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Sinus Milieus und Ihr Nutzen für die Mitarbeitergewinnung

sinus milieus der 14 bis 17 jährigen in Deutschland

Sinus Milieus und Ihr Nutzen für die Mitarbeitergewinnung

Vor Kurzem hatte ich auf dem Recruiting Convent die Gelegenheit, Peter Martin Thomas über das Thema „Sinus-Milieus“ referieren zu hören. Für mich eines der Highlights des diesjährigen Convents. Klar, dass ich rund um die Sinus-Milieus diverse Fragen hatte, die Peter Martin Thomas und seine Kollegin Silke Borgstedt im Folgenden ausführlich beantworten.

Peter Martin Thomas ist seit über 20 Jahren in der Jugendhilfe tätig. Von 2001 bis 2007 hat er das Bischöfliche Jugendamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart geleitet. Seit 2008 ist er freiberuflich tätig als Supervisor und Coach (DGSF) sowie Organisationsberater, Referent und Moderator. Seit 2012 leitet er die Sinus-Akademie. Er ist Co-Autor der Sinus-Jugendstudie 2012. Peter Martin Thomas ist ein gefragter Redner und Berater im deutschsprachigen Raum, Professional Member in der German Speakers Association sowie Mitglied in der Fachgruppe Systemische Beratung in Politik und Planung der Deutschen Gesellschaft für systemische Therapie. Beratung und Familientherapie (DGSF). Peter Martin Thomas hat Lehraufträge an mehreren Hochschulen. Wenn er nicht gerade beruflich oder privat auf Reisen ist, hat er seinen Lebensmittelpunkt in Stuttgart.

Dr. Silke Borgstedt ist am Sinus-Institut Direktorin für die Sozialforschung. Nach ihrem Studium der Musikwissenschaft, Psychologie und Erziehungswissenschaften und ihrer Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin war sie von 2005 bis 2009 als Research Manager bei GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung im Bereich der internationalen Konsumforschung mit den Schwerpunkten FMCG, Entertainment Industries und Zielgruppen-segmentierung tätig sowie als Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten. Ihre Arbeits- und Themenschwerpunkte sind: Familiensoziologie, Jugend, Trendforschung, Alltagsästhetik, Bildung sowie Kultur- und Medienindustrie. Seit 2001 ist Silke Borgstedt gefragte Referentin im In- und Ausland und Interviewpartnerin für Rundfunk- und Fernsehsendungen.

Also: spannende Interviewpartner in einem hoffentlich für Euch spannenden Interview. Auf geht’s:

saatkorn.: Bitte beschreiben Sie den saatkorn. LeserInnen doch, was Sie bei der Sinus-Akademie machen.
Thomas: Die Sinus-Akademie® ist Teil der Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH (kurz: Sinus-Institut). Die Sinus-Akademie bietet seit Jahresbeginn 2012 zu den Sozial- und Marktforschungsthemen des Sinus-Instituts ein umfassendes Angebot an Vorträgen und Präsentationen, Workshops, Weiterbildungen an. Damit unterstützen wir Kundinnen und Kunden aus dem Profit- und Non-Profit-Bereich, noch erfolgreicher und zielorientierter mit den Forschungsergebnissen zu arbeiten.

Borgstedt: Am Sinus-Institut wird seit über 30 Jahren erforscht, was die Menschen bewegt und wie man sie bewegen kann. D.h. sozialwissenschaftliche Studien und anschließende Beratungsprozesse gehen bei uns Hand in Hand. Basis ist das Verstehen der Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Handeln; wertvoll wird dieses Wissen aber erst, wenn es in den Unternehmen und Institutionen in konkrete Zielgruppen-Angebote übersetzt wird und ihnen hilft, strategische Entscheidungen zu erleichtern bzw. falsche Entscheidungen zu vermeiden. Gerade die Sinus-Milieus sind dabei als Instrument in unserer Arbeit sehr wichtig, weil sie Erkenntnisse aus allen relevanten Lebens- und Themenbereichen bündeln und die Menschen als Ganzes betrachten, nicht nur als Autokäufer, Fernsehzuschauer oder Kirchgänger.

saatkorn.: Und was sind die sogenannten Sinus-Milieus?
Borgstedt: Die Sinus-Milieus® sind sicher das bekannteste Produkt des Sinus-Instituts. Es gibt Milieumodelle von Sinus für 18 Nationen. Sinus-Milieus sind ein Modell, das Menschen nach ihren Wertorientierungen und Lebensstilen gruppiert. Die demografischen Eigenschaften wie Bildung, Beruf oder Einkommen werden mit ihren Lebensauffassungen und ihrer Alltagswelt verbunden. Dadurch werden die Menschen in ihrem relevanten Bezugssystem wahrgenommen und beschrieben. Sie haben es hier sozusagen mit Gruppen Gleichgesinnter zu tun; mit Menschen, die gemeinsame Interessen teilen, sich z.B. an gleichen Orten aufhalten oder eine ähnliche Sicht auf die Welt teilen. Die Sinus-Milieus für Deutschland 2012 sehen folgendermaßen aus:

Grafik: Die Sinus Milieus 2012

Noch mehr Hintergründe und Fakten zu den Sinus-Milieus finden sie hier

Thomas: 2012 hat das Sinus-Institut ergänzend zu dem allgemeinen Milieu-Modell seine zweite Jugendstudie veröffentlicht. So können wir auch detaillierte Aussagen zu den 14-17-jährigen in Deutschland machen. Hier sprechen wir allerdings noch nicht von Milieus, sondern von Lebenswelten, weil Jugendliche in diesem Alter viele Übergänge auf dem Weg zum Erwachsenen noch nicht durchlaufen haben, z. B. den Einstieg in das Erwerbsleben. Die Lebenswelten der 14-17-jährigen in Deutschland 2012 sehen so aus:

Grafik: Sinus Jugendstudie 2012

Zu den sieben verschiedenen Lebenswelten gibt es eine kleine Präsentation, die Sie hier abrufen können.

saatkorn.: Wie kann ich basierend auf den Erkenntnissen aus den SINUS-Milieus als Unternehmen damit arbeiten?
Borgstedt: Möchte man Menschen für ein Thema oder ein Produkt sensibilisieren und interessieren, ist es wichtig, „sie dort abzuholen, wo sie gerade sind“ und ihre „Sprache zu sprechen“. Sinus-Milieus helfen, den Blick für die verschiedenen Perspektiven und Tonalitäten zu schärfen, denn sie zeigen, welche  unterschiedlichen Zugangsweisen es zu einem Thema gibt. Dies ist Basis für die Produktentwicklung, aber insbesondere auch für die Kommunikation. Wir können durch unsere Forschung sehr genau erklären, warum bestimmte Angebote nicht funktionieren oder vielleicht ganz andere Menschen ansprechen als geplant und helfen unseren Auftraggebern dabei, die Kommunikation inhaltlich, sprachlich und ästhetisch  auf die avisierte Zielgruppe auszurichten – und natürlich prüfen wir dies auch anhand qualitativer und quantitativer Studien.

saatkorn.: Kommen wir auf das Thema Mitarbeitergewinnung zu sprechen. Was sollte ich als Unternehmen von der Generation Y wissen? Oder anders gefragt: gibt es „DIE“ Generation Y überhaupt, muss man nicht spezifischer vorgehen bei der Ansprache jüngerer Zielgruppen?
Thomas: Die „Generation Y“ ist genauso ein Schlagwort wie zuvor die „Generation Praktikum“ oder die „Generation Golf“, zu der ich selber gehören würde. Solche Sammelbegriffe bringen aktuelle gesellschaftliche Trends gut auf den Punkt, sind aber nicht ausreichend differenziert für eine solch komplexe Herausforderung wie die Mitarbeitergewinnung. Mit der „Generation Y“ ist beispielsweise eine selbstbewusste, hoch qualifizierte, medien-affine und entsprechend extrem anspruchsvolle Gruppe von Nachwuchskräften gemeint. Diese Gruppe gibt es tatsächlich. Wenn wir jedoch dann genauer hinschauen gibt es hinsichtlich des Verhaltens in der Berufsorientierung, dem gewünschten lokalen Umfeld des Arbeitsplatzes, der Mobilität der Art und Bezahlung der Tätigkeit, der Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutliche Unterschiede.

Borgstedt: Ob ich mich z.B. für einen bestimmten Beruf interessiere, hängt von vielen Dingen ab, deren Wichtigkeit auch milieuspezifisch ist: Ist mir das Image eines Berufes oder einer Branche wichtig? Will ich schnell viel Geld verdienen? Will ich eigene Ideen umsetzen? Will ich vor allem einen sicheren Arbeitsplatz? Nur wenn ich die Motivationen kenne, kann ich meine Angebote auch daran ausrichten. Gerade im Bereich der Berufsorientierung stellen wir fest, dass schon allein die Bezeichnung eines Berufs unterschiedlichste Assoziationen auslösen kann. Das Verständnis von Begriffen und Inhalten ist immer abhängig von der Interpretation des Empfängers, selbst wenn wir glauben, dass doch jeder eigentlich das gleiche unter einem Verwaltungsfachangestellten verstehen müsste.

saatkorn.: Was sind zentrale Erkenntnisse aus der vor kurzem veröffentlichten Jugendstudie?
Thomas: Die Sinus-Jugendstudie „Wie ticken Jugendliche? 2012“ ist als Buch mit über 350 Seiten erschienen. Da fällt es nicht ganz leicht, die zentralen Erkenntnisse in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Wie wir schon vorher gezeigt haben, gibt es nicht „die Jugend“ sondern wir haben es mit einer sehr heterogenen Gruppe zu tun.

Jugendliche stehen heute stark unter Druck. Sie nehmen wahr, dass der Wert eines Menschen stark an seiner Leistungsfähigkeit bzw. der Bildungsbiographie gemessen wird. Sie haben den Eindruck, dass sie keine Zeit vertrödeln dürfen, frühzeitig den richtigen Weg einschlagen und zugleich flexibel sein müssen. Die klassischen Sozialisationsagenturen wie Familie und Schule können oft nicht mehr das passende Rüstzeug für die Bewältigung dieser Aufgabe mit auf den Weg geben. Dennoch blicken die Jugendlichen – mit Ausnahme der sozial stark benachteiligten Jugendlichen – optimistisch in die Zukunft.

Eine Folge der Unberechenbarkeiten in der Gegenwart ist das „Regrounding“. Jugendliche orientieren sich wieder an Werten Sicherheit, Pflichtbewusstsein und Familie. Deswegen ticken die meisten Jugendlichen aber nicht traditionell, sondern sie kombinieren diese Werte mit einem individualistischen Leistungsethos und hedonistischen ich-bezogenen Entfaltungswerten.

Auch wenn die Jugendlichen insgesamt die gleichen Herausforderungen wahrnehmen, entwickeln sie je nach sozialer Lage und Werteorientierung unterschiedliche Lösungsstrategien und Zukunftsperspektiven. Wie diese genauer aussehen, haben wir in den sieben Lebenswelten, die wir bereits erwähnt hatten, dargestellt. Dabei gehen wir insbesondere auch auf die Themen Schule und Lernen, berufliche Orientierung, politisches und gesellschaftliches Interesse sowie Medien ein. So bekommen wir ein sehr lebendiges und alltagsnahes Bild verschiedener Gruppen von Jugendlichen.

Wenn Sie noch mehr nachlesen wollen, empfehle ich einen Blick in den Pressebereich der Webseite der Sinus-Akademie, die Lektüre des Buches oder natürlich einen Vortrag der Sinus-Akademie.

saatkorn.: Wenn mich ältere Zielgruppen interessieren, welche Erkenntnisse kann ich hier durch SINUS-Milieus erhalten?
Borgstedt: Unsere Studien zu den Lebenswelten der über 50-Jährigen zeigen, dass Menschen beim Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze nicht plötzlich das Milieu wechseln. War vor einigen Jahrzehnten das Älterwerden noch mit dem Abschied von “jugendkulturellem Habitus” verbunden, so wissen wir doch längst, dass die Stones-Platten nicht ab dem 65. Geburtstag plötzlich durch volkstümliche Musik ausgetauscht werden.

Dennoch hat man in der Öffentlichkeit häufig den Eindruck, jenseits der 50 ginge es nur ums Älterwerden verbunden mit einer Vielzahl von Defiziten, sei es in Bezug auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit oder Attraktivität. Wir sehen aber, dass es jenseits der 50 in den Milieus sehr unterschiedliche Lebenskonzeptionen und damit auch Motivationen und Anforderungen gibt – sowohl hinsichtlich der Freizeitgestaltung und –planung wie auch am Arbeitsplatz. Es gibt im Übrigen auch 70-jährige Hedonisten.

Thomas: Vor kurzem war ich bei einer größeren Bank zu einer Veranstaltung zum Thema Zielgruppen-Management eingeladen. Dort habe ich zum Thema Jugend referiert. Auf derselben Veranstaltung ging es aber auch um die  Zielgruppe 50+. Offensichtlich sind gerade die beiden Gruppen, die eher am Anfang und am Ende der Berufsbiographie stehen, von Interesse. Die Jungen, weil sie ein „knappes Gut“ werden und die Alten, weil man auf ihre Erfahrung und ihre Leistung nicht verzichten kann. Es würde mich sehr reizen, diese beiden Themen im Rahmen eines Workshops oder eines Beratungsprozesses zusammen anzupacken. Ich bin mir sicher, da steckt ein großes Potential für Personalmarketing und Recruiting drin. Wir haben junge Menschen, die gerne von dem Wissen echter Expertinnen und Experten profitieren. Und wir haben eine ältere Generation, in der viele Menschen große Freude daran haben, ihr Können und Wissen weiterzugeben.

saatkorn.: Frau Borgstedt, Herr Thomas, vielen Dank für das spannende Interview und Ihnen weiterhin viel Erfolg mit der Sinus Akademie!

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