Work Awesome – Interview mit Simon Berkler
Work Awesome – Simon Berkler: „Organisationen gestalten ist ein lebenslanger Lernweg!“
Da ich mit saatkorn. die Ehre habe, dieses Jahr erstmals Medienpartner der fantastischen Work Awesome Konferenz zur Zukunft der Arbeit am 29.11. in Berlin zu sein, ab heute eine kleine Interviewreihe, in der ich vorab exklusiv mit einigen der spannendsten Speakern der Veranstaltung spreche. Diesmal: Simon Berkler. Er ist Gründer von TheDive und absoluter Experte für die Themen Transformation und organisationale Innovation. TheDive ist eine Unternehmensberatung, ein Think Tank und ein Experten-Netzwerk für Neues Arbeiten und Transformation. Wir haben dem Work Awesome-Speaker hier schon einmal ein paar Fragen vorab zum Großhype Selbst-Organisation gestellt.
saatkorn.: Ob Holacracy oder Soziokratie – das Erproben selbstorganisierter Arbeitsformen ist gerade ein großes Thema in vielen Organisationen. Wie kann das funktionieren?
Das kann man sich natürlich auf verschiedenen Ebenen anschauen, aber eines der wichtigsten Elemente der Selbstorganisation – auch im Unterschied zu traditioneller Organisation – ist die Trennung von Rolle und Person. Früher bist du mit einer sehr spezifischen Funktion eingestellt worden. An dieser Funktion hingen dann recht starr sämtliche Kompetenzen, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten. In den heutigen Zeiten, in denen sich Vernetzungs- und Komplexitätsgrade erhöhen und die Geschwindigkeit von Veränderung zunimmt, ist diese Form von Stabilität aber gar nicht mehr so wahnsinnig hilfreich.
saatkorn.: Warum?
Weil diese Verregelung dazu führt, dass Menschen nach ihrer Funktion und eben nicht in idealem Maße nach ihren Kompetenzen eingesetzt werden. Dabei wäre es ja sinnvoll, sich je nach Projekt oder Situation mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungslevels einbringen zu können. Ein provokatives Beispiel: Der Geschäftsführer eines mittelgroßen Unternehmens ist im klassischen pyramidalen System immer der Schlauste. Warum? Eben, weil er der Geschäftsführer ist. Dass er immer und überall Bescheid weiß oder zu wissen hat wird ihm seiner Rolle gemäß automatisch zugeschrieben. Doch das ist – übrigens auch aus eigener Erfahrung gesprochen – natürlich totaler Quatsch! Man ist natürlich auch als Chefin oder Chef nicht immer die oder der Schlauste, selbst wenn man es gerne wäre. Insofern finde ich es tatsächlich auch sehr entlastend zu sagen: In bestimmten Kreisen oder in bestimmten Projekten bist du als Geschäftsführer vielleicht wirklich der Experte, in anderen Kreisen bist du ein Projektleiter und in wieder anderen bist du vielleicht eher ein Lernender, ein Zuarbeiter oder was auch immer. Das ist einerseits komplexitätserhöhend, weil man sich dann natürlich ständig fragen muss, welchen Hut habe ich eigentlich gerade auf? Aus welcher Rolle heraus spreche ich? Man braucht ein bisschen Übung damit. Andererseits ist das gut und entlastend – auch für die Gesamtorganisation – wenn Menschen ihren Fähigkeiten und auch ihren Wünschen entsprechend eingesetzt werden können und das mit einer hohen Transparenz.
saatkorn.: Wenn sich Rollen und Funktionen fluide ändern, statt festgeschrieben zu sein – kann das nicht zu Konflikten führen?
Das ist richtig. Aber anders als in konventionelleren Organisationen, können Spannungen wenn sie existieren, sehr schnell in die Transparenz gebracht werden. Also wenn zum Beispiel das Gefühl entsteht, eine Rolle ist nicht mehr richtig besetzt oder es fehlt eine Rolle ganz und gar, dann kann das dank bewusst gestalteter Kommunikations- und Meetingroutinen schnell geklärt werden. Das wäre für mich ein weiteres wichtiges Element der Selbstorganisation: Dass Spannungen nicht mehr als Igitt-Konfliktthema rausgeschoben werden – und zwar sowohl prozessuale Spannungen als auch zwischenmenschliche. Beides kann es ja geben.
saatkorn.: All das klingt sehr spannend, aber durchaus auch herausfordernd. Wenn man sich an das Thema selbstorganisiertes Arbeiten herantasten möchte – wo und wie fängt man an?
Was ich jetzt geschildert habe, ist – sehr kurz angerissen –, was wir selbst machen. Es ist nicht so, dass ich jetzt jeder Organisation von vorne herein vorschlagen würde: „Bitte genau so machen“. Wenn wir solche Veränderungen begleiten, ist das immer ein schrittweiser Prozess. Das heißt, wir fragen dabei nicht immer gleich nach dem überübernächsten Entwicklungsschritt, sondern nach dem nächsten. Ich habe dabei keinen Bauplan in der Kopf, bei dem ich sage: „Das ist das Organisationmodell der Zukunft und jetzt bitte jeder genau so arbeiten.“ Im Gegenteil, die Modelle, die daraus entstehen, können sehr unterschiedlich sein. Das ist übrigens auch ein Aspekt, den ich an etwas dogmatischeren Modellen des selbstorganisierten Arbeitens kritisieren würde: Da wird gern über den jeweiligen Bedarf der Organisation und auch über dem jeweiligen Entwicklungsstand der Organisation hinweg gebügelt.
saatkorn.: Wie geht es besser?
Wir orientieren uns lieber an den Grundtugenden, die es in jeder guten Organisation gibt. Da gibt es Grundpfeiler auf die man systematisch schauen kann, unabhängig davon ob man pyramidenhaft oder in der Matrix oder in einem selbstorganisierten Kreis organisiert ist. Und daraus ergibt sich dann das ideale Modell für den Moment, in dem sich die Organisation befindet. Und was dann folgt ist dann ohnehin ein lebenslanger Übungsweg. Dieser verläuft nicht immer linear, ich glaube, dass es da auch Abzweigungen gibt. Daher muss man da vielleicht auch ein wenig seine Haltung anpassen und sich daran gewöhnen, dass eine gute Organisation nie fertig ist oder perfekt – das ist eher ein Prozess des ewigen Rumdokterns. Immer wieder zu schauen, „Was machen wir da eigentlich? Ist das noch richtig so?“, mag etwas überfordernd wirken, das gebe ich zu. Aber was sich erstmal komplex anhört, kann schnell an Selbstverständlichkeit gewinnen. Wenn man das ein wenig übt, läuft das ganz pragmatisch und dann ist das gar nicht mehr so eine Monsterkrake, wie es sich vielleicht im ersten Moment anhört.
saatkorn.: Vielen Dank für das Interview – ich freue mich auf unser Treffen auf der Work Awesome!
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