Digitalisierung vs Human first – unter diesem Motto stehen die Recruiting Trends 2019. Alljährlich analysiert Prof. Dr. Tim Weitzel von Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) an der Universität Bamberg zusammen mit Monster die aktuellsten Trends rund um das Themengebiet Recruiting. Auch die diesjährige Studie ist wieder sehr spannend und aufschlußreich. Ich hatte Gelegenheit, mit Tim Weitzel zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn: Lieber Tim, Du hast gerade in Frankfurt vor über 300 Personalexperten mit Monster wieder einmal Eure neueste Unternehmens- und Kandidatenstudie vorgestellt. Die Recruiting Trends 2019 standen unter dem Motto „Digitalisierung vs. Human first“. Was kommt denn zuerst?
Erfolgreiche Digitalisierung beginnt natürlich immer beim Menschen. Warum reden wir denn überhaupt über Digitalisierung? Weil Menschen Bedarfe haben: Die Kandidatinnen und Kandidaten möchten schneller Feedbacks bekommen und fair behandelt werden. Jeder Dritte Kandidat glaubt, hierbei helfen KI und Automatisierung. Und die Recruiter wollen von Routinearbeiten entlastet werden, um wieder das machen zu können, warum sie eigentlich Recruiter geworden sind. 91% befürworten deswegen Digitalisierung in HR. Die Ergebnisse passen übrigens insgesamt sehr gut zum Schwerpunkt KI: Mensch oder Maschine bei Deinem #RC19 Festival im Mai.
saatkorn: Was wollen die Kandidaten denn genau, wenn sie von Digitalisierung sprechen?
Die meisten Kandidaten hätten gerne gut funktionierende ChatBots für schnelle Antworten auf einfache Fragen und Job-Recommender, die ihnen passende Jobs vorschlagen. Das wird alles aber noch sehr zurückhaltend angeboten. Die größte Zunahmen gab es im letzten Jahr beim Einsatz von digitalen Vorauswahl-Systemen, die nun immerhin 10% der deutschen Top-1.000 Unternehmen anbieten. Aus Sicht von bis zu 77% der Recruiter wird die Vorauswahl damit schneller und einfacher. Ich fand es interessant, dass trotz der ebenso notwendigen wie teils scharfen Diskussion im vergangenen Jahr zur Frage, ob Automatisierung die Vorauswahl diskriminierungsärmer machen kann, 61% der Recruiter du 35% der Kandidaten ein solches RoboRecruiting für fairer halten – und dass das in beiden Fällen etwas höhere Werte als im Vorjahr sind.
saatkorn: Wie wird sich denn die Rekrutierung durch KI und Digitalisierung sonst verändern?
- Die Jobs ändern sich. Die Recruiter schätzen, dass die Hälfte der Jobprofile sich ändern wird und teils wichtige Profile noch völlig unbekannt sind.
- Die Arbeit ändert sich. Recruiter und Kandidaten erwarten zum Beispiel mehr Zusammenarbeit mit intelligenten Maschinen, was Weiterbildung erfordert.
- Vor allem ändern sich die Skills, die ein Recruiter braucht. Du hattest mit uns schon einmal für die Recruiting Trends 2011 erarbeitet, welche neuen Anforderungen u.a. durch Social Media auf den „Recruiter 2.0“ zukamen. Für 2024 werden analog dazu vor allem Fähigkeiten im Kontext Employer-Branding-Kampagnen, Apps und Gadgets sowie datenbasiertes Recruiting viel wichtiger. Active Sourcing bleibt sehr wichtig. Interessanterweise gehen die meisten Recruiter davon aus, dass Vorauswahl, KI, Kommunikationsfähigkeit und Gestaltung von Stellenanzeigen deutlich weniger wichtiger sein werden.
saatkorn: Wie sieht denn die Stellenanzeige der Zukunft aus?
In 5 Jahren wird nach Einschätzung der deutschen Recruiter Maschinenlesbarkeit die wichtigste Eigenschaft einer Stellenanzeige sein, gefolgt vom Inhalt. Im Vergleich zu heute werden vor allem das Vorlesen von Stellenanzeigen durch Sprachassistenten sowie interaktive und dynamische Elemente an Bedeutung gewinnen.
saatkorn: Und warum wird die Beherrschung von KI in 5 Jahren weniger wichtig?
Die Erwartung – und Hoffnung – ist wahrscheinlich, dass mögliche KI-Anwendungen dann versteckt in einem System oder beim Dienstleister einfach laufen.
saatkorn: Und wer hat am meisten Angst, durch intelligente Maschinen im Beruf ersetzt zu werden?
Aktuell fürchten 13% der Mitarbeiter wegen zunehmender Automatisierung um ihren Job. Darunter sind etliche Geringerqualifizierte, aber interessanterweise vor allem sehr viele junge Menschen und Schüler. In 20 Jahren den Job an Maschinen zu verlieren befürchten dann schon doppelt so viele, und auch hier wieder vor allem die Generation Z.
saatkorn: Was sagen denn IT-Experten dazu? Sind die am sorglosesten?
Kurzfristig haben IT-ler in der Tat viel weniger Angst um ihren Job als der Durchschnitt, in 20 Jahren aber dafür um so mehr.
saatkorn: Das Leitmotto beim #RC19 Festival ist ja dieses Jahr „Me, Myself & I“, da sich alles um Individualisierung durch die Digitalisierung der ganzen Candidate Experience dreht. Seht Ihr diesen Trend auch?
Auf jeden Fall. In der letztjährigen Studie haben wir in Benchmarks gezeigt, dass individualisierte Ansprachen im Active Sourcing doppelt so viele Einstellungen generieren und dass Employer-Branding-Champions ihre Zielgruppen viel genauer und individueller kennen und adressieren.
saatkorn: Habt Ihr auch Einsichten, was bei den Unternehmen nicht so gut läuft?
Ja, auf die Freitext-Frage „Was waren Ihre größten Fehler in den letzten Jahren?“ kristallisierten sich ganz klar drei Antwortcluster heraus, die echte Dauerbrenner sind:
Platz 1: Fehlende Recruiting-Strategie und zu kurzsichtiges Recruiting,
Platz 2: Zu wenig Maßnahmen zur Stärkung des Employer Brand, und
Platz 3: Ungenügender Einsatz von IT
saatkorn.: Tim, ganz herzlichen Dank für das Interview zu den Recruiting Trends 2019 unter dem Motto Digitalisierung vs Human first
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Die Studienergebnisse der „Recruiting Trends 2019“ gibt es unter https://arbeitgeber.monster.de/recruiting/studien.aspx