Case: Talent Acquisition bei Infineon
Preiswürdige Talent Acquisition bei Infineon – das Team von Infineon wurde kürzlich mit dem HR Excellence Award ausgezeichnet. Ergo Grund genug, einmal bei Infineon nachzufragen. Ich hatte Gelegenheit, mit Nicole Goodfellow, Head of Talent Attraction bei Infineon und Mutter der HR Failure Night, zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Nicole, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Nach Stationen in Mannheim, London & Stockholm bin ich seit sechs Jahren in München zuhause und seither bei Infineon. Dort habe ich geholfen, den Bereich Talent Acquisition von „Grund auf“ aufzubauen und bin aktuell für ein 23-köpfiges Team und die Bereiche Recruiting global sowie Talent Marketing & Talent Management in Europa verantwortlich.
saatkorn.: Herzlichen Glückwunsch: soeben habt Ihr in der Kategorie „Employer Branding Strategie & Talent Akquisition“ den HR Excellence Award 2017 gewonnen! Was war die zentrale Herausforderung im Bereich Talent Acquisition bei Infineon?
Wir haben im Jahr 2014 die Rolle der „Talent Attraction Manager“ geschaffen, den Recruiting Prozess ingesourced und ein neues ATS eingeführt. Die TAMs, wie wir sie liebevoll nennen, waren von Anfang an sehr erfolgreich und ein sehr angesehenes Team innerhalb Infineons. Daher war das interessante: es gab schon sehr viel und wir waren bereits bei einigen Themen Vorreiter, wie zum Beispiel im Nutzen von LinkedIn als Active Sourcing und Kommunikationsmedium oder unseren inhouse Events „High-Tech After-Works“, wo wir im Schnitt 33% aller Teilnehmer im Nachgang einstellen. Nach 2,5 Jahren haben wir allerdings feststellen müssen: wir bekommen für einige Funktionen Probleme, wenn wir unseren Ansatz „alles für alle“ weiterfahren. Wenn wir also ohne Unterscheidung für jede offene Position versuchen, denselben Service zu bieten. Uns wurde zunehmend klar, wir müssen uns fokussieren. Die große Frage war dann: wie?!
saatkorn.: Wie seid Ihr im Bereich Talent Acquisition bei Infineon vorgegangen, um die Themen Talent Marketing und Recruiting zu „verheiraten“?
Unser großes Ziel war: weiterhin schwierige MINT-Stellen schnell besetzen zu können. Dazu müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich auf Kandidaten in strategisch wichtigen Funktionen (=Schlüsselfunktionen).
Als ersten Schritt haben wir in Zusammenarbeit mit unserer Strategie-Abteilung, unseren Business Partnern, den TAMs und Promerit eine Zielgruppenmatrix erarbeitet, die Infineons Funktionen nach Kandidatenverfügbarkeit, Auswirkung auf den Geschäftserfolg und Recruitingvolumen kategorisiert. Daraus entstanden unsere Schlüsselfunktionen: es gibt wenig Kandidaten am Markt, die Funktion selbst ist strategisch wichtig und wir haben pro Jahr viele Stellen zu besetzen.
Diese Zielgruppen-Segmentierung mussten wir im zweiten Schritt im Fachbereich verankern und haben dazu drei Produkte entwickelt:
- „Post & Select“ für Jobs, die einfach durch Ausschreibung zu besetzen sind,
- „Special & Confidential“ für einzelne, schwieriger zu besetzende Jobs. Dieses Produkt ist auch das Upgrade für „Post & Select“ Jobs, falls es einmal doch schwerer ist, einen passenden Kandidaten zu finden. Hier haben wir eine Liste an passenden Medien und fähigen Headhuntern. Und machen auch mal aus der Reihe einen Active Sourcing Lauf.
- „Network & Sell“ als DAS Produkt für die Schlüsselfunktionen. Jede Schlusselfunktion wird von einem TAM betreut und ist gleichzeitig der Fokus unserer Aktivitäten, also zum Beispiel pro-aktive Ansprache, kreatives Talent Marketing und den Netzwerk-Aufbau mit dem Ziel Kandidaten und Stellen zu matchen.
Im dritten Schritt galt es nun die Kandidaten-Zielgruppen hinter den Schlüsselfunktionen zu verstehen. Dafür hat jeder TAM für seine Funktion Interviews und Fokusgruppen mit Mitarbeitern geführt und die Ergebnisse im Fachbereich verifiziert. Daraus entstand eine Marketing Persona, also ein hypothetisches Kandidatenprofil, das drei Fragen beantwortet: wie tickt die Zielgruppe, wo finden wir sie und wie überzeugen wir sie von Infineon und dem Job.
Auf Basis der Persona-Ergebnisse, haben wir ein Toolset an Maßnahmen entwickelt: Active Sourcing Quellen, SEM-Kampagnen, Programmatic Advertising, spannende Events etc. Der Hub aller Maßnahmen ist eine dezidierte Website für jede Schlüsselfunktion mit Testimonials aus den Fokusgruppen und Interviews, konkreten Einblicke in den Job, Überblick über unsere Standorte, wo diese Funktion vorkommt – und natürlich konkret offene und 100% passende Jobs samt Initiativbewerbung. Kandidaten können von dort aus auch direkt Kontakt zum zuständigen TAM aufnahmen. Als Beispiel gibt es hier unsere Website für die Software Ingenieure.
Und zu guter Letzt haben wir das Ziel ausgerufen: wir wollen keinen Schlüsselfunktionskandidaten verlieren, nur weil es mal zeitlich nicht passt. Es z.B. keinen passenden Job gibt oder der Kandidat aktuell nicht wechseln will. Dazu haben wir analog zu Sales-Organisationen ein CRM Tool implementiert. Für jede Schlüsselfunktion gibt es eine Pipeline, die der zuständige TAM betreut und mit denen er persönlich Kontakt hat, z.B. durch Anrufe, auf inhouse Events, durch Emails und persönliche Treffen. Es geht also Qualität vor Quantität und das Ziel ist: den Kandidaten eine passende Stelle anbieten, sobald die Zeit reif ist.
saatkorn.: Was waren dabei die größten Herausforderungen?
Wir haben das Projekt begonnen, als wir nach langer Zeit im Recruiting-Hoch für eine kurze Zeit weniger offene Stellen hatten. Das hielt aber nur einige Monate, bevor das Volumen stärker als zuvor durch die Decke ging. Dann waren wir aber schon mittendrin und haben das Flugzeug mehr oder weniger beim Fliegen ausgetauscht. Damit gingen wir teilweise schon an unsere Grenzen. Daher freut es uns nun umso mehr, dass das Konzept erfolgreich ist.
saatkorn.: Und was hat das Ganze – außer dem HR Excellence Award 😉 – für Infineon gebracht? Gibt es harte KPIs rund um die Talent Acquisition bei Infineon?
Ja, was hat‘s gebracht?
- 40% mehr unique visitors auf der Website
- 30% mehr Bewerbungen
- 3 Tage schnellere time-to-hire
Und wirklich harte, monetäre Fakten: wir haben die Headhunterkosten auf ein Minimum reduziert. Von 1.600 besetzten Stellen im letzten Geschäftsjahr haben wir genau 9 (!) mit Headhuntern besetzt, also ein halbes Prozent. Hätten wir noch dieselbe Ratio wie vor der Einführung der TAM Funktion, hätten wir externe Headhunter-Kosten in Millionenhöhe generiert. Dadurch erhalten wir intern sehr viel positives Feedback von den Fachbereichen und unserem HR Top Management. Und der HR Excellence Award ist natürlich jetzt das Sahnehäubchen. J
saatkorn.: Was sind die nächsten Herausforderungen im Talent Acquisition für Infineon?
Als nächstes werden wir die Strategie global ausrollen: in Europa sind wir schon live, nun geht es nach Asien und in die USA. Hier müssen wir insbesondere bei den Schlüsselfunktionen nachschärfen, da diese sich sicherlich pro Region unterscheiden. Und wir freuen uns schon drauf! 😉
saatkorn.: Nicole, herzlichen Dank für das Gespräch rund um Talent Acquisition bei Infineon.