Employer Branding und… Fußball?!
Im Folgenden ein lesenswerter Gastartikel der in diesem Jahr auf der New Work Experience mit dem New Work Award ausgezeichneten match-watch.de Gründerin Julia Kümper. Auf geht’s!
Der Selbsttest zu Beginn: Lesen Sie das folgende Zitat zu den aktuellen Taktik Trends der Saison 2016/17 der 11 FREUNDE Redaktion und setzen Sie vorab die „Wirtschafts-Brille“ auf. Ersetzen Sie die Begriffe aus dem Fußball durch Wirtschaftsbegriffe. Zum Beispiel Bundesliga durch Wirtschaft, Taktik durch Strategie, Matthias Ginter durch Mitarbeiter und Partie durch Jahr.
„Wer einen Beweis brauchte, wie weit sich die Bundesliga in puncto taktischer Flexibilität weiterentwickelt hat, musste nur das Pokalfinale anschauen. Dortmund begann die Partie in einem 5-3-2, wechselte zwischendurch zu einem 5-2-3 und beendet die Partie mit einem 5-4-1. Frankfurt wechselte vom anfänglichen 5-3-2 über ein 5-2-1-2 zu einem 4-2-4. Matthias Ginter spielte während der Partie auf drei verschiedenen Positionen. Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt stehen exemplarisch für die gesamte Liga. Die Generation »Laptoptrainer« erwartet von ihren Spielern taktische Flexibilität. Ständig wird die Formation getauscht und umgestellt. Ein Drittel der Bundesliga-Teams kann binnen Sekunden von Dreier- auf Viererkette und wieder zurück wechseln. Manchmal bleibt bei all den Formationswechseln aber die Eingespieltheit auf der Strecke.“ (Quelle: https://www.11freunde.de/artikel/das-waren-die-taktik-trends-der-saison/page/1)
Dementsprechend wird aus „Matthias Ginter spielte während der Partie auf drei verschiedenen Positionen“ dann „Der Mitarbeiter war während eines Jahres auf drei verschiedenen Positionen eingesetzt.“ Kommt Ihnen das aus Ihrem agilen Arbeitsbereich bekannt vor? Und was hat das mit Employer Branding zu tun?
Würde Borussia Dortmund neue Mitspieler durch Employer Branding suchen, bedeutet dies, Menschen zu finden, die in das Gesamtbild und die Vision des Vereins passen. Früher wäre dies simpel in Angriffs- und Defensiv-Fußball aufgeteilt worden. Mittlerweile entwickelt aber jeder Verein seine eigene Philosophie und Spielvision und nicht selten werden Trainer danach ausgesucht, ob sie die durch den Verein vorgegebene Spielweise umsetzen oder ihr eigenes Konzept durchsetzen wollen. Und auch für Spieler ändert sich einiges. Sie werden nicht mehr wie früher als rechter Verteidiger eingekauft sondern verstärkt wird darauf geachtet, auf wie vielen Positionen insgesamt er eingesetzt werden kann und wie schnell er flexibel zwischen Positionen hin und her switchen kann. Der Trend geht also dahin, Spieler für die Mannschaft anzuwerben und nicht für eine bestimmte Position.
Vergleichbares in der Wirtschaft entwickelt sich gerade mit dem Employer Branding. Die Deutsche Bahn schreibt zwar noch einzelne Stellen aus, aber mit ihrem Claim „Willkommen, Du passt zu uns“ ist die Position nicht ausschlaggebend, sondern ein generelles Interesse an jedem, der dann individuell eingesetzt wird (siehe: https://www.saatkorn.com/deutsche-bahn-employer-branding-alles-neu/). Ähnlich offen formuliert McKinsey seine Personalstrategie: “Building Global Leaders“. Keine fachliche Eignung sondern vielmehr das Gesamtziel steht im Mittelpunkt des Employer Branding. Die zwei Beispiele suggerieren aber noch viel mehr: Grenzen verschwimmen. Altbekannte- übrigens auch bei den potentiellen Bewerbern – manifestierte Arbeitsbilder, Positionstitel sowie Abteilungszugehörigkeit geraten in den Hintergrund. Abteilungen, Zuständigkeiten, fachlichen Expertisen und Hierarchieebenen verändern, vermischen sich, werden aufgelöst, neu zusammengewürfelt, abgeschafft oder umstrukturiert. Was bedeutet dies für den Mitarbeiter?
Ebenso wie der Fußball in seiner taktischen Entwicklung befindet sich Gestaltung des Arbeitsalltags in einer Umbruchphase. Üblicherweise wurde im Fußball vor dem Spiel der Mannschaft ein Spielsystem – und welche Spieler spielen – mitgeteilt und während der folgenden 90 Minuten umgesetzt. Das im Zitat beschriebene Phänomen bezieht sich aber darauf, dass aktuell während des Spiels Änderungen am System vorgenommen werden. Eine taktische Weiterentwicklung im Fußball, die von immer mehr Trainer angewandt wird.
Also ein Umbruch: bisherige Prozesse, Spielsystem festlegen und dran festhalten, maximal eine kleine Veränderung in der Halbzeit oder durch einen Spielerwechsel, werden verändert und schnelllebiger. Was bisher 90 Minuten Gültigkeit besaß wird nun innerhalb von wenigen Minuten revidiert. Bedingt durch Digitalisierung, Fachkräftemangel und einer Veränderung der Arbeitnehmeransprüche verändert sich ebenfalls die Zusammenarbeit im Unternehmen. Vergleichbar mit der taktischen Umstellung während des Spiels ist die Einführung agiler Arbeitsweisen. Ebenso wie bei der Umstellung von 5-3-2 zu einem 5-2-3 zu einem 5-4-1 wird im Unternehmen bei einer agilen Arbeitsweise von den Spielern und Mitarbeitern erwartet, innerhalb von Minuten in einem Spiel, beziehungsweise innerhalb von Tagen oder Wochen die eigene Rolle zu wechseln und mit anderen Mitarbeitern zusammen zu arbeiten. Faszinierend an dieser Stelle ist, dass sowohl das System Fußball als auch das System Unternehmen an einer ähnlichen Entwicklungsstufe angekommen sind.
Einige der erfolgreichen Vereine wechseln bereits flexibel zwischen ihrer taktischen Ausrichtung hin und her. Unternehmen, insbesondere in der Digitalbranche, verändern ihr Arbeitsmodell zu einem agilen System und wechseln entsprechend der taktischen Ausrichtung im Fußball auch ihre Gruppenzusammenstellung. Der Wechsel zwischen Dreier und Vierer Kette ist vergleichbar mit dem Wechsel der Zusammensetzung von Projektteams. Im Fußball wurde bereits das größte Problem bei diesen schnellen Wechseln identifiziert: „Manchmal bleibt bei all den Formationswechseln aber die Eingespieltheit auf der Strecke.“ Und auch in Unternehmen ist ein Reibungs- und Effizienzverlust zu beobachten, wenn ein neu zusammengesetztes Team seine Arbeit aufnimmt.
Genau hier gibt es Potenziale zur Verbesserung: Zu Projektbeginn das Kennenlernen von Arbeitsweisen aller Beteiligten und persönlichen Bedürfnissen nach Führung oder Freiheit zu identifizieren und zu begleiten ist essentiell. Das wiederum bedeutet eine geplante Kennenlernphase und genug Zeit, dies umzusetzen und die richtigen Methoden zu wählen. Genauso wichtig ist es, dass die Mitarbeiter nicht von einer in die nächste Projektphase hetzen, sondern das Zeitmanagement ein realistisches Zeitmanagement betreibt. Es gibt also viel zu bedenken und zu planen, nicht umsonst werden die Trainer der neuen Generation im Fußball als Laptoptrainer bezeichnet. Dies steht als Synonym für eine geplante, mit Fakten und Daten hinterlegte, Ausrichtung und Arbeitsplanung. Erstaunlich, dass in einer sehr stark auf Tradition beruhend und klassischen Hierarchieorganisationen basierende Organisationsform eine solche Veränderung zulässt. Diese Professionalisierung wäre ebenfalls vielen Unternehmen für ihre eigene Organisation zu wünschen.
Und jetzt sind Sie gefragt: ist das Experiment gelungen und welche Analogien sehen Sie speziell zwischen Fußball, New Work und Employer Branding?