WorkSpace Futures: Arbeiten im New Work Zeitalter

WorkSpace Futures – hinter dieser Wortkreation stecken spannende Überlegungen rund um das Arbeiten im New Work Zeitalter. Wie müssen Bürokonzepte, wie muss Büroarchitektur aussehen und funktionieren, damit optimales Arbeiten möglich ist? – Ich hatte Gelegenheit, diese spannenden Fragen mit Beatriz Arantes von Steelcase zu diskutieren. Auf geht’s:

saatkorn.: Bitte stellen Sie sich und Steelcase den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.

Beatriz Arantes – Psychologin und Leiterin der Forschungsgruppe WorkSpace Futures bei Steelcase

Als Psychologin und Senior Researcherin leite ich das WorkSpace Futures Team im Steelcase Learning + Innovation Center in München. WorkSpace Futures ist eine globale, multidisziplinäre Forschergruppe aus den Bereichen Architektur, Industrie, Wohn- und Konsumdesign, Ingenieurwesen, Ergonomie und Wirtschaft. Wir stellen unsere Expertise zu menschlichen Emotionen, Kognition und Verhalten am Arbeitsplatz zur Verfügung und identifizieren Trends in Bezug auf Arbeit, Arbeitnehmer und Arbeitsplätze.

Steelcase ist ein globales Unternehmen, das innovative Arbeitsplatzlösungen entwickelt. Bei allem was wir tun, steht der Mensch und seine Bedürfnisse am Arbeitsplatz im Mittelpunkt. Wir forschen, hören nie auf zu hinterfragen, probieren Neues aus, lernen kontinuierlich und entwickeln so Produkte und Lösungen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, ihr Bestes geben zu können.

saatkorn.: Steelcase hat gerade eine sehr interessante Studie zum Thema Kreativität heraus gebracht. Was war das Setting, was die Zielsetzung der Studie?
Im Kreativitätsbericht 2018 untersuchen wir die Einstellung der Mitarbeiter zur Kreativität am Arbeitsplatz. Denn die Digitalisierung, globaler Wettbewerb und steigende Komplexität machen Kreativität zu einem unverzichtbaren Wettbewerbsvorteil. Wir glauben, dass es notwendig ist, den Status quo immer wieder zu hinterfragen und neue Denkweisen zu eröffnen. Denn Technologien wie die KI halten unaufhörlich Einzug in unsere Arbeitswelt. Statt dies als Bedrohung zu betrachten, glauben wir, dass die menschliche Fähigkeit kreativ zu denken gerade in diesem Kontext noch mehr an Bedeutung gewinnt. Die Studienergebnisse geben uns einen einzigartigen Einblick wie Menschen Kreativität definieren, wie sie künftig arbeiten möchten und was sie im Büro am meisten daran hindert, kreativ zu arbeiten. Für uns spannende Erkenntnisse, denn die Gestaltung von Arbeitsräumen kann dabei helfen, kreatives Potential freizusetzen.

saatkorn.: Und was sind die wesentlichen Ergebnisse der Studie, insbesondere in Bezug auf Deutschland? – Ich war ja sehr erstaunt, dass in Deutschland laut Eigenauskunft der Befragten neben den USA am kreativsten gearbeitet wird…!
Das stimmt. Mehr als 80 Prozent der deutschen Arbeitnehmer geben an, dass von ihnen am Arbeitsplatz entweder täglich oder wöchentlich Kreativität verlangt wird. Und doch arbeiten die Deutschen nicht gerne so häufig kreativ. Der kreative Ehrgeiz deutscher Arbeitnehmer ist im Vergleich zu den anderen Ländern am geringsten. Die Studienergebnisse zeigen uns auch, warum die Bereitschaft der Deutschen kreativ zu arbeiten eher gering ist. Für deutsche Arbeitnehmer sind bestehende Unternehmensprozesse und die akute Arbeitsbelastung Ursachen, die das kreative Potential hemmen. Darüber hinaus wirken sich fehlende Technologien und uninspirierende Arbeitsumgebungen negativ auf kreative Arbeit aus.

saatkorn.: Wir stellen also fest: Kreativität wird angesichts der zunehmenden Digitalisierung für die Arbeitswelt der Zukunft und insbesondere die Rolle des Menschen in der Arbeitswelt der Zukunft eine sehr große Rolle spielen. Was hat die Arbeitsumgebung nun mit Kreativität zu tun?
Die Arbeitsumgebung bietet die Bühne. Wir finden hier Werkzeuge, die es uns ermöglichen, unsere Aufgaben auszuführen. Auch setzt die Arbeitsumgebung Impulse und gibt den Ton an, mit dem wir kreative Prozesse gestalten und zu einer kreativen Denkweise gelangen.
Werkzeuge, wie Whiteboards oder beschreibbare Wände, helfen uns, Ideen zu visualisieren und mit anderen zu teilen. Bildschirme unterstützen die kreative Zusammenarbeit und das Teilen von Informationen. Fenster, die den Blick nach Draußen ermöglichen, und ein Raumdesign, das mit Routinen bricht, unterstützen die Ideengenerierung ebenfalls. Um ohne Ablenkung konzentriert arbeiten zu können, benötigen Beschäftigte Ecken, in denen sie sich wohl fühlen und vor Unterbrechungen durch andere geschützt sind. Arbeitsräume müssen verschiedene Arbeitsweisen und die damit einhergehenden Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützen.

saatkorn.: Zusammen mit Microsoft hat Steelcase ein Konzept entwickelt, das Räume und Technologien in allen Arbeitsprozessen miteinander in Verbindung bringt. Es handelt sich um sogenannte „Creative Spaces“, fünf verschiedene Raumangebote. Was steckt dahinter?
Die „Creative Spaces“ ist ein Konzept, das Räume und Technologien in allen Phasen des kreativen Prozesses miteinander in Verbindung bringt. Entstanden sind fünf Räume: Focus Studio, Duo Studio, Maker Commons, Ideation Hub, Respite Room.

Duo Studio wurde mit dem Wissen entwickelt, dass die Arbeit zu zweit ein wesentlicher Bestandteil kreativer Prozesse ist. Dieser Raum trägt mit Hilfe eines Surface Hub und eines Surface Studio dazu bei, das gegenseitige Vertrauen zu stärken – zwei Mitarbeiter können nebeneinander zusammenarbeiten und sich zugleich eigenen Aufgaben widmen. Ein Loungebereich lädt dazu ein, sich in kreativen Reviews mit Kollegen abzustimmen, oder einfach nur die Füße hochzulegen und kurz abzutauchen, ohne den Raum zu verlassen.
Der Ideation Hub eignet sich ideal für Brainstormings und bietet mittels eines Surface Hub eine Hightech-Umgebung, die zur aktiven und gleichberechtigten Beteiligung am Schaffensprozess einlädt. Hier können Menschen gemeinsam Neues schaffen und weiterentwickeln, oder Ideen mit verteilt arbeitenden Kollegen austauschen.
Der Maker Commons Raum fördert den schnellen Wechsel zwischen Besprechen, Experimentieren und Konzentrieren. Hier können Kollegen Ideen austauschen und Rapid Prototyping betreiben – beides wesentliche Bestandteile kreativer Arbeit. Eine WorkLounge mit Sichtschutzelementen schafft auch in offenen Bereichen ein Umfeld mit hoher Privatsphäre, in das sich die Mitarbeiter mit eigenen mobilen Geräten zurückziehen können, um konzentriert zu arbeiten.
Der Respite Room wurde mit dem Bewusstsein gestaltet, dass Kreativität die Balance zwischen aktiver Gruppenarbeit und zurückgezogener Denkarbeit erfordert. Hier können Menschen mit Hilfe eines Surface Book oder Surface Pro4 im Loungebereich ungestört ihre eigenen Ideen entwickeln oder neu erworbene Informationen verarbeiten.
Individuelles kreatives Arbeiten erfordert konzentriertes Alleinsein, um in den Flow zu kommen, zugleich müssen aber auch schnelle Wechsel zur Arbeit zu zweit möglich sein. Focus Studio ist der Ort, an dem Ideen entstehen, bevor sie mit anderen mit Hilfe eines Microsoft Surface Studio geteilt werden. Zugleich unterstützt das Focus Studio den raschen Wechsel zur Zusammenarbeit mit einer zweiten Person.

Das Besondere an diesem Konzept ist, dass Technologie und Raumgestaltung nicht wie bisher getrennt gedacht und geplant werden. Technologie ist ein Schlüsselinstrument in unserem Arbeitsprozess, soll aber nicht im Mittelpunkt stehen. Technologie soll den Gedankenfluss unterstützen, sei es für Einzelpersonen oder im Team arbeitende Menschen. Dazu ist es notwendig, sorgfältig darüber nachzudenken, wie man einen Raum schafft, der Mensch und Technik in Einklang bringt.

saatkorn.: Wo kann man diese Themen denn mal „live und in Farbe“ erleben? – Im Steelcase LINC?
Im LINC, dem Learning + Innovation Center in München wenden wir unsere aktuellen Forschungen, Ideen und Arbeitsplatzlösungen aktiv an, um den Austausch neuer Erkenntnisse zu erleichtern und Experimentieren zu fördern. Die miteinander vernetzten und ineinandergreifenden Räume geben den Menschen Wahlmöglichkeiten und Kontrolle darüber, wie und wo sie arbeiten – je nach aktueller Aufgabe und Gemütsverfassung. Mitarbeiter können zwischen Räumen für konzentrierte Einzelarbeit, Arbeit zu zweit sowie für dynamischere und interaktive Teamarbeit wählen. Außerdem steht ihnen eine Modellwerkstatt für Prototyping und praktische Problemlösung zur Verfügung. Das LINC bringt uns näher zusammen. Wir arbeiten hier eng mit unseren Kunden, Fachhandelspartnern und unserer Community zusammen, um zu lernen und innovative Ideen für die Zukunft der Arbeit umzusetzen.

saatkorn.: Welche Grundprinzipien kommen im LINC zur Anwendung?
Wie es der Name schon verrät, soll das LINC uns dabei helfen, zu lernen und so schneller zu innovativen Lösungen zu gelangen. Darum wenden wir im LINC die drei Grundprinzipien der Innovation an:

  1. Wir folgen überall dem Design Thinking Ansatz
  2. Wir schaffen eine Umgebung, die kreative Zusammenarbeit in allen Aspekten unterstützt.
  3. Wir folgen den Regeln der Innovation. Das heißt, wir stellen die richtigen Fragen, beobachten, hören zu und lernen. Wir machen Ideen sichtbar, teilen diese und werden gemeinsam kreativ. Wir führen andere zum Erfolg. Wir sind optimistisch und scheitern auch mal schneller, um früher erfolgreich zu sein.

saatkorn.: Wie geht Steelcase konkret vor? – Angenommen, wir hätten ein Bürogebäude, welches moderne Arbeitsformen auf Basis einer kreativitätsfördernden Arbeitsumgebung ermöglicht?
Wie bei allem was wir tun, arbeiten wir user-centered und wissenschaftlich fundiert. Um den Bedarf der Unternehmen zu ermitteln stellen wir in Workshops oder bei Touren durch das Learning + Innovation Center die richtigen Fragen. Fragestellungen bilden die Basis unserer gemeinsamen, individuellen Lösungserarbeitung. Dabei stellen wir die Fragen richtig: Anstatt „Was wollt Ihr?“ fragen wir „Was braucht Ihr?“.

Die individuell erarbeiteten Lösungen führen wir dann gemeinsam mit dem Unternehmen schrittweise ein, um die Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu fördern. Dabei sind wir uns stets im Klaren darüber, dass Raum oder Möbel allein keinen Mentalitätswandel bewirken. Wichtig ist es, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig abgeholt und im Wandel begleitet werden.

saatkorn.: Herzlichen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg bei Steelcase!

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

2 Gedanken zu „WorkSpace Futures: Arbeiten im New Work Zeitalter

  • 5. November 2019 um 09:23
    Permalink

    Ich finde, dass der Arbeitsplatz ebenfalls kreativ gestaltet sein sollte. Dies ist meiner Meinung nach ein echter Zugewinn und gibt die Möglichkeit nicht in ein nichtssagendes Büro zu kommen und langweilige Akkordarbeit verrichten zu müssen. Dabei sollte aber wie Sie sagen unbedingt darauf geachtet werden, dass die Gestaltung auch nicht zu sehr von der Arbeit ablenkt. Vielen Dank für Ihren Beitrag!

    Antwort
  • Pingback: Neuer Job mit 40+: Die Chancen stehen gut wie nie - saatkorn.

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