Die Relevanz von ARBEITGEBERBEWERTUNGEN ist Thema einer interessanten aktuellen Studie. Ich hatte Gelegenheit, mit den Studien-Initiator:innen zu sprechen. Aus den Ergebnissen lassen sich zahlreiche Praxis-Empfehlungen ableiten und definitiv gehören Arbeitgeberbewertungen zu den wichtigsten Personalmarketing-Instrumenten. Aber lest selbst:
SAATKORN: Bitte stellen Sie sich den SAATKORN Leser:innen doch kurz vor.
Katharina Pernkopf: Wir sind ein interuniversitäres Forschungsteam, das schon seit einigen Jahren im Bereich HRM und Karriereforschung zusammenarbeitet. Seit 2015 beschäftigen wir uns mit der Bedeutung von Arbeitgeberbewertungen im Bewerbungsprozess. Nach mehrjähriger Durchführung eines Experiments mit potentiellen Bewerber:innen und der Untersuchung von deren Reaktionen auf Karriereseiten des Unternehmens und Arbeitgeberbewertungen freut es uns, nun über erste Ergebnisse aus unserer Folgestudie zu berichten.
> 1.600 Befragte Personen
SAATKORN: Sie haben gerade eine spannende Studie zur Relevanz von Arbeitgeberbewertungsportalen durchgeführt. Was war das Setting der Studie, wer wurde wann dazu befragt?
Markus Latzke: Wie bereits erwähnt, ist es unsere zweite Studie zur Relevanz von Arbeitgeberbewertungsportalen.
In der ersten Studie hatten wir den Fokus darauf, wie Informationen im Internet die Attraktivität eine:r Arbeitgeber:in verändern: Einerseits jene Informationen, die Unternehmen selbst in der Hand haben, wie z.B. Angaben zum Arbeitsplatz auf der eigenen Website, und andrerseits Informationen, die von aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter:innen auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie z.B. kununu veröffentlicht wurden. In einem Experiment fanden wir heraus, dass jene Jobsuchende, die nur Informationen von der Unternehmenswebsite entnommen hatten, das Unternehmen als Arbeitgeber anschließend attraktiver einschätzten. Setzten sie sich hingegen nur mit Informationen aus Arbeitgeberbewertungen oder beiden Informationsquellen auseinander, sank die Attraktivität.
Dieses Ergebnis veranlasste uns zu einer weiteren Studie, in deren Rahmen wir vor allem auf Arbeitgeberbewertungsportale fokussierten und mehr als 1200 Personen befragten, die diese zumindest gelegentlich besuchen. Der Online Fragebogen wurde im Oktober 2021 ausgesendet und von 1647 Personen ausgefüllt, wobei 1212 von diesen ein Arbeitgeberbewertungsportal bereits genutzt hatten. Unsere Fragen zielten auf Beweggründe für die Nutzung solcher Portale, die Reaktionen nach positiven und negativen Reviews, relevante Aspekte über Arbeitgeber:innen, Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremddarstellung und auf Reaktionen von Unternehmen im Gefolge von Reviews ab. Nun liegen erste Teilergebnisse vor.
Relevanz für kununu & Co aus Bewerber:innen-Sicht definitiv gegeben
SAATKORN: Wie sieht die Relevanz von Arbeitgeberbewertungen aus Bewerber:innen-Perspektive nun aus?
Wolfgang Mayrhofer: Definitiv. Befragt nach der Häufigkeit der Nutzung von Informationsquellen zeigen unsere Ergebnisse, dass vor allem Unternehmenswebsites und Arbeitgeberbewertungsportale genutzt werden, noch vor Social Media, Medienberichten oder dem Austausch in der Familie und mit Bekannten. Geht es um die Glaubwürdigkeit, rangiert das Arbeitgeberbewertungsportal gleich nach dem Austausch in der Familie oder mit Bekannten und deutlich vor Informationen von Arbeitgeber:innen in Stellenanzeigen oder auf deren Karriereseite. Die Befragung verdeutlicht außerdem, dass Einträge auf derartigen Portalen in unterschiedlichen Phasen im Bewerbungsprozess genutzt werden: zur generellen Information über potentielle Arbeitgeber:innen, vor dem ersten Vorstellungsgespräch und auch nachdem ein Jobangebot vorliegt.
SAATKORN: Wie äußert sich das?
Wolfgang Mayrhofer: Nehmen wir beispielsweise die Reaktionen nach dem Lesen von negativen Reviews. Hier erkennen wir folgendes Muster: Die meisten Jobsuchenden steigen danach noch tiefer in die Recherche ein und versuchen weitere Informationen zu finden. Außerdem geben sie an, negative Bewertungen zum Thema im Vorstellungsgespräch zu machen – und das zeigt sich eher bei Männern und Personen mit weniger als 8 Jahre Berufserfahrung.
Der kununu-Wert sollte auf keinen Fall 2,6 unterschreiten
SAATKORN: Gibt es eine „Sternegrenze“, die beispielsweise bei kununu nicht unterschritten werden darf?
Markus Latzke: Die Befragten gaben an, dass sie einen Wert ab 4,1 als positiv ansehen – was bei einer Skala von maximal 5 Sternen ein hoher Anspruch ist. Außerdem zeigt sich, dass der Wert nicht unter 2,6 fallen sollte, da er sonst als negativ angesehen wird. Die Sterne scheinen also einen ersten wichtigen Eindruck zu vermitteln, wobei tiefergehende Informationen zu Arbeitgeber:innen aus den Einträgen herausgefiltert werden.
SAATKORN: Was sind aus Bewerber:innensicht die wichtigsten Themen in einem Arbeitgeberprofil?
Katharina Pernkopf: Generell lässt sich aus unseren Daten ableiten, dass Informationen von Arbeitgeberbewertungsportalen im Vergleich zu den Karriereseiten von Unternehmen tendenziell als glaubwürdiger erachtet werden, in Hinblick auf Vorgesetztenverhalten, Kolleg:innenzusammenhalt, Arbeitsatmosphäre und Work-Life-Balance sogar signifikant. Nur bei Angaben zum Arbeitsort und zu Benefits haben die Karriereseiten der Unternehmen die Nase vorn. Wir schließen daraus, dass – gerade wenn es um die Organisationskultur geht – Jobsuchende Reviews von aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter:innen besonders schätzen.
Authentizität für Relevanz von Arbeitgeberbewertungen zentral
SAATKORN: Wie wichtig ist hier Authentizität für die Relevanz von Arbeitgeberbewertungen?
Markus Latzke: Sehr wichtig, wenn wir an das Vermeiden von Diskrepanzen zwischen Angaben des Unternehmens und Informationen aus Arbeitgeberbewertungen denken. Die von Arbeitgeber:innen kommunizierten Werte sollten der tatsächlichen Organisationskultur entsprechen. Werden Diskrepanzen entdeckt, macht fast die Hälfte der Bewerber:innen diese auch zum Thema in einem Vorstellungsgespräch. Etwas mehr als ein Viertel entscheidet sich auf dieser Basis sogar, sich bei diesem Unternehmen nicht zu bewerben. Und für rund 26% gilt das nicht nur jetzt – sie schließen auch in Zukunft eine Bewerbung bei diesem Unternehmen aus.
SAATKORN: Setzen sich Bewerber:innen detailliert mit den Einträgen auf Arbeitgeberbewertungsportalen auseinander?
Katharina Pernkopf: In unserer ersten Studie sind wir dieser Frage nachgegangen und konnten feststellen, dass Diskussionen unter potentiellen Bewerber:innen über Arbeitgeberbewertungen in verschiedene Richtungen gehen und auf Basis unterschiedlicher Wertvorstellungen geführt werden. Dabei bezogen sich die Studienteil-nehmer:innen auf konkrete „Signale“ in den Einträgen. Ausgehend von einer industriellen Wertvorstellung kommt es auf präzise Informationen an, die Aufschluss darüber geben, welche Arbeitsanforderungen im jeweiligen Unternehmen vorzufinden sind. Aus einer staatsbürgerlichen Sicht sind Informationen von unabhängiger Stelle wie z.B. kununu besonders relevant. Ein wertbezogenes Signal sind freier Zugang zu Informationen, die Fairness und Chancengleichheit mit sich bringen. Informationen aus erster Hand, die persönliche Gewinne bzw. Vorteile sichtbar und kalkulierbar machen, entsprechen einer Markt-Logik. Ein wertbezogenes Signal aus der häuslichen Welt sind persönliche Informationen, die lokale Verhältnisse und ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln. Sie sehen, Bewerber:innen setzen sich auf Basis von sehr unterschiedlichen Wertvorstellungen mit Informationen aus Arbeitgeberbewertungen auseinander.
Prävention ist aus Arbeitgeber-Sicht zentral
SAATKORN: Wie wichtig finden Bewerber:innen Stellungnahmen von Unternehmen, worauf ist dabei besonders zu achten?
Katharina Pernkopf: Generell hat sich die Forschung bisher nur vereinzelt mit Stellungnahmen von Unternehmen zu Arbeitgeberbewertungen beschäftigt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie fokussiert auf Antworten von Unternehmen auf negative Reviews und wie diese von potentiellen Bewerber:innen wahrgenommen werden. Sie zeigt folgendes: gibt es in den Reviews einen Konsensus darüber, dass ein Arbeitgeber bzw. eine Arbeitgeberin als gut oder schlecht erachtet wird, hat das Unternehmen keine große Chance mehr, das Ruder rumzureißen. Es gibt auch schon Studienergebnisse, die zeigen, dass sich Bewertungen als Arbeitgeber:in auf die wirtschaftliche Performance des Unternehmens niederschlagen. Wir empfehlen daher Unternehmen, sich bereits frühzeitig und profund mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Markus Latzke: Was wir aus unserer aktuellen Studie berichten können: 60% interessieren sich für Reaktionen von Unternehmen und lassen sich davon auch in ihrer Bewerbungsentscheidung beeinflussen. Insbesondere sollten Arbeitgeber:innen sich mit der geäußerten Kritik auseinandersetzen und auf diese antworten. Es wird hingegen eher negativ gesehen, wenn Unternehmen gar nicht oder – bei schlechter Bewertung – mit einer Klage reagieren.
Am gut gepflegten Arbeitgeber:innenprofil kommt man nicht vorbei
SAATKORN: Welche Empfehlungen geben Sie Arbeitgebern und insbesondere HR-Abteilungen mit auf den Weg?
Wolfgang Mayrhofer: Der eigene Auftritt als Arbeitgeber:in auf der Unternehmenswebsite & Co sollte gut gepflegt sein. Unternehmen sollten authentisch auftreten – vor allem jene Kernwerte kommunizieren, die tatsächlich in der eigenen Organisationskultur verankert sind und nicht nur ein „Idealbild“ widerspiegeln. Das ist wichtig, weil Jobsuchende Diskrepanzen erkennen und negativ bewerten. Signalisiert ein Unternehmen beispielsweise, ein besonders familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein und die meisten Reviews auf Arbeitgeberbewertungsportalen verweisen darauf, dass Nacht- und Wochenendschichten eher die Regel als die Ausnahme darstellen, ist das ein Problem für das Unternehmen. Potentielle Bewerber:innen bemerken diese Diskrepanzen und brechen teilweise den Bewerbungsprozess sogar ab. Daher ist es wesentlich für HR-Abteilungen regelmäßig zu überprüfen, welche Einträge sie auf Arbeitgeberbewertungsportalen erhalten und darauf adäquat zu antworten.
SAATKORN: Ganz herzlichen Dank für diese wissenschaftlichen Einblicke in die Relevanz von Arbeitgeberbewertungen!
Zu den Personen:
- Dr.in Katharina Pernkopf forscht und lehrt im Bereich Organisation und HR Management an der Universität Innsbruck und WU Wien.
- Priv. Doz. Dr. Markus Latzke ist Studiengangsleiter Betriebswirtschaft für das Gesundheitswesen an der IMC FH Krems.
- o.Univ.Prof. Dr. Wolfgang Mayrhofer leitet das interdisziplinäre Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management an der WU Wien.