Sind facebook und XING wirklich die neuen Heilsbringer des Recruiting?
Sind facebook und XING wirklich die neuen Heilsbringer des Recruiting?
Dass ich mit saatkorn. die frohe Kunde des Nutzens von Social Media gern verbreite, hat sich ja schon rumgesprochen. Dass ich Social Media aber nicht als alleinige und einzige Wahrheit rund um das Thema Mitarbeitergewinnung sehe, dürfte auch bekannt sein. Vor einigen Tagen sprach mich Volker Frey, Mitglied der Geschäftsleitung der HRM CONSULTING GmbH an und äusserte im Kontext des Kaufes von Instagram durch facebook, dass man das Thema ja auch einmal etwas erden könne. – Gern!
Und somit gibts heute saatkorn. mit Gastautor Volker Frey. Volker studierte Betriebswirtschaftslehre und startete 1999 als HR Consultant bei der InterSelect Human Resources Consulting GmbH in Frankfurt am Main und Berlin. Danach wechselte er zur SAP Deutschland nach Walldorf und war dort in unterschiedlichen HR Funktionen tätig.
Also – Vorhang auf für Volker Frey:
„Wow, wow! Facebook kauft ein Unternehmen mit 13 Mitarbeitern für eine Milliarde Dollar, ohne Geschäftsmodell! Dafür aber mit vielen Millionen Nutzern, um die es eigentlich geht und alle schreien:
That´s super Social! – So aber jetzt zum Start: Recruiting!
Wenn man sich einmal überlegt, wie vor 22 Jahren rekrutiert wurde und wie das heute ausschaut, dann kann man zwei wesentliche Punkte festhalten:
1. 1990 gab es ein Stellenprofil und ein Auswahlgespräch!
2. 2012 gibt es immer noch ein Stellenprofil und ein Auswahlgespräch!
Der Weg und die Möglichkeit zu diesem alles entscheidenden persönlichen Gespräch zu kommen, hat sich allerdings stark verändert – sowohl auf Bewerber- als auch auf Unternehmens-Seite! Mittlerweile gibt es Facebook mit der Fanpage, Xing (Deutschland), LinkedIn (Global), Karriere Blogs, Twitter, Tumblr.,Youtube, Kununu, Google+, Slideshare und noch vieles mehr – alles sehr gute Tools! Da steht man dann als Unternehmen da und muss sich die Frage stellen: „Was will und kann ich eigentlich mit diesen Tools erreichen? Muss ich da wirklich überall mitspielen“?
Facebook (FB)
Schauen wir uns einmal das Thema Facebook an und fragen uns kritisch, was daran besonders ist. Mir fällt da spontan wenig ein, was ich nicht auch mit einer modernen Homepage, einem Blackberry und einem persönlichen Gespräch erreichen könnte. Welchen Mehrwert hat es denn für einen Recruiter, wenn er auf FB etwas posted und dieses posting dann 55 mal kommentiert wird mit: klasse, toll, super, nett, like, top, prima! Was bringt dieses oberflächliche kommentieren? Man sollte sich auch immer die Frage stellen, ob man mit einer Fanpage Software-Architekten von München nach Oberflockenbach locken kann. Social Media ist nicht immer der Schlüssel zum Erfolg – schon gar nicht bei der Zielgruppe der Professionals.
Xing entwickelt sich immer mehr vom Business- zum Recruiting Netzwerk. Das heisst, Personalberater, Inhouse Sourcing Teams und Fachbereiche klicken alle wie wild auf: PHP, SEO, SEM und SAP. Die Hürde, mit Spezialisten in Kontakt zu treten, ist durch diese digitalen Netzwerke so niedrig geworden, dass jeder glaubt, er müsse sich an diesem „Abwerbekampf“ im MINT Umfeld beteiligen. Dies kann dazu führen, dass sich Top Kandidaten aus diesen Netzwerken zurückziehen, weil sie unprofessionelle, unkoordinierte und zum Teil aufdringlich formulierte Job-Anfragen erhalten. Es ist wichtig, auch in der virtuellen Welt, die ganz normalen Regeln zu beachten wie: Respekt, Verbindlichkeit und Fairplay. Sie müssen sich mit dem individuellen Profil und der Zielgruppe genau beschäftigen und dann den passenden Job bieten – nur das schafft für beide Seiten einen echten Social-Value. XING wie eine Targeting Plattform zu nutzen ist sicher der falsche Ansatz!
Wenn ich als Unternehmen alle Social Media Kanäle bespiele und dann 2 Wochen benötige, um ein erstes Interview mit einem Top Bewerber zu vereinbaren, dann kann die große Social Show auch zum Boomerang werden, der meist sehr schwer einzufangen ist.
Für mich ist „Social Media“ nur ein Kanal, um mich als Unternehmen zu öffnen und dem Bewerber einen authentischen Einblick zu verschaffen. Das geht ganz prima mit einem Youtube Film oder auch einer Fanpage. Es gibt tolle Fanpage Beispiele mit viel Interaktion und Content – ich verteufle das alles nicht. Der Aufwand wird aber meist unterschätzt und ich bezweifle, dass eine Fanpage harte Recruitingzahlen liefern kann.
Desweiteren sind Xing und Co. ein guter Weg, mit Kandidaten in Kontakt zu treten, um erste Informationen und Erwartungen auszutauschen. Das war ´s dann aber auch schon – denn nach dem ersten Social Media Ping Pong müssen Sie schnell zum Smartphone greifen (normales Telefon ist auch völlig O.K.) oder den Kandidaten (m/w) einladen und ihn einfach kennenlernen.“
Liebe saatkorn. LeserInnen – teilt Ihr Volkers Meinung? Wie steht Ihr dazu? – Freue mich auf Kommentare!
Oder, andere Idee: Wie wärs damit, den Kandidaten in eine Talent Community einzuladen? BMW, Accenture, KPMG und schon einige andere machen das mittlerweile sehr erfolgreich. So können Sie den Kontakt zu ihren Bewerbern langfristig bis zum Rekrutierunsgzeitpunkt halten. Die Talente werden über offene Social Media-Kanäle angelockt und später durch die Talent Community (http://bit.ly/zaIg9a) mit dem Unternehmen verbunden. Über die Talent Community erhalten dann die Talente zielgruppenspezifische Informationen vom Unternehmen, die ihnen zudem einen ersten Einblick in das Unternehmen ermöglichen.
Ich denke, dass Social Media im Recruiting zur Zeit noch ziemlich undifferenziert eingesetzt wird, vielleicht mit Ausnahme durch einige große Unternehmen, die keine Mühen und vor allem Kosten gescheut haben, um ziel- und userorientiert vorzugehen. Was dem Ganzen fehlt, um gut und richtig genutzt zu werden, ist der Tool-Charakter einer eMail oder eines Webbrowsers, dessen Grundfunktion rasch vielen klar war. Es gibt viel zu oft recht massive Veränderungen, v.a. bei Facebook. So kommt es, dass hier oft auch falsch vorgegangen wird. So sehe ich das jedenfalls.
Zunächst, vielen Dank an Volker für den sehr gut verfassten Artikel – einige Interessante Thesen!!
Aus unserer täglichen Interaktion mit Studenten und Recruitern kennen wir die Sichtweisen und Herausforderungen auf beiden Seiten ganz gut. Wir haben fest gestellt, dass eine Vielzahl von Recruitern Social Media als Allheilmittel ansieht, weil sie von ihren Vorgesetzten vorgeschrieben bekommen: „Facebook, da müssen wir dabei sein! Kümmern Sie sich drum!“ Dabei weiss weder der Vorgesetzte, noch der Recruiter wie man Facebook zum Recruiting oder besser Personalmarketing/Employer Branding nutzen kann und welcher Aufwand damit einhergeht, wenn man es richtig tut. Wir haben schon mit Unternehmen gesprochen, die mittlerweile mehr als 3 Vollzeit ‚Social Media Manager‘ haben, die sich NUR um die Pflege des Facebook Profils kümmern.
Des weiteren machen sich die meisten keine Gedanken darüber, wie man denn die ‚Fans‘ auf die eigene Seite bekommt. Wir kennen zumindest kaum Studenten, die von selbst nach der Recruitingseite eines Unternehmens bei Facebook suchen z.B. ’studybloxx Karriereseite‘.
Bottom Line: Wir erachten Facebook und andere Social Media Kanäle als durchaus sinnvoll, um mit der Zielgruppe den Kontakt zu pflegen und sich als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. ABER (!!!) der erste Kontakt wird auch bei Social Networks immer noch zunächst in der realen Welt aufgebaut, bevor man digital diesen Kontakt intensiviert bzw. aufrecht erhält. Oder hat jemand von euch schon wildfremde Menschen bei Facebook als Freund hinzugefügt?
„1. 1990 gab es ein Stellenprofil und ein Auswahlgespräch!
2. 2012 gibt es immer noch ein Stellenprofil und ein Auswahlgespräch!
Der Weg und die Möglichkeit zu diesem alles entscheidenden persönlichen Gespräch zu kommen, hat sich allerdings stark verändert“
Wohl war. Große Unternehmen oder Personalagenturen präferieren heute die Online-Bewerbung anstelle der Bewerbungsmappe. Durch eine eingeschränkte Auswahl von zulässigen Antworten, z.B. sind keine Angaben im Bereich vorhandener Zertifizierungen möglich. Ich sehe daher die Möglichkeit, leider schnell durch ein Raster zu fallen, daß dem Bewerber nicht bekannt ist. Bei ‚ungraden‘ Lebensläufen‘ ist es so schwieriger, die erste Hürde zu nehmen. Da könnte ein Profil in einem ‚Recruiter-Portal‘ wie Xing hilfreich sein.
1. 1990 gab es ein Stellenprofil und ein Auswahlgespräch!
2. 2012 gibt es immer noch ein Stellenprofil und ein Auswahlgespräch!
Richtig.
Vielleicht wäre es deshalb mal an der Zeit dieses ganze, doch oft sehr eingeschränkte, „Rekrutierungsmodell“ generell zu überdenken; das gerade vielen „ungeraden“ Lebensläufen keine Chance gibt. Obwohl hier häufig genau die spannenden, interdisziplinären Köpfe stecken, die oft (nicht immer, sicher) gesucht werden. Schade, denn sie liefern meist einen hohen, nicht zu unterschätzenden kulturellen Unternehmensmehrwert.
Gescheitert am Bollwerk einer Personalerabteilung 1.0
Hier mal ein erfrischend anderer Ansatz:
gruenderszene.de/interviews/somewhere-recruiting
Grüße aus Berlin
….es gibt zum Glück auch innovative Stellenprofile 2.0 🙂
Ich finde den somewhere-recruiting Ansatz als Ergänzung gut. Genau diese Köpfe gilt es in einem persönlichen Gespräch zu entdecken und zu begeistern. Bei einem Arzt, SAP Experten oder Piloten kommen Recruiter mit dem somewhere Ansatz alleine allerdings nicht sehr weit…Grüße nach Berlin