Stoppt den Tool-Wahnsinn, People First! – Ein Gastartikel von Volker Frey.
Wenn Sie einen Handwerker fragen, mit welchem Werkzeug er einen Nagel in die Wand schlägt, dann wird er Ihnen wohl den Hammer nennen.
Im Zeitalter der digitalen Transformation ist die Frage nach dem „Werkzeug“ aber oft nicht mehr so einfach zu beantworten. Das wird sowohl im Social Media- als auch im Recruiting-Umfeld sichtbar:
Wozu benötigen wir z.B. auf unseren Visitenkarten fünf unterschiedliche Plattformen zur simplen Kontaktaufnahme, wenn diese alle dasselbe Ziel verfolgen und man am Ende auf keinem der Kanäle persönlich antwortet? Wozu sechs schlecht gepflegte Social Media Profile, wenn drei aktuelle, die man regelmäßig checkt und updatet, den Zweck auch erfüllen?
Ich habe Firmen gesehen, die so viele „Tools“ im Einsatz hatten, dass sich die Manager mehr mit der Frage beschäftigen mussten, in welcher Inbox die Nachricht jetzt angekommen ist, als sich mit ihren Kunden, Bewerbern und Mitarbeitern zu befassen. Wir implementieren immer mehr Tools, bauen Tools, die Tools monitoren und verlieren dadurch zum Teil den Blick auf das Wesentliche. Das ist alles andere als die Simplifikation, von der so viele Menschen träumen. Wir bekämpfen die Komplexität zu oft mit Kompliziertheit anstatt mit gesundem Menschenverstand.
Wir reden alle von Wachstum, Innovation und Transformation aber was ist mit Nachhaltigkeit, Anwendbarkeit und Nützlichkeit? Die altbekannten Recruiting Probleme sind trotz des digitalen Wandels und der humanoiden Recruiting Roboter Petzi & Pelle die gleichen geblieben:
- Unrealistische Einschätzung der Marktsituation
- Fehlende Kommunikation mit Bewerbern
- Völlig absurde Jobtitel, die nicht zur Aufgabe passen
- Candidate Journey zu komplex
- Einfache Fehler in der Bewerberansprache
- Katalogisierung von Lebensläufen in toten TRM-Systemen
- Recruiting Rookies anstatt Recruiting Experten
Die Besetzungsdauer offener Vakanzen steigt aktuell zudem leicht an. Der „Tool-Hype“ scheint demzufolge nicht die ultimative Lösung zu sein.
Schauen wir uns ein exemplarisches Beispiel aus der Internetwelt an:
Es gibt immer mehr „Future Work Coaches“, die allen möglichen Berufsgruppen pauschal vorwerfen, zu wenig zu twittern und damit Marketing- und Kommunikationspotenzial zu verspielen: „Wo ist denn Ihr digitaler Footprint, Herr Müller?“ Puh, der erhobene digitale Zeigefinger! Ist das die neue Form der digitalen Freiheit? „Sie müssen twittern, sonst gehen Sie unter!“
Wir sollten hier etwas differenzierter und individueller drauf schauen und diese pauschalen Ratschläge auch einmal kritisch hinterfragen.
Es gibt so viele Beispiele von sehr erfolgreichen Managern, Künstlern, Ärzten, Handwerkern und Forschern, die ganz bewusst noch nie einen tweet abgesetzt haben, aber dennoch über sehr aussagekräftigen Off – und Online-Content, ein persönliches Netzwerk, treue Kunden, nachhaltige Produkte und sogar über echte „Fans“ verfügen.
Aus meiner Sicht übersteigt die Anzahl der Tools langsam deren Nützlichkeit und am Ende sind wir zwar überall dabei aber nicht wirklich mitten drin. Der Informationspeak ist längst überschritten und vieles wiederholt sich und wirkt durch die zunehmende Social Media Automatisierung noch unechter.
Ein persönliches Gespräch oder eine menschliche Geste hat in der digitalisierten Welt mit Sicherheit eine höhere Lebensdauer als die Millionen von Emojis oder ein Katzenfoto, welches sich nach fünf Sekunden von selbst auflöst.
Trotz der innovativen Tools (einige sind spitze und erleichtern den Alltag!), Apps und Bots steht immer noch der Mensch im Mittelpunkt und trifft die (Aus)-wahl und am Ende auch die Entscheidung.
Defragmentieren Sie Ihren Tool-Zoo! Weniger ist eine echte Option!
People First!
„Volker Frey ist seit über 15 Jahren im HR Marketing und IT (Führungskräfte)-Recruiting aktiv. Davon acht Jahre bei der SAP Deutschland und die restlichen Tage auf Beraterseite in Berlin und Frankfurt am Main. Seit 2010 ist Volker bei der HRM CONSULTING GmbH tätig.“