Wie suchen Top Performer nach Jobs?
Wie suchen Top Performer nach Jobs? – Indeed hat ganz aktuell eine interessante Studie zu diesem Thema veröffentlicht. Ich hatte Gelegenheit, dazu mit Frank Hensgens, Geschäftsführer von Indeed in der Region DACH, zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Herr Hensgens, bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Mein Name ist Frank Hensgens. Ich bin seit mehr als fünfzehn Jahren in der Online-Recruiting Branche tätig und seit drei Jahren Geschäftsführer für Indeed DACH. Wir bieten Kandidaten in mehr als 60 Ländern Zugang zu Jobs auf der ganzen Welt. Insgesamt nutzen mehr als 200 Millionen Menschen weltweit jeden Monat unsere Seite.
Wir gewinnen regelmäßig aus eigenen Datenanalysen, Studien und Befragungen Erkenntnisse über die Einstellungen von Menschen zu ihrer Karriere und ihrer Jobsuche. Unser Anspruch ist es, daraus Tipps für zeitgemäßes Recruiting abzuleiten. In diesem Zusammenhang sprechen wir ja auch heute.
saatkorn.: Das ist richtig. Aktuell haben sie eine Studie zur Mitarbeiterrekrutierung durchgeführt. Ein Fokus liegt auf dem Thema Jobsuche für Top Talente. Wie definieren Sie Top Talente?
Wir sprechen in unserer Studie weniger von Top-Talenten als viel mehr von „Top Performern“, also von Mitarbeitern, die sich in einer Organisation besonders leistungsstark einbringen und so in hohem Maß für die Produktivität ihres Arbeitgebers sorgen. Eine Studie von 2012 zeigte auf, dass fünf Prozent der Mitarbeiter in einem Unternehmen – und genau das sind die „Top Performer“ – für 26 Prozent der Leistung sorgen. Das heißt: Es geht uns in der vorliegenden Arbeitsmarktstudie um Leistungsträger, die bis zu viermal produktiver sind als der durchschnittliche Mitarbeiter. Diesen Spitzenkräften sollten HR-Abteilungen besondere Aufmerksamkeit schenken – in der Mitarbeitersuche genauso wie bei der Mitarbeiterbindung.
Diese Leute gilt es zu finden und zu binden, denn sie machen den Unterschied, vor allem in Branchen, in denen der Wettbewerb eng ist und wo ist er das nicht?
saatkorn.: Gibt es bestimmte Eigenschaften, die Sie „Top Performern“ zu schreiben?
Die Definition von Spitzenleistung hängt natürlich auch immer vom jeweiligen Berufsfeld ab. Eine IT-Fachkraft muss auf der fachlichen Ebene natürlich ganz andere Fähigkeiten besitzen als ein Maschinenbauingenieur oder ein Marketing Manager.
Interessant wird es aber dann, wenn es um persönliche und charakterliche Eigenschaften geht – also die Fähigkeiten, die in Stellenanzeigen leider immer etwas unter Wert mit „Soft Skills“ umschrieben werden. Gemäß unserer Studie, für die Indeed fast 4.000 Kandidaten befragt hat, davon mehr als 1.700 Top-Performer, besitzen Leistungsträger ganz spezifische Eigenschaften.
Sie sind in der Lage vernetzt zu denken, wenn es gilt ein Problem zu finden und zu lösen. Sie initiieren als echte Macher ihre Aufgaben proaktiv und gehen über das hinaus, was von ihnen verlangt wird. Darüber hinaus verfügen sie über ein hohes Verantwortungsbewusstsein zur Erledigung ihrer Aufgaben, kommunizieren mündlich wie schriftlich klar und effektiv nach innen und außen und sind schließlich jederzeit in der Lage auch einmal unkonventionell, also quer zu denken, wenn sie mit herkömmlichen Lösungswegen nicht vorankommen. Letztlich füllen sie das, was andere sonst nur „Teamfähigkeit“ nennen mit Leben: Sie hören anderen zu, sind offen für Feedback oder Kritik und haben ein starkes Bedürfnis dazuzulernen.
Wie suchen Top Performer nach Jobs?
saatkorn.: Welche Kanäle stehen bei der Jobsuche für Top Performer im Fokus?
In dieser Hinsicht liefert unsere Studie sehr interessante Ergebnisse. Denn bisher wurde den HR-Abteilungen von vielen Seiten oft vermittelt, dass Leistungsträger nicht über Stellenanzeigen, sondern nur über die Direktansprache erreichbar wären. Unsere Studie zeigt klar: Das ist falsch. Erstes Mittel der Wahl in der Jobsuche von Top Performern sind Online- Jobseiten. Mehr als die Hälfte von ihnen, 55 Prozent um genau zu sein, nutzen Jobseiten im Internet. 43 Prozent abonnieren deren Job E-Mails. Gleich dahinter folgen die Stellenanzeigen auf den Karriere-Webseiten der Arbeitgeber sowie Angebote über spezielle Job-Apps. Wer hofft, Spitzenkräfte über Karrieremessen oder Headhunter zu finden, ist auf dem Holzweg. Unsere Ergebnisse zeigen: Gerade einmal 13 Prozent von ihnen setzen auf Headhunter, wenn es um den nächsten Karriereschritt geht. Um es klar zu sagen: Top Performer sind aktiv auf Jobsuche.
59 Prozent der von uns befragten Leistungsträger sind überzeugt, dass eine Stelle besser zu ihnen passt, wenn sie sich selbst um diese bemühen und das keinem externen Akteur überlassen. Weitere 57 Prozent gehen gar davon aus, in diesem Fall später auch im Job selbst erfolgreicher agieren zu können.
saatkorn.: Ist es wirklich so, dass eine aktive Jobsuche für Top Performer überhaupt in Frage kommt? Sind das nicht eher passive Jobsuchende?
Wenn wir uns das Persönlichkeitsprofil der Leistungsträger anschauen, kann es niemanden verwundern, dass gerade diese so gefragte Zielgruppe aktiv und eben nicht passiv auf dem Jobmarkt unterwegs ist. Top-Performer sind Macher, die agieren und nicht reagieren. Die Energie, die sie im täglichen Arbeitsalltag auszeichnet, zeichnet sie in jede Lebenslage aus, selbstverständlich auch in ihre Karriereplanung. Auch hier vertrauen sie selbstbewusst auf ihre eigene Kompetenz und nicht auf die Kontakte von Freunden oder externen Beratern.
Arbeitgeber, die sich auf dieses aktive Verhalten einstellen und etwa ihren Auftritt in Stellenanzeigen auf Jobseiten oder ihrer Karrierewebseite optimieren, haben die besten Karten, auch die besten Talente zu gewinnen. Wichtig ist es dabei mit diesen Top Performern auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das bedeutet: Wer sie überzeugen möchte, muss sie in seinen Recruiting-Instrumenten inhaltlich mit den Argumenten abholen, nach denen sie suchen. Auch dazu liefert unsere Studie wertvolle Ergebnisse.
saatkorn.: Welche Benefits machen bei der Jobsuche für Top Performer einen Unterschied? Zählt der Dienstwagen heute noch?
Wichtig aus Sicht der Arbeitgeber ist: Leistungsträger sind selbstbewusste Menschen, die ihren Wert ganz genau kennen. Mit einem Dienstwagen oder einem Firmen-Laptop sorgen sie da nicht für Hitzewallungen. Von solchen Leistungen gehen die mit gutem Recht aus.
Top-Performer sind Leute, die ihre Arbeit ständig hinterfragen und daher auch einen nachvollziehbaren Sinn und Zweck in ihrer Arbeit erkennen wollen. Nicht zuletzt deswegen strahlt das Unternehmensleitbild die größte Anziehungskraft aus, wenn sie auf Jobsuche sind. Wenn das zu den eigenen Wertvorstellungen passt, steigt ihr Interesse um satte 50 Prozent. Besonders gute Aufstiegsmöglichkeiten locken dagegen nur 19 Prozent, was ebenfalls nachvollziehbar ist, weil sie oft bereits in verantwortungsvollen Positionen einsteigen.
Darüber hinaus sind flexible Arbeitszeiten, die über die übliche Gleitzeit hinausgehen, für sie interessant. Wer hier überzeugende Lösungen anbieten kann, ist klar im Recruiting-Vorteil.
saatkorn.: Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Jobsuche für Top Talente?
Die spielt eine ganz entscheidende Rolle. Die üblichen Sonderleistungen und Vergünstigungen sind für diese sehr spezielle Kandidatengruppe selbstverständlich. Entscheidend für die Jobsuche sind daher sinnstiftende Inhalte und die können absolut in einer positiv wahrgenommenen Unternehmenskultur liegen. Dabei geht es aber weniger um das Image eines Unternehmens als vielmehr um dessen Leitbild und wie dieses intern auch gelebt wird.
Arbeitgeber, die hier eine klare Positionierung erarbeitet haben und klar sagen können, für welche Werte sie stehen, tun sicher gut daran, dieses Bild offensiv nach außen zu tragen.
saatkorn.: Was sind Ihre Empfehlungen für die Personalabteilungen? – Wie müssen diese sich kurz-, mittel- und langfristig aufstellen, um Top Performer zu rekrutieren?
Als Ergebnis unserer Studie würde ich Arbeitgebern vor allem drei Empfehlungen mit auf den Weg geben, um die besten Mitarbeiter zu finden.
Erstens: Sie sollten die Auswahl ihrer Recruitingkanäle auf das spezielle Suchverhalten der Top-Performer abstimmen. Das heißt: Um mehr Leistungsträger zu finden, sollten sie E-Mail- Benachrichtigungen, Job-E- Mails und Online-Jobbörsen nutzen.
Zweitens: Wer über ein starkes Unternehmensleitbild verfügt und dieses auch nachvollziehbar lebt und darüber hinaus alle Voraussetzungen für ein besseres Arbeits-und Teamumfeld schafft, sollte diese Argumente in das Zentrum seiner Arbeitgebermarke stellen. Denn das sind Argumente, die diese Top-Zielgruppe überzeugen.
Drittens: Die Auswahl an guten Jobs ist für Top-Performer groß. Wer sie einmal für sich begeistert hat, sollte sie daher nicht so schnell wieder verlieren – zum Beispiel durch einen komplizierten Bewerbungsprozess.
Um zu vermeiden, dass potenzielle Top Performer während des Recruiting-Prozesses wieder abspringen, obwohl sie sich eigentlich bereits für einen Arbeitgeber interessieren, sollte ein möglichst einfacher Bewerbungsprozess, idealerweise für Mobilgeräte optimiert, umgesetzt werden.
Die Studie zum Download finden Sie hier.
Über die Studie
Arbeitgeber-Befragung: Um zu verstehen, durch welche Eigenschaften sich Top-Performer in Unternehmen auszeichnen, führte Indeed zunächst einige intensive Einzelinterviews mit Führungskräften der mittleren und oberen Managementebene, die Personalverantwortung für mindestens fünf Mitarbeiter tragen.
Diese Gespräche wurden im Juli 2016 online über die Plattform Revelation von FocusVision geführt. Darauf folgte eine Onlinebefragung mit 1.000 weiteren Managern. Diese wurde über die Decipher- Umfrageplattform von FocusVision im August 2016 umgesetzt.
Kandidaten-Befragung: Im August 2016 wurden in Deutschland 3.994 Kandidaten befragt. Dazu wurde die Decipher-Umfrageplattform von FocusVision genutzt. Aus dieser Grundgesamtheit wurden auf Basis der Arbeitgeber-Befragung 1.774 Top-Performer ermittelt.
Es ist am wichtigsten, dass man seine Eigenschaften entwickelt. Nur dann kann man sich von anderen aussetzen. Um die besten Jobs zu finden, sollte man auch den Service einer Personalvermittlungfirma nutzen.
Hallo Gero, halle Herr Hensgens,
ich hatte eine unruhige Nacht, nachdem ich gestern Abend dieses Interview gelesen habe. Mir drängten sich zwei Gedanken auf, die ich auch jetzt, nachdem ich mir die Studie angesehen habe, nicht abschütteln kann. Vielleicht können Sie mir helfen?
1) Sie haben definiert, was Top Performer an Eigenschaften auszeichnen. Da stimme ich mit Ihnen überein. Was veranlasst Sie aber zu der Annahme, dass Führungskräfte die Anerkennung bekommen und mind. 5 Mitarbeiter führen, auch Top Performer sind? Die Gleichung ist mir etwas zu einfach. Wie wir alle wissen, ist die Bewertung von Leistung immer auch eine Frage des Umfelds. Und wir sind uns denke ich auch einig, dass nicht jede Führungskraft ein Leistungsträger ist. Dazu kennen wir alle genug schwache Führungskräfte.
Aber das irritiert mich gar nicht so sehr.
Etwas unruhig macht mich, wieso
2) die Erkenntnis aus dieser Studie so spannend sein soll? „Top Performer nutzen Online Jobbörsen“ … ja, natürlich. Dafür braucht es aber doch nicht den Aufwand einer Studie, oder? Das ist in etwa so als ob ich halbwegs gebildete Menschen frage: „Welche Kanäle nutzen Sie zur Informationsbeschaffung über das Tagesgeschehen in der Welt?“ Da sagen auch die hippsten Vordenker „die (online) Tageszeitungen“. Warum? Weil das die etablierten Medien sind und jeder wäre schön blöd, da nicht mal eben reinzuschauen. Oder? Dass darüber hinaus noch Twitter, Facebook oder was auch immer genutzt wird, ist eine andere Sache.
Warum nutzen also Top Performer Online Jobbörsen? Weil sie so klug sind, die Medien zu nutzen, die von Unternehmen mehrheitlich für Jobinserate genutzt werden. Das ist gesunder Menschenverstand.
Ich kenne einige Top Performer der HR Szene und bekomme immer mal wieder mit, wenn sich jemand verändern möchte. Alle, wirklich alle, nutzen Online Jobbörsen und Job Alerts! Natürlich! Als Grundrauschen. Und genauso natürlich nutzen sie ihr persönliches Netzwerk, werden von Personalberatern angesprochen oder gehen aktiv auf die Suche nach einem spannenden Unternehmen.
Die Erkenntnis aus dieser Studie finde ich daher relativ mau. Richtig spannend wäre doch zu erfahren, wie die Top Performer den Job dann auch bekommen haben! Über eine klassische Bewerbung (die zuerst bei einem P-Referenten landet, statt beim Entscheider)? Über eine Bewerbung direkt an den Entscheider? Über persönliche Kontakte im Unternehmen? Über einen vom Personalberater gesteuerten Prozess?
Und welchen Weg würde Top Performer bevorzugen, wenn sie es sich aussuchen können? Sollte ich vielleicht als Unternehmen ein Auswahlverfahren für Jobs für Top Performer gesondert gestalten? Mit direkter Bewerber an den Hiring Manager, um die Wertigkeit deutlich zu machen?
Das nur als kleiner Gedankengang. Ich weiß, dass ich mit Studien auf dem Kriegsfuß stehe, weil der Erkenntnisgewinn der meisten für mich gering ist. Und daher kommentiere ich normalerweise auch nicht. Aber in diesem Fall konnte ich das nicht einfach so ignorieren, sorry. Vielleicht können Sie mich ja auch eines anderen überzeugen? Würde mich freuen.
Herzlichen Gruß und eine gesegnete Weihnachtszeit,
Henrik Zaborowski
Hallo Henrik,
erstmal Frohes Neues und Entschuldigung für die verspätete Antwort – ganz brav offline-Urlaub. 😉 Muss auch mal sein.
Schlaflose Nächte wollen wir natürlich auf gar keinen Fall auslösen. Daher so gut es geht, hier meine Antworten zu deinen Anmerkungen – gerne können wir das auch noch weiter vertiefen, dann müsste ich mir nur ggf. die Studienautorin schnappen.
Zu 1) – das ist ein Missverständnis, zur Definition der Eigenschaften von Top-Performern wurde Führungskräfte befragt. In intensiven Einzelgesprächen wurden Führungskräfte mit mindestens 5 Mitarbeitern befragt, was Top-Performer in ihren Teams auszeichnet. Dieser qualitative Teil der Befragung führte zur Definition der Eigenschaften solcher Mitarbeiter.
Zu 2) – Ich verstehe, was du meinst, und tatsächlich sehen auch ich persönlich das Ergebnis als nicht sonderlich überraschend. Natürlich suchen auch Top-Performer dort, wo die Jobs nun einmal sind, also Online. Allerdings ist die Bevorzugung aktiver Suche enorm wichtig als Info für Recruiter und überrascht viele dann doch immer wieder in den Gesprächen, die wir führen – Top-Performer und „normale“ Jobsuchende unterscheiden sich insgesamt wirklich kaum. Das zeigt sich, wenn man mit der Vorgängerstudie aus dem letzten Jahr vergleicht: http://blog.de.indeed.com/2016/05/19/65-der-kandidaten-vertrauen-eher-auf-stellen-die-sie-selbst-auswaehlen/ Außerdem enthält die Studie einige Hinweise darauf, welche Faktoren für Top-Performer besonders wichtig sind, zum Beispiel die Unternehmensphilosophie/Unternehmenswerte.
Deine Anregungen bezüglicher weiterführender Studien finde ich ungeheuer spannend! Ich werde diese an die Studienautorin in unserem Wirtschaftswissenschaftler-Team weiterleiten als Idee für einen Nachfolgeansatz.
Liebe Grüße
Ina