TELLENT: Interview mit Sacha Taghavi und Perry Oostdam
Tellent ist ein sehr interessanter Zusammenschluß verschiedener HR TECH Player wie beispielsweise kiwiHR und Recruitee. Ich hatte Gelegenheit, ausführlich mit den beiden Tellent Vätern, Sacha Taghavi und Perry Oostdam zu sprechen. Auf geht’s:
SAATKORN: Perry und Sacha, bitte stellt Euch den SAATKORN Leser:innen doch kurz vor.
Sacha: Hallo, ich bin Sacha Taghavi, der CEO und Gründer von kiwiHR. Ich bin seit 2008 in der HR-Tech-Branche und habe früh erkannt, dass es einen klaren Bedarf für eine Lösung, die HR-Manager von zeitaufwändigen, manuellen Aufgaben befreien kann, gibt. So wurde 2017 kiwiHR ins Leben gerufen, um KMU mit einer intuitiven und einfach einzurichtenden HR-Kernlösung zu unterstützen. So können sich Unternehmen auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: ihre Mitarbeiter:innen. Seitdem ist das Unternehmen kontinuierlich gewachsen. Heute wird unser Produkt von Tausenden von Teams in ganz Europa genutzt!
Perry: Hallo, ich bin Perry Oostdam, der CEO der Tellent Group. Ich bin gleichzeitig der ehemalige CEO und Mitbegründer von Recruitee. Ich habe mich schon immer für das Unternehmertum im Allgemeinen begeistert. Vor Recruitee habe ich mit GeoRun bereits ein eigenes Unternehmen gegründet. Um andere Unternehmer:innen zu unterstützen, investiere ich derzeit in andere B2B-Software-Start-ups und Scale-ups.
HR TECH mit großem Wachstumspotenzial
SAATKORN: Wie schätzt Ihr den aktuellen Status der weltweiten HR TECH Szene ein?
Sacha: Die heutige HR-Tech-Szene ist ein fragmentierter Markt mit großem Wachstumspotenzial. Das bedeutet, dass die Auswahl der richtigen HR-Tools für jedes Unternehmen ein zeitintensiver Prozess ist, insbesondere für KMU, in denen die Mitarbeiter:innen in der Regel mehrere Aufgaben gleichzeitig haben. Sowohl die Pandemie als auch die zunehmende Beschleunigung der Investitionen in HR-Technologien haben die aktuelle Marktlage geprägt. Neben der Abkehr von Altsystemen suchen Unternehmen jetzt nach Tools, die ihre Mitarbeiter:innen in die Lage versetzen, ihre täglichen Personalaufgaben zu bewältigen. Für KMU hat dies häufig zu einer Verlagerung in Richtung Digitalisierung geführt. Die zunehmende Digitalisierung bedeutet, dass der Schwerpunkt auf Selbstbedienungstools gelegt wird, die keine komplexe Einarbeitung oder hohe Einrichtungsgebühren erfordern. Auch Personalentwicklung, Personalanpassung und Arbeitgebermarke haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.
Hohe Fragmentierung
Perry: Der globale Markt für HR-Technologien ist so stark fragmentiert, dass es schwierig sein kann, zu erkennen, welche Tools wo in die Landschaft passen. Das bedeutet, dass es für Unternehmen schwierig ist zu wissen, welche Tools für ihre Bedürfnisse geeignet sind. Was das Marktwachstum betrifft, so haben wir in letzter Zeit eine zunehmende Dynamik durch eine Vielzahl neuer Tools erlebt. Diese wird den Markt weiter diversifizieren, gleichzeitig aber auch ein großes Potenzial für die Zentralisierung des HR-Ökosystems sein.
3 Trends in der deutschen HR TECH Szene
SAATKORN: Und wie ist Eure Perspektive auf die deutsche HR TECH Szene?
Sacha: Deutschland hat eine florierende Software-Start-up- und Scale-up-Community. Ich beobachte vor allem drei Trends: einen verstärkten Wettbewerb im Kernmarkt für HR-Systeme, eine Verschiebung in Richtung Digitalisierung und einen wachsenden Fokus auf Work-Life-Balance. In den letzten Jahren ist vor allem der Markt für HR-Kernsysteme dynamischer und wettbewerbsintensiver geworden als je zuvor, was zum Teil auf den Zustrom von Finanzmitteln durch deutsche und internationale Investor:innen zurückzuführen ist. Auch die Digitalisierung ist ein wichtiger Trend, der währendCOVID begonnen hat und weiter an Dynamik gewinnt. Die Personalverantwortlichen in den Unternehmen mussten sich anpassen und proaktiver werden, wenn es um HR-Technologie ging. Wir sehen auch eine stärkere Unterstützung durch ihre Kolleg:innen im Managementteam. Schließlich beobachten wir in Deutschland auch, dass die Regierung sich mehr auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben der Mitarbeiter:innen konzentriert. Kürzlich wurde zum Beispiel ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs berücksichtigt, das die Unternehmen dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden zu erfassen.
Perry: Im Moment fühlt sich die deutsche HR-Tech-Szene an wie ein großer leerer Raum mit wenig Akzeptanz. Ich glaube hier liegt momentan der größte Wachstumsmarkt für Tellent.
TELLENT, das People Growth Collective
SAATKORN: Herzlichen Glückwunsch: Ihr habt ein wirklich europäisches HR Tech Unternehmen gebaut, Tellent. Aus welchen Unternehmen besteht Tellent und was bedeutet Euer Name?
Perry: Vielen Dank! Wir freuen uns sehr, dass die Welt Tellent, das People Growth Collective, kennenlernt. Wir sagen gerne, dass vier Unternehmen „ihr Talent geliehen“ haben, um die Tellent-Gruppe zu bilden: Recruitee, kiwiHR , Javelo und Sympa. Zusätzlich zu diesen vier Unternehmen verfügen wir über ein großes Netzwerk von über 300 Partnern. Der Name der Gruppe ‚Tellent‘ ist eine Anspielung auf das Wort ‚Talent‘; wir wollen anders sein, also haben wir dem Wort unsere eigene Note gegeben. Der Markt wird bald mehr von uns hören, denn wir setzen unser organisches und anorganisches Wachstum fort!
Bereits über 6.000 Kunden in 100 Ländern
SAATKORN: Wo reiht sich Tellent im europäischen HR TECH Markt ein? – Oftmals wird ja nur über Personio oder Coachhub gesprochen…
Perry: Es ist nie leicht, solche Dinge vorherzusagen. Davon abgesehen unterstützt Tellent bis heute über 6.000 Organisationen in 100 verschiedenen Ländern. Ich denke, das versetzt uns in eine gute Position, um die Zukunft der HR-Technologie in Europa mitzugestalten und unsere Kund:innen zu bedienen, wo auch immer sie sich auf der Welt befinden.
kiwiHR und Recruitee dabei
SAATKORN: Wie ist die Idee zu dem Zusammenschluss gekommen? Inwiefern profitieren Kunden von der geballten Kompetenz der bisherigen vier Einzelunternehmen?
Sacha: Wir haben viele Synergien in unseren Unternehmen gefunden – wir verfolgen alle einen ähnlichen Ansatz, wenn es um Produktentwicklung, Kund:innenerfolg, Team- und Unternehmenskultur geht. Wir haben auch festgestellt, dass sich unsere Organisationen in einigen Bereichen sehr gut ergänzen. Aber es gab eine Menge ungenutztes Potenzial in Bezug auf Zusammenarbeit und Geschäftswachstum in unseren Schlüsselmärkten. Da wurde uns klar, dass unsere Kund:innen sehr von einer Angleichung unserer Organisationen und einer engeren Zusammenarbeit profitieren würden.
Perry: Wir bevorzugen den Begriff ‚Kollektiv‘ anstelle von ‚Fusion‘, da wir die Unternehmen nicht zu einem einzigen zusammenführen, sondern vielmehr darauf hinweisen möchten, dass es sich um eine Gruppe von eng zusammenarbeitenden Unternehmen handelt. Wie bereits erwähnt, haben wir die Herausforderungen gesehen, denen sich unsere Kund:innen bei der Auswahl der richtigen HR-Tools für ihre Unternehmen gegenüberstehen. Die Schaffung eines zentralisierten HR-Tech-Ökosystems bedeutet, dass unsere Kund:innen davon profitieren, dass sie die Tools, die sie brauchen, leicht finden können, wenn sie sie brauchen. Unsere Kund:innen können nun auf das gebündelte Fachwissen von vier HR-Tech-Unternehmen zurückgreifen, deren Ziel es ist, während des gesamten HR-Lebenszyklus eine hervorragende Erfahrung zu bieten. Deshalb sind wir stolz darauf, sagen zu können, dass wir bei Tellent das erste HR-Kollektiv der Welt geschaffen haben!
Relevant für alle Kundengrößen
SAATKORN: Welche Kundengruppen sind Euer „sweet spot“?
Perry: Mit den Produkten von Tellent wollen wir eine Lösung für alle Herausforderungen und Organisationen bieten, ob klein oder groß – wir bedienen den Sektor der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ebenso wie den Bedarf von Unternehmen an End-to-End-Kernpersonallösungen.
SAATKORN: Und in welchen Regionen wird Tellent aktiv sein?
Perry: Tellent ist aktuell in über 100 Ländern weltweit aktiv.
HR TECH relativ krisenresistent
SAATKORN: Wie schätzt Ihr die Entwicklung der HR TECH Szene mittelfristig ein? Welche Bedeutung hat Eurer Meinung nach die aktuelle Weltwirtschaftslage mit den großen Herausforderungen Energiekrise, Demografie, Digitalisierung und drohender Rezession?
Perry: Wirtschaftlicher Abschwung, sinkende Bewertungen für Tech-Einzelunternehmen und die Angst vor einer Rezession betreffen vor allem HR-Teams. HR-Technologie ist eine der Notwendigkeiten, um mit den aktuellen und zukünftigen Veränderungen in Unternehmen umzugehen. Entlassungen, Einstellungsstopps und Ungewissheit beherrschen die sozialen Medien, sodass der Fokus verstärkt darauf liegt, bestehende Mitarbeiter:innen in Schlüsselpositionen zu halten und die Effizienz und Produktivität zu steigern – und damit mehr aus den Ressourcen zu machen, die Unternehmen bereits haben.
Hinzu kommt, dass der derzeitige Markt für HR-Technologien stark fragmentiert ist und eine wachsende Zahl nicht verknüpfter Softwarelösungen für die Personalabteilung umfasst. Alle paar Sekunden kommt ein neuer Softwareanbieter auf den Markt und in ein oder zwei Jahren wird es Tausende von Anbietern geben. Unterschiedliche Preismodelle, Onboarding-Systeme, Benutzererfahrungen und verstreute Daten machen es unmöglich zu erkennen, wie Mitarbeiter:innen und Teams wirklich arbeiten. Auch wenn sie alle für sich genommen hilfreich sind, führen sie doch zu einem Chaos, durch das sich Personalverantwortliche durcharbeiten müssen. Unternehmen stellen weniger Mitarbeiter:innen ein, müssen aber trotzdem schnell handeln und die Erwartungen der Aktionäre und VCs erfüllen. Das ist das Problem, das Tellent lösen soll.
SAATKORN: Perry und Sacha, herzlichen Dank für das Interview. Und viel Spaß und Erfolg mit Tellent!