Kommt das Jahr der Berufsorientierung?

Kommt das Jahr der Berufsorientierung?

 

Jo Diercks ruft das Jahr 2014 zum Jahr der Berufsorientierung aus und alle machen begeistert mit. So auch saatkorn.!!! – Nachdem Jo in seinem Recrutainmentblog so fulminant vorgelegt hat, ist es gar nicht so einfach, das Thema aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Ich versuche es mal auf die persönliche Art. Auf geht’s:

Wir schreiben das Jahr 1987. Für einige der saatkorn. LeserInnen also extrem lang her, vielleicht war die Eine oder der Andere noch gar nicht geboren… Daher kurz ein paar Fakten zur historischen Einordnung 😉

  • Bundeskanzler ist Helmut Kohl (und das seit 5 Jahren und für unglaubliche weitere 11 Jahre). Deutschland ist durch eine Mauer geteilt. Niemand glaubt, dass innerhalb der nächsten 2 Jahre die Mauer fallen und BRD und DDR wieder zu einem ungeteilten Land werden könnten.
  • Unser Aller liebster Geheimagent James Bond wird vom erfolglosen Timothy Dalton verkörpert, der mit „Der Hauch des Todes“ im Sommer 1987 in die Kinos kommt. Hier der Trailer:
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  • Und für die Hardrocker unter uns: Guns n‘ Roses bringen mit „Appetite for Destruction“ ihr Debütalbum raus. Liegt erst wie Blei in den Läden und explodiert nach der Auskopplung von „Paradise City“ als Single:
    [videoembed type=“youtube“ width=“680″ height=“380″ url=“http://www.youtube.com/watch?v=wRqW_fxsUYU“ id=“0″] Für alle Popfans: der Hit in der BRD im Jahr 1987 waren Desireless mit „Voyage, Voyage“. Kennt die noch jemand?! – Hier ein Ausschnitt aus Peter’s Popshow:
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Ein Glück, dass es Hardrock gibt. Aber bevor ich jetzt in irgendwelchen Film- und Rock- und Popmusik-Betrachtungen völlig abschweife lest mal, was im Berufsbildungsbericht 1988 (also dem von 1987) so drin steht:

„Das Angebot an Ausbildungsplätzen im Bundesgebiet übersteigt die Nachfrage. Die Zahl der bis zum 30. September abgeschlossenen Ausbildungsverträge ging um 5,7 % zurück. Die Betriebe, Praxen und Verwaltungen sollten dies als Signal verstehen, der Nachwuchssicherung verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Vor dem Hintergrund einer insgesamt gesehen verbesserten Ausbildungsplatzssituation werden die regional-spezifischen Probleme deutlicher. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich in einer entspannteren Ausbildungsplatzsituation Angebot und Nachfrage bei den einzelnen Berufen weiter auseinander entwickeln könnten. Schon jetzt gibt es in einigen Regionen und Branchen Nachwuchsmangel, währen in anderen Regionen und Branchen nach wie vor Ausbildungsplatzmangel besteht. Volljährige Ausbildungsplatzbewerber müssen auch die Ausbidlung an fremdem Ort in Erwägung ziehen. Es wird niemals möglich sein, jeden gewünschten Ausibldungsplatz in der Nähe der elterlichen Wohnung anzubieten. Insgesamt gesehen – wenn auch noch in regional und nach Branchen unterschiedlichem Umfang – beginnt sich ein Wandel im Ausbildungssgtellenmarkt abzuzeichnen: vom Wettbewerb der Jugendlichen um Ausbildungsplätze zum Wettbewerb der Betriebe, Praxen und Verwaltungen um Auszubildende. …

Die Wirtschaft ist aufgefordert, ihre Ausbildungsleistungen auf hohem Niveau zu halten sowie Nachwuchsmangel durch geeigente Maßnahmen abzubauen. Marktausgleich setzt Flexiblität auch auf seiten der Anbieter von Ausbildungsplätzen voraus. Die Berufsberatung ist aufgefordert, die Information über die Vielfalt der Ausbildungsmöglichkeiten weiter zu verbessern.

Liest sich doch seltsam bekannt, oder?  😉

In eben diesem Jahr 1987 gibt es im schönen Sauerland einen hoffnungsvollen jungen Mann, der kurz vorm Abi stehend so absolut überhaupt gar keine Ahnung hat, was aus ihm mal werden soll. Schwierige Frage, was man denn werden soll, wenn man zumindest theoretisch und vor dem Hintergrund der im Berufsbildungsbericht von 1988 beschriebenen Situation sowie der eigenen Notensituation so ziemlich alles werden kann?!

Während die eigenen Berufsutopien zwischen Schlagzeuger (Heavy Rock!), Regisseur (Action!!) oder Skilehrer (mit Betonung auf Ski!!!) mäandern, haben die Eltern (beides Beamte, präziser: Lehrer) eher einen akademischen Berufsweg für ihren Sohnemann vor Augen. Arzt, Jurist oder zumindest Journalist wären doch entsprechende Möglichkeiten. Und der nette Berater aus dem Berufsinformationszentrum (auch damals schon nervige Pflichtveranstaltung ohne substanziell erfolgreiche Resultate, zumindest nicht im engeren oder auch weiteren Bekanntenkreis) schlägt doch glatt den aus individueller Betrachtung einzigen „No-Go-Job“, nämlich „Lehrer!“ vor, was nach 12 Jahren Schulbesuch mit nachfolgendem gemeinsames Mittagessen mit 2 Lehrer-Eltern sowieso schon mal definitiv nicht in Frage kommt.

Nach bestandenem Abitur erkauft sich unser Protagonist durch das Ableisten der Wehrpflicht erstmal weitere 18 Monate Leidens- und vor allen Dingen Bedenkzeit. Und danach: keinen Deut schlauer, dafür mit inzwischen kurzen Haaren (Heavy Rock Schlagzeuger also erstmal nicht…) und inzwischen ganz schön in- und extrinsischem Druck („Was soll nur aus mir bzw Dir werden?!“) entscheidet man sich für die Notlösung einer Ausbildung. Weitere – und diesmal sogar bezahlte! – Bedenkzeit! Nach erfolgreich bestandener Ausbildung dann erstmal die Entscheidung für ein BWL Studium, kann man ja nichts mit falsch machen…irgendwann, ein paar Jahre später, gibt es dann auch für saatkorn. endlich den beruflichen Erweckungseffekt – mit der Kombination von Begeisterung für HR- und Marketing-Themen einerseits sowie dem Internet andererseits entsteht echte Leidenschaft für ein Thema.

Wäre allerdings schön gewesen, wenn es 1987 mehr Möglichkeiten als das Berufsinformationszentrum gegeben hätte, um die eigenen Stärken, Interessen und Ziele stärker übereinander zu legen und auf Basis individueller Überlegungen etwas systematischer entschieden zu haben, wo der eigene Weg mal hinführen soll…

Ich halte mal fest: der Berufsbildungsbereicht 1987 liest sich in Passagen nicht grundlegend anders als der von 2012. Und solche individuellen Geschichten der absoluten Orientierungslosigkeit kennt jeder, entweder von sich selbst oder aus dem Bekannten- und Freundeskreis, oder wie war es bei Dir, geehrte/r LeserIn?! – Das ist nicht nur auf individueller Ebene problematisch, sondern auch gesamtwirtschaftlich. Jo hat in seinem Blogbeitrag ja auch auf die volkswirtschaftlichen Schäden durch die vielen Ausbildungs- und Studienabbrüche hingewiesen.

Man sollte annehmen, dass heute im Jahr 2014 junge Menschen aufgrund des Internets viel bessere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung haben. Eigentlich sollte es doch kinderleicht sein, sich über die eigenen Interessen klar zu werden, man muss ja nur nach den richtigen Websites suchen…eigentlich. Denn die Informationsflut im World Wide Web ist gigantisch. Heute stellt sich nicht mehr die Frage, woher man überhaupt Informationen bekommt, sondern wie man die richtigen Informationen findet und vor allem filtert. Und da sieht es nach wie vor eher mau aus:

  • Welchen Informationen kann man trauen?
  • Wo fange ich an zu suchen?
  • Wo finden sich seriöse Testverfahren, die ich mir als SchülerIn auch leisten kann (ergo: die sollten umsonst sein)?
  • Wie komme ich möglichst an Testimonials, die mir direkt berichten können, wie es ist, bei Unternehmen A eine Ausbildung zu absolvieren oder an Universität B zu studieren?
  • Wie kann ich als Schüler Netzwerke zu für mich interessanten Arbeitgebern, Verbänden oder Universitäten aufbauen?

Ich glaube: das Thema „Berufsorientierung“ muß beim Individuum ansetzen. Einfach formuliert geht es darum, herauszufinden, was bei den jeweils spezifischen individuellen Interessen, kognitiven Möglichkeiten und der individuellen Mobilität überhaupt in Frage kommt. Basierend auf individuellen Angaben zu diesen Themenfeldern kann dann durch die heute vorhandene Technologie Komplexität reduziert, können Informationen mit dem Ziel, Licht in den Orientierungsdschungel zu bringen, gefiltert werden. Und: Orientierung darf und sollte in diesem Kontext auch Spaß machen und muss nicht als Druck empfunden werden.

Ob Ausbildung (kaufmännisch oder gewerblich?), duales oder Vollzeit Studium (FH? Uni? Privatuni?), ob beim Kleinunternehmen direkt um die Ecke oder in einem Großkonzern 500 Kilometer von der eigenen Heimatstadt entfernt: alles individuelle Entscheidungen, die von SchülerInnen in einem bstimmten Alter und vor dem Hintergrund der gerade genannten Kriterien getroffen werden müssen. Und klar: Eltern, Lehrer, MitschülerInnen, alle reden mit. Ob das gut oder schlecht ist, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen werden wir im Jahr 2014 zusammen mit strategischen Partnern wie unter anderen Cyquest und IntraWorlds unter dem Arbeitstitel „careerparcours“ eine Berufs- und Studienorientierungsplattform starten, die Anfang des zweiten Quartals 2014 live gehen wird. careerparcours richtet sich an SchülerInnen aller Schulformen und verfolgt für Schüler das Ziel, Orientierung im Berufsdschungel zu schaffen, ein individuelles Netzwerk zu spannenden Arbeitgebern, Verbänden oder Hochschulen aufzubauen und durch das careerparcours Förderprogramm individuelle Unterstützung zu bekommen. Durch die beteiligten namhaften Unternehmen wird stiftet „careerparcours“ Vertrauen. Basierend auf individuellen Angaben reduziert „careerparcours“ Komplexität und liefert gefilterte, für das jeweilige Individuum relevante Informationen. Und das natürlich professionell, seriös und für SchülerInnen kostenlos.

In den nächsten Wochen werde ich hier mehr darüber berichten, wir stecken gerade mitten in der Programmierung und sind dabei, erste Partnerunternehmen zu akquirieren. Bei Interesse an tiefergehenden Infos einfach bei mir melden 😉

Unsere grundsätzlichen Hintergrund-Überlegungen dazu hat mein Kollege Christian Hansmann vor einigen Wochen bereits in einem Video erläutert. Für diejenigen, die es noch nicht kennen, hier nochmal zum Reinschauen:

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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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