Unternehmenskultur – das war schon oft ein saatkorn. Thema, hängt es doch sehr stark mit anderen typischen Themen auf diesem Blog wie Digitalisierung oder Arbeitgeberpositionierung zusammen. Ich hatte kürzlich die Ehre, einen Beitrag zum Thema Unternehmenskultur für das in meinen Augen lesenswerte XING eBook zum Thema New Work schreiben zu dürfen. Wer Interesse am kompletten eBook hat, kann es sich HIER kostenlos downloaden. Es gibt eine ganze Reihe spannender Autoren, einige davon sind:
Hier nun mein Intro zum Thema Unternehmenskultur. Freue mich auf Feedback zu diesen Gedanken…
Unternehmenskultur als zentraler Erfolgsfaktor für Arbeitgeberattraktivität
1997 habe ich meine Diplomarbeit zum Thema „Unternehmenskultur“ geschrieben. Der Titel war „Die Mitarbeiterbefragung als Ansatzpunkt für die Veränderung der Unternehmenskultur“ und das Ganze wurde am Beispiel von 2 der AWO zugehörigen Altersheimen erarbeitet. – Rückblickend aber gar kein Wunder, dass ich für diese Thema kein größeres Unternehmen begeistern konnte. Das Primat des Shareholder Values war Ende der 90er Jahre überall spürbar. Ergo: was die innere Verfassung eines Unternehmens anging, was die Mitarbeiter eigentlich dachten oder wie zufrieden die Mitarbeiter waren, spielte nicht gerade eine große Rolle – eher im Gegenteil. Ziel war es, das Optimal(st)e aus dem Unternehmen heraus zu holen, und so den Shareholder Value zu steigern.
Es brauchte zwei Wirtschaftskrisen, um erste Risse in diesem Primat des Wirtschaftens zu erkennen. In den letzten Jahren wird durch die beiden Metatrends „Demographie“ und „Digitalisierung“ immer deutlicher, dass Wirtschaft heute und in Zukunft anders funktionieren muss:
Die demographische Entwicklung führt in vielen Ländern dazu, dass sich – eine stabile Wirtschaftslage vorausgesetzt – Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt ändern. Natürlich nicht von heute auf morgen, natürlich nicht für alle Arbeitskräfte. Wohl aber für hoch nachgefragte Experten oder für nahezu sämtliche ITler oder Ingenieure. Interessant ist, dass vielen CEOs die Dramatik noch nicht so ganz klar ist. Wenn man aber hinter verschlossenen Türen mit CHROs spricht, gibt es eigentlich kein Unternehmen mehr, welches nicht in bestimmten Zielgruppen massive Probleme nicht nur mit der Quantität, sondern auch mit der Qualität der Bewerber hat. Logisch, dass diese Kandidaten bzw Mitarbeiter einen anderen Verhandlungsspielraum haben. Und diesen in der Regel auch nutzen. Letzten Endes bestimmen ja Angebot und Nachfrage den (Arbeits-)Markt.
Die Digitalisierung ist die meines Erachtens noch viel gravierendere Veränderung für Organisationen. Bei der demographischen Entwicklung geht es letzten Endes „nur“ um eine rein zahlenbasierte Machtverschiebung am Arbeitsmarkt in einigen zentralen Zielgruppen. Die Digitalisierung verändert allerdings auch die Art und Weise, wie wir kommunizieren massiv.
Digitale Kommunikationswege führen zu einer viel höheren Transparenz und Geschwindigkeit in Arbeitsprozessen, die Digitalisierung verändert viele Prozesse grundlegend. Viele heutzutage noch vorhandene Jobs werden in den nächsten Jahren durch Maschinen ersetzt werden (allerdings ohne den oben skizzierten demographischen Effekt völlig aufzuheben).
Der menschliche Faktor im System Arbeit wird zukünftig eine deutlich größere Rolle spielen. Das, was nicht durch Maschinen ersetzt werden kann, wird weiterhin durch Menschen erledigt werden müssen. Soziale Fähigkeiten, Empathie, Leidenschaft und Kreativität werden einen immer größeren Stellenwert bei den benötigen Skills von Arbeitskräften bekommen. Die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, wird mehr und mehr zum Erfolgsfaktor für Organisationen werden.
Es gibt keine Branche, kein Unternehmen, welches durch die Digitalisierung nicht grundsätzlich betroffen ist. Dass ganze Branchen sich radikal verändern sei hier nur am Rande erwähnt. Bezogen auf das Thema Unternehmenskultur fängt die Digitalisierung an bei der Art und Weise, wie Personalmarketing betrieben wird (ohne Authentizität erleidet man aufgrund der extremen Transparenz durch digitale Kommunikation heutzutage Schiffbruch), geht weiter über die interne Kommunikation (auch hier spielen Transparenz und Authentizität eine grundlegende Rolle) bis hin zu heutzutage zwar noch radikalen, aber bereits in der Realität vorhandenen Ansätzen wie der demokratischen Wahl der Führung durch die Mitarbeiterschaft oder das gemeinsame Aushandeln von Gehältern. Hier möchte ich allerdings nicht falsch verstanden werden: das ist kein Plädoyer für eine „Kuschel-Wir-haben-uns-alle-lieb-Landschaft“. Ein Blick in moderne Unternehmen wie google oder facebook reicht aus, um zu erkennen: die neue Währung ist der kreativ-intelligente, smarte Geist. Schlecht für etwas einfacher strukturierte Menschen, hier ist auf gesellschaftlicher Ebene definitiv Anlass zur Sorge gegeben.
Ich glaube, dass diejenigen, die mit den oben angesprochenen Fähigkeiten gesegnet sind, in sehr angenehmen Arbeitssituationen beschäftigt sein werden – geprägt von einer extrem mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur. Natürlich nicht aus altruistischen Gründen, wir befinden uns ja nach wie vor in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Sondern vor allem deshalb, weil der Kampf um die top Talente weiter zunehmen wird. Wenn nun jedes Unternehmen einen Betriebskindergarten und flexible Arbeitszeiten hat und für ITler super zahlt, sind all dies keine Differenzierungsfaktoren mehr.
Was macht also zukünftig den Unterschied? – Richtig, die Unternehmenskultur. Und hier vor allem vor dem Hintergrund der Frage aus Talentsicht, ob das jeweilige Unternehmen zu mir passt. Nicht anders herum. Somit sind die größten Wettbewerber am Arbeitsmarkt zunehmend nicht mehr andere Arbeitgeber, sondern eher die Start Up Branche. Viele genau derjenigen digitalen Talente, die von nahezu jedem Unternehmen händeringend gesucht werden, entscheiden sich für den eigenen Weg mit einem Start Up. Das ist zwar schlechter bezahlt, bietet aber weitaus mehr Möglichkeiten für Selbstverwirklichung als ein Großkonzern und oft viel direktere Wertschätzung. Vor diesem Hintergrund werden Themen wir Autonomie, Flexibilität, Diversität oder Kooperation für Organisationen immer wichtiger.
Fazit: Mit der reinen Shareholder Value Denke und einer entsprechenden Kultur kommt man unter den neuen Bedingungen von „Demographie“ und „Digitalisierung“ heute nicht mehr weit. Jene, welche das bislang nicht erkannt haben, stellen mit Schrecken fest, dass ein „Dieselgate“ selbst erfolgreichste und beständigste Organisation an den Rand ihrer Existenz bringen kann. Ein „Dieselgate“, welches offensichtlich extrem viel mit der Unternehmenskultur zu tun hat, wenn Mitarbeiter sich nicht trauen, die Geschäftsleitung darauf hinzuweisen, dass bestimmte Ziele eben nicht mit legalen Mitteln erreicht werden können. Erfolgreiche Organisationen werden Unternehmenskultur im besten Sinne als USP für sich deuten müssen. Was macht das Unternehmen besonders, was ist die spezielle DNA? Warum macht die Arbeit in einem bestimmten Unternehmen Spaß? Wird die Sinnebene durch die Arbeit befriedigt? – Eine identitätsstiftende Unternehmenskultur schafft Motivation und kann ein Magnet für top Talente werden. Das verbessert Chancen im Recruiting und führt dazu, dass die besten Mitarbeiter auch bleiben. Eine „Self Fulfilling Prophecy“.
Der Aufbau einer identitätsstiftenden Unternehmenskultur ist erheblich leichter gesagt als getan, denn Vorspielen kann man eine solche Kultur nicht, Stichwort Authentizität. Das Schaffen einer solchen Kultur funktioniert außerdem nicht von heute auf morgen, hat niemals ein Ende und betrifft sämtliche Bereiche einer Organisation, angefangen von der Architektur über Führungsprinzipien bis hin zur Gehalts- und Arbeitszeitgestaltung. Unter den gegebenen Vorzeichen der demografischen Entwicklung und der Digitalisierung gibt es unter der Voraussetzung einer hoffentlich weiterhin stabilen Wirtschaftslage aber keine Alternative zu mehr Diversität, Kooperation, Autonomie und Flexibilität im Arbeitsleben. Spannend, oder?
HIER kostenloser Download des ganzen eBooks!