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Studie: Arbeitsbedingungen in der Medienbranche

Studie: Arbeitsbedingungen in der Medienbranche

Als Mitarbeiter eines Medienkonzerns ist die heute veröffentliche Studie „Arbeitsbedingungen in der Medienbranche“ gleich doppelt interessant. Aber auch für Personalmarketeers anderer Branchen ist die Studie bestimmt von Interesse – wird beispielsweise der Einsatz von Freelancern in anderen Branchen auch immer normaler.

Neue Studie zu Arbeitsbedingungen in der Medienbranche.

Ich hatte Gelegenheit, mit einem der Initiatoren der Studie, Gunnar Stenzel, Managing Director von Skjlls, ein Interview zu führen. Auf geht’s: 

saatkorn.: Herr Stenzel, bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.

Gunnar Stenzel von skjlls

Mein Name ist Gunnar Stenzel. Ich bin Gründer und Managing Partner bei Skjlls.com, dem ersten anonymen und kostenlosen Gehaltsvergleich der rein auf Fähigkeiten anstatt auf Berufsbezeichnungen basiert.

Meine ersten Karriereschritte habe ich während des Dotcom-Booms bei Spiegel Online begangen. Durch Zufall und über einen persönlichen Kontakt bin ich ein paar Jahre später in eine der größten deutschen Digital-Agenturen gewechselt. Nach ein paar weiteren Jahren, Beförderungen und letztlich zu vielen Stunden in Flugzeugen und Hotelzimmern habe ich gekündigt und arbeite seitdem als freiberuflicher ‚Digital Information Architect‘. Zuletzt war ich in dieser Funktion für ein halbes Jahr in Beijing und Shanghai tätig. Seitdem ich letztes Jahr Skjlls mit meinen Partnern gegründet habe, schaffe ich es aber nicht mehr weiter weg als am Wochenende an die Nord- oder Ostsee zu fahren.
saatkorn.: Gerade haben Sie eine aktuelle Studie heraus gebracht „Lust oder Frust in der Medienbranche“. Was war das Setting der Studie?
Die aktuell vorliegende Studie ist eigentlich ein Nebenprodukt unseres eigenen Informationsbedarfs. Bei die Entwicklung eines Gehaltsvergleich für Skjlls haben wir uns zunächst auf Arbeitnehmer aus der Medienbranche beschränkt. Um diese Zielgruppe besser zu verstehen und auszuschließen, dass unsere Informationen nur auf subjektiver Eigenerfahrung beruhen, haben wir nach Informationen zu den ‚Pain Points‘ unserer Zielgruppe in Bezug auf Job, Gehalt und Karriere gesucht. Da wir nichts zufrieden stellendes finden konnten, haben wir uns entschlossen einfach selbst eine Studie durchzuführen.
Demographie Studienteilnehmer I
Demographie der Studienteilnehmer II.
Eine Aufbereitung in dieser ausführlichen Form war aber ehrlich gesagt nicht geplant. Nachdem wir aber ein paar Zwischenergebnisse auf Facebook veröffentlicht hatten, dort damit ein paar Diskussionen ausgelöst hatten und sogar Anrufe bekamen, haben wir uns entschlossen die Zeit zu investieren um die Ergebnisse aufzubereiten und dadurch jedem in aller Ausführlichkeit zugänglich zu machen.
saatkorn.: Die Medienbranche war ja mal für viele Berufsanfänger extrem verlockend. Heute trifft man oft auf das (Vor-)urteil „Viel Arbeit, wenig Brot“. Auf Basis Ihrer Studie zutreffend? – Gerade in der Medienbranche wird ja extrem mit Freelancern gearbeitet…
Ja und nein. Schaut man sich die Einstiegsgehälter an, dann bietet die Medienbranche zumindest relativ ‚hartes Brot‘. Auch die Anzahl der Überstunden, deren Ausgleich, die gebotenen Benefits und Bewertung der Weiterbildungs-Möglichkeiten zeichnen wirklich kein positives Bild. Dazu kommen eine mittelmäßig bis starke Stressbelastung und nur gering eingeschätzte Karriere-Chancen.
Trotzdem empfinden die Studienteilnehmer ihre Situation im Schnitt aber nicht als negativ oder frustrierend. Das lockere Umfeld, nette Kollegen und attraktive Aufgaben scheinen ein maßgeblicher Faktor dabei zu sein. Selbst die Berufseinsteiger empfinden ihr mageres Gehalt in Ordnung. Außerdem steigen in der Medienbranche die Gehälter über die Jahre überproportional an.
saatkorn.: Was sind aus Ihrer Sicht die interessantesten Erkenntnisse Ihrer Studie?
Wirklich erschreckend ist der Wert der ‚inneren Kündigung‘ unter weiblichen Berufseinsteigern. In den ersten zwei Jahren im Job scheinen 19% der weiblichen Angestellten darüber nachzudenken, das Handtuch zu werfen. Unter Männern sind es hingegen nur 5%. Dieser Wert und der große Unterschied ist uns vollkommen unerklärlich. Da sich der Wert unter weiblichen Angestellten in den nächsten 3 Jahren aber fortsetzt und sogar noch auf 23% steigt bevor er dann in den folgenden Jahren stark abfällt, schließen wir nicht auf einen Fehler in der Auswertung.
Frauen sind tendenziell unzufriedener mit ihrem Job.
Als sehr interessant haben wir empfunden, dass 75% der Festangestellten überhaupt keinen Ausgleich für Überstunden erhält, während 75% der Freelancer es anscheinend schafft einen teilweisen oder sogar vollständigen Ausgleich für geleistete Überstunden zu bekommen.
Auch die hohe Bereitschaft bei einem besseren Jobangebot den Arbeitgeber zu wechseln war etwas überraschend. Dass die Fluktuation in der Medienbranche sehr hoch ist, war uns bekannt. Dass aber nur einer von 10 Angestellten ein besseres Angebot rundweg ablehnen würde, spricht Bände.
Sehr amüsant fanden wir, dass gerade Digital-Agenturen offenbar am wenigsten bereit sind, ihren Arbeitnehmern ein Smartphone zu spendieren. Und das, obwohl sie häufig mit oder für diese Technologie arbeiten und es auch noch der günstigste Benefit ist, den man einem Arbeitnehmer bieten kann.
saatkorn.: Wie sehen die Ergebnisse in Bezug auf Männer und Frauen aus, gibt es hier gravierende Unterschiede?
Durchaus. Frauen sind über alle Jobbereiche etwas unzufriedener mit ihrer Situation, geben aber leicht geringere Stressbelastungen an. Darüber hinaus fiel auf, dass weibliche Arbeitnehmer im Schnitt etwas weniger arbeiten als ihre männlichen Kollegen. Dieser Trend setzt sich bei steigender Berufserfahrung zunehmend fort. Während Männer im Schnitt immer mehr arbeiten, sinkt bei Frauen die Wochenstundenzahl. Vielleicht liegt dies aber auch  daran, dass Frauen auch in der Medienbranche seltener in Management-Positionen anzutreffen sind. Eine weitere Vermutung ist, dass Frauen aufgrund des geringeren Einkommens aus ökonomischen Gründen im Rahmen einer Elternschaft häufiger längere Zeit aus dem Beruf ausscheiden als Männer.
Wirklich erschreckend war es, die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern aus erster Hand zu sehen. Da in der Medienbranche die Gehälter stark leistungsbezogen sind, hätten wir erwartet dass die Gehaltslücke gering ausfällt. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Frauen in der Medienbranche verdienen im Schnitt 31% weniger als Männer. Interessant dabei ist gleichermaßen, dass Frauen trotz dieses durchschnittlich viel geringeren Gehalts offenbar nicht entsprechend unzufriedener mit ihrem Gehalt sind.
Erfreulich und auch überraschend war es hingegen zu sehen, dass es die Gehaltslücke unter Frontend-Programmierern nicht zu geben scheint. Männer und Frauen liegen in diesem Berufszweig beim Gehalt fast gleichauf.
saatkorn.: Und wo gibt es deutliche Unterschiede zwischen Festangestellten und Freelancern?
Freelancer sind erkennbar zufriedener mit ihrer Situation als Festangestellte. Allerdings fällt ihre Zufriedenheit über 15 Jahre im Job, bis sie den Wert der Festangestellten erreicht. Vielleicht wird es ab einer gewissen Altersgrenze für Freelancer schwerer, attraktive Aufträge zu erhalten. Aber auch bei der Attraktivität der Aufgaben ist ganz klar eine höhere Grundzufriedenheit feststellbar. Gleichzeitig machen Freelancer weniger Überstunden, die, wenn sie welche ableisten, zu einem Großteil vergütet werden.
Freelancer sind tendenziell zufriedener im Job als Festangestellte.
saatkorn.: Welche Ergebnisse der Studie haben Sie persönlich überrascht?
Da ich selbst Freelancer wäre, würde ich nicht gerade an Skjlls arbeiten, war ich überrascht davon dass die Zufriedenheit mit der Entlohnung unter den freiberuflichen Studienteilnehmern mit steigendem Alter stark abfällt.
Außerdem zeigt die Studie, dass ich in einer Tätigkeit als Freelancer meinen Tagessatz um 10% erhöhen sollte. Das hat mir allerdings auch schon der Gehaltsvergleich von Skjlls verraten, den ich natürlich selbst nicht nur ein Mal gemacht habe und der noch weitaus genauer ist als die Studie.
saatkorn.: Welche Handlungsempfehlungen würden Sie Arbeitgebern aus der Medienbranche mit auf den Weg geben, wenn diese dauerhaft zufriedenes und motiviertes Personal haben möchten?
Die Studie zeigt, dass das Gehalt kein sonderlich ausschlaggebender Faktor zu sein scheint, sondern weiche Faktoren eine größere Rolle spielen.
Höhere Gehälter sind natürlich immer ein gutes Mittel um die Zufriedenheit kurzzeitig anzuheben, mittelfristig aber keine Lösung für eine langfristige Bindung. Wenn der nächste mehr bietet, ist der Arbeitnehmer weg.
Unternehmen sollten daher eher in das Arbeitsumfeld investieren. Damit meine ich jedoch nicht den Kickertisch nebst Kühlschrank mit Freibier, sondern eine Investitionen in Freiräume wie z.B. Gleitzeit, Homeoffice, mehr Eigen- und Selbstverwaltung sowie Förderung und Unterstützung von Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung der Arbeitnehmer. Selbst kleine Zugeständnisse mit geringem Kostenaufwand können meiner Meinung nach viel bewirken. Letztlich gilt es kreativ darin zu sein, den neuen Arbeitsformen, Möglichkeiten, Erwartungen und Lebenskonzepten der Arbeitnehmer, insbesondere der Jüngeren, etwas entgegen zu setzen. Und in der Medienbranche sollte es an Kreativität ja eigentlich nicht mangeln.
saatkorn.: Zu guter Letzt: was glauben Sie, wie sich die Bedeutung von Personalmarketing in der Medienbranche kurz-, mittel- und langfristig entwickeln wird?
Ich bin überzeugt davon, das Personalmarketing künftig eine viel weitreichendere und ganzheitlichere Rolle einnehmen wird. Wäre ich nicht der Meinung, würde ich nicht Zeit, Geld und Energie in den Aufbau einer Fähigskeits-basierten Karriereplattform stecken.
Schaut man sich die kippende Alterspyramide an, paart sie mit dem Schreckgespenst des Fachkräftemangels und der etwas fragwürdigen Einwanderungspolitik, dann wird einem schnell klar dass die Zukunft auf dem Arbeitsmarkt spannend wird. Das Hauen und Stechen im ‚War for Talent‘ hat ja schon vor langem begonnen. Es tut nur noch nicht genug weh. In ein paar Jahren wird vielen Unternehmen klar werden, dass sie ein aktives Personalmarketing bis dato nur als Buzzword angewandt haben. Mit Ausnahme der Personalabteilung. Die weiß es schon heute.
Mitarbeiter halten zu können und neue, passende Kandidaten aktiv auffinden zu können, wird eine tragende Rolle spielen. In einem Markt, in dem schon heute um unerfahrene Studienabgänger gebuhlt wird und qualifizierte Arbeitnehmer ständig ungefragt unpassende Jobangebote erhalten, ist ein Personalmarketing das auf dem Schalten von Anzeigen nach dem ‚Post-and-Pray‘-Prinzip basiert, ein Auslaufmodell.
saatkorn.: Herr Stenzel, vielen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg mit skjlls!
Die Studie kann man HIER downloaden. Have fun!

 

 

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