gressl, vielen Dank für das Interview.
Wer jetzt mehr Lust auf „New Work“ bekommen hat: es gibt seit Kurzem das XING New Work eBook (zu dem ich auch einen Artikel über das Thema Unternehmenskultur beisteuern durfte). Das eBook kann man kostenlos HIER downloaden.