Rückblick auf das Zukunftsforum Personal, Tag 1
Rückblick auf das Zukunftsforum Personal, Tag 1
Achtung! Heute geht’s auf saatkorn. mal um etwas „größere“ Themen als sonst, nämlich die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, um die Frage, welche Veränderungen soziale Medien für Unternehmen mit sich bringen (Ok, dieses Thema wird hier des Öfteren behandelt), wie das Thema Diversity ernsthaft angegangen werden kann – und welche Aufgaben sich daraus für die Personaler-Profession ergeben. Harter Stoff und vermutlich der bislang mit Abstand längste saatkorn. Blogbeitrag. Also, auf geht’s:
Mal raus aus dem Tagesgeschäft, über den eigenen Tellerrand schauen und sich zu Zukunftsthemen der Profession Personal austauschen – dies sind einige Ziele des Zukunftsforums Personal. Dieses fand nach 2007 und 2009 bereits zum dritten Mal statt, organisiert von der HR Alliance, dem Dachverband der Organisationen Selbst GmbH, Goinger Kreis und Queb e. V. . In den imposanten Räumlichkeiten des HVB Forums der UniCredit Bank in München trafen sich knapp 320 PersonalerInnen zu einem spannenden Kongress mit vielen interessanten Gästen. Aber der Reihe nach…Unter dem Buzzword-Bingo verdächtigenTitel „Transformation radikal: Social Contract 1.0, Enterprise 2.0, People XY, HR 3.0? verbargen sich allerdings handfeste und aufeinander abgestimmte Themen, die von aktuellen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen getrieben werden.
In Ihrer Anmoderation spannte Prof. Dr. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen den inhaltlichen Rahmen für die Veranstaltung auf. Die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Personalarbeit sind geprägt durch die Globalisierung, den demografische Entwicklung, den gesellschaftlichen Wertewandel, Vielfalts- und Nachhaltigkeitsdiskussionen sowie ökonomisch-technologische Entwicklungen.
Können sich Unternehmen vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen von einer gesellschaftlichen Verantwortung freisprechen? – Der Themenblock „Social Contract 1.0“ gab mit einem einleitenden Referat von Gesine Schwan und einem sich darauf beziehenden Statement aus der unternehmerischen Praxis von Deutsche Telekom Personal- und HR Alliance Vorstand Thomas Sattelberger eine klare Positionierung vor. Eine detaillierte Betrachtung hier im Blog würde den Rahmen sprengen, stattdessen hier das Bildprotokoll der Statements von Gesine Schwan und Thomas Sattelberger:
Das Fazit zum Thema „Social Contract 1.0“ aus Perspektive der HR Alliance in Form von 3 Thesen:
- Reine Shareholder Value-Steuerung führt in die Irre. Unternehmen als gesellschaftliche Akteure und Nutznießer sind gefordert, Bürgerpflichten zu erfüllen sowie auf gesellschaftliche Anforderungen adäquat zu antworten.
- Unternehmen müssen wichtige gesellschaftliche Anliegen wie Menschenrechte, Bildung, Migration, Armutsbekämpfung, Gesundheit und Chancenfairness aufgreifen und aktiv Verträge und Bündnisse mit Politik und Zivilgesellschaft schließen. Dabei ist es im Ergebnis zunächst egal, ob dies aus Regulierungsangst oder eigenen moralischem Antrieb heraus geschieht.
- Den weltweiten Verwerfungen durch Globalisierung, Staatsrückzug und Wirtschaftsverfehlungen müssen Unternehmen durch transnationale, nachhaltige und wertebasierte Unternehmensverfassungen begegnen, die sie in einem weiteren Schritt mit Leben füllen.
An diesen Auftakt anknüpfend, erläuterte Frank Schomburg in Vertretung für den erkrankten Prof. Dr. Peter Kruse aktuelle Entwicklungen rund um das Thema „Enterprise 2.0“. Ich durfte dieses Referat mit einer Betrachtung aus der Unternehmenspraxis ergänzen. Klar ist: die neuen Social Media Technologien führen zu erhöhter Transparenz und der Notwendigkeit, authentisch und glaubwürdig zu kommunizieren. Dies stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, wie man bereits ansatzweise im Thema Personalmarketing erkennen kann. Unternehmensgrenzen verschwinden: was ich als Personalmarketingbotschaft extern kommuniziere, können die internen Mitarbeiter nicht nur sehen, sondern auch kommentieren. Es ist somit nicht sinnvoll, Botschaften nach außen zu senden, die intern nicht glaubwürdig sind. Die Grenzen zwischen innen und außen verschwimmen. Das Thema Personalmarketing kratzt hier aber nur an der Oberfläche, denn die Meinungsäußerung der breiten Masse über Social Media führt zu weit grundlegenderen Veränderungen und Herausforderungen. Wenn ganze Staaten ins Wanken geraten, wenn im politischen Kontext eine Partei wie die Piratenpartei, die auf mehr Demokratie von der Basis setzt, Erfolg hat, stellt sich mittelfristig die Frage, wie es im Kontext Enterprise2.0 eigentlich mit Machtstrukturen in Unternehmen aussieht. Welche Rolle spielt das mittlere Management, wenn im Prinzip jede(r) zu allem mitdiskutieren kann? Welche Rolle hat die Führung? Können streng hierarchische Strukturen dauerhaft Bestand haben? Wie werden Führungskräfte und Mitarbeiter in der Anwendung der neuen Kommunikationstools geschult? Wie wird mit Richtlinien umgegangen? – Es ergeben sich aus den technologischen Veränderungen zahlreiche Fragen, in denen die Personalfunktion aufgerufen ist, Antworten mit zu entwickeln. Zentral ist: wenn Unternehmen den Wandel zu Enterprise2.0 ernst nehmen – und mittelfristig werden das alle tun müssen, ob sie wollen oder nicht – ist dies zunächst eine gewaltige Change Management Aufgabe, die sich wesentlich mehr auf die Veränderung von Wertegerüsten, Einstellungen und die Unternehmenskultur bezieht, als nur auf die Implementierung neuer Technologien. Das Fotoprotokoll zeigt die Diskussion in etwas mehr Detailtiefe:
Aus HR Alliance Perspektive ergeben sich daraus folgende zentrale Thesen:
- Die Herausforderung liegt weniger in der Anwendung neuer Technologien, sondern in der Identifikation und Umsetzung neuer Gedanken.
- Die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ist die große zentrale Herausforderung in diesem Kontext, mit der sich die Unternehmen in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen – ob sie wollen oder nicht.
- Bestehende Machtstrukturen in Unternehmen und die seit Jahrzehnten erprobten Rezepte der Anziehung, Bindung und Entwicklung von Personal werden in Frage gestellt.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen widmete sich die von Prof. Dr. Rump moderierte Runde zum Thema People XY mit den Diskutanten Jonathan Imme, Mitgründer von Palomar5 e.V., Margret Rasfeld, Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum und Prof. Dr. Michael Hartmann von der TU Darmstadt Themen rund um Bildung und Diversity in allen Facetten (alt, jung, Frau Mann, gebildet, ungebildet…). Die für mich sehr interessante Diskussion führte zu der Erkenntnis, dass das traditionelle Bildungsbürgertum mit den entsprechenden Schulformen und der starken Gewichtung auf Gymnasien wenig dazu beiträgt, den Anforderungen einer immer globaler werdenden Weltwirtschaft und der steigenden Bedeutung von Sozialkompetenz im Geschäftsleben gerecht zu werden. Im Gegenteil: die Gesellschaft spreizt sich immer mehr in eine kleine Gruppe hochgebildeter Gutverdiener, die einen beengten Blick auf die Realitäten des „normalen“ Lebens haben, während die Gruppe der wenig gebildeten und schlechter verdienenden Personen größere wird. Gleichzeitig nimmt die Durchlässigkeit von unten nach oben ständig ab. Die Zusammenhänge gebe ich hier natürlich radikal vereinfacht wieder, aber die Grund-Tendenz scheint auf Basis der Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Hartmann genau in diese Richtung zu gehen. Dr. Thomas Marquardt, Vorstandssprecher der HR Alliance und Personalvorstand von Infineon fasste dann aus der Unternehmensperspektive wie folgt zusammen:
- Menschen verändern sich, damit die Unternehmen auch; insbesondere bezogen auf die junge Generation Y hinsichtlich Informations- und Kommunikationswege, Entscheidungsprozesse und Führungskulturen/stile – „Demokratisierung der Unternehmen“ durch People XY.
- Unterschiedlichkeit der Menschen nimmt zu; einerseits gut ausgebildete Nachwuchsführungs-kräfte (international, weltoffen, talentiert), andererseits junge Menschen ohne Perspektiven mangels Bildung, Integration, Förderung – „Allen eine Chance geben“ ist People XY.
- Erwartungen an Arbeitsbedingungen durch die Menschen sind vielfältig und nehmen an Intensität zu; flexible Arbeitszeiten, schnelle Wege, Zeit für anderes, Wohlfühlen und Geldverdienen, Gestalten können – People XY, die „Herausforderung für nachhaltige, wertebasierte Zukunftsorientierung“ –
- People XY ist Chance der Vielfalt, die es im Sinne einer Generation Diversity zu nutzen gilt unter der Prämisse „Talent ist überall“.
- People XY ist die Notwendigkeit, Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu sichern im System der Arbeit – ohne die Menschen krank zu machen.
Das Bildprotokoll dieses Veranstaltungsteils möchte ich auch nicht vorenthalten.
Die Abendveranstaltung des diesjährigen Zukunftsforums Personal fand in zünftigem Rahmen im Augustinerkeller statt, wo auch die HR Alliance Awards vergeben wurden. Frohe Mienen also abends bei den diesjährigen Preisträgern:
Goinger Förderpreis
Steht für das Thema Beschäftigungssicherheit. Ausgezeichnet wurde die Initiative „…an die Arbeit e.V.“ aus Lemgo.
Queb e.V. Award
Ausgezeichnet wurde die beste Recruiting Kampagne 2011. Gewonnen haben die Verkehrsbetriebe Zürich. Hier ein Link auf den saatkorn. Artikel dazu.
Selbst GmbH
Bereits zum sechsten Mal wurde der Employability Award ausgeschrieben. Ausgezeichnet werden Konzepte, die die Beschäftigungssicherheit verbessern. Der diesjährige Employability Award ging an Dr. Oetker für die Initiative „Experte in eigener Sache“.
Morgen dann für alle mit Durchhaltevermögen der Rückblick auf den zweiten Tag des Zukunftsforums Personal.
Danke für die sehr gute Zusammenfassung