Die Ergebnisse des diesjährigen Potentialpark Rankings wurden vor ein paar Wochen bei OTTO in Hamburg vorgestellt. Ich finde die Arbeit von Potentialpark super (und berichte seit Jahren immer darüber) und hatte auf der Veranstaltung nicht nur viel Spaß 😉 sondern fand das Ganze inhaltlich wie immer auch sehr interessant. Jetzt hatte ich Gelegenheit, dazu nochmal mit Julian Ziesing, Partner bei Potentialpark, zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Lieber Julian, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Danke Gero – ich bin beim Marktforschungs-Institut Potentialpark Partner und Experte für Talent Communication. Wir gehen in unseren Studien dem “unbekannten Wesen” der Kandidaten auf den Grund und untersuchen, wie sie auf Jobsuche gehen, sich informieren, bewerben, entscheiden, was sie frustriert und wie sich ihr Verhalten verändert, besonders online. Vor kurzem haben wir unsere jährliche internationale Potentialpark-Studie durchgeführt. Für Deutschland haben wir dafür in einer Befragung über 2700 Antworten von Studenten und Absolventen eingeholt und die Karriere-Auftritte von 141 Arbeitgebern daran gemessen. Die Ergebnisse stellen wir zur Zeit vor.
saatkorn.: Anfang März habt Ihr bei OTTO in Hamburg die diesjährige deutsche Potentialpark Konferenz durchgeführt. Wie hast Du den Tag empfunden, wie war das Feedback?
Ja, war cool. Anders. Otto hatte uns in eine ganze Etage mit Start-Up-Flair eingeladen, in direkter Nachbarschaft zu ihren Werkshallen. Statt Büro- und Konferenzmöbeln hatten wir Sofas, Europaletten und viel freie Fläche. Der Saal war am Ende voll, doch die Leute waren entspannt und saßen mal hier und mal da, haben sich frei bewegt und ausgetauscht. Und so soll es ja sein. Danke hier nochmal an das ganze Otto-Team, das uns so toll unterstützt hat!
Eine Sache haben wir gelernt über die letzten Jahre: Sieger auszuzeichnen ist wichtig, weil die Bestätigung durch die Bewerber viel Rückenwind gibt, aber die meiste Zeit an so einem Tag möchte man mit Wissen und Austausch verbringen. Da musst du jetzt die Teilnehmer fragen. Ich bin natürlich fest davon überzeugt, dass es bei den vielen Vorträgen nur so gesprüht hat vor Inspiration. Aber ich bin ja parteiisch… Wir halten aber erst mal daran fest, dass wir keine Gala organisieren, sondern eine Konferenz, aus der man Wissen und Erfahrungen mitnehmen kann.
Wir animieren dabei Sprecher immer, auch Fehler und Probleme zu teilen, weil man daraus noch mehr lernen kann. Auch den Mut sehen wir mehr. Es scheint, dass Personal-Marketing-Teams nicht nur ein großes Herz für ihre Themen brauchen, sondern manchmal auch ein paar gute Boxhandschuhe.
saatkorn.: Kommen wir zum diesjährigen Potentialpark Ranking. Wer waren insgesamt die besten Arbeitgeberkommunikatoren und was machen die besser als andere?
Fresenius hat sich dieses Jahr als das “Bayern München” der Talent Communication bezeichnet, weil sie “schon wieder Meister” geworden sind, vor der Deutschen Telekom und thyssenkrupp.
Anders als beim Fußball kann man den Budgets aber nicht die Schuld geben. Zwischen zwei Unternehmen mit ähnlichen Mitteln liegen in unseren Ranking oft weite Abstände. Das liegt einfach daran, dass manche Teams aus weniger mehr machen. Bei den Siegern in diesem Jahr fällt vor allem auf: Sie finden immer wieder Wege, etwas Neues auszuprobieren, ohne das Erreichte zu verlieren, und sie haben Spaß dabei. Wirklich mehr Mittel als vor drei oder vier Jahren haben sie meist nicht. Die Teams verändern sich auch hier, aber das Wissen geht dabei nicht verloren.
Zu den gelungenen Errungenschaften gehören etwa Karrierewebseiten, die verschiedenen Usern zu ihnen passende Inhalte und Jobs zeigen und damit Content und Angebote relevanter machen. Oder ein Bewerbungs-Prozess, der von Anfang an vom Kandidaten her gedacht ist, in jedem Schritt transparent, schnell. Und mit Stellenanzeigen, die erklären, was den Job attraktiv macht und was Bewerber wissen müssen, um sich richtig zu entscheiden. Bis hin zur Stellensuchen, die auch auf dem Handy funktionierten, inklusiver einer Möglichkeit, mindestens den ersten Schritt der Bewerbung mobil durchzuführen.
saatkorn.: Und was ist mit der Spezialdisziplin Social Media? Wer liegt dort vorn? Was haben die Sieger besonders gut gemacht?
Gewonnen hat bei Social Media die Deutsche Telekom vor EY und Fresenius. Sie haben nicht das goldene Rezept oder den geheimen Kanal gefunden, den sonst niemand kennt. Sondern sie haben über die Jahre ihren Content-Mix auf den richtigen Kanälen optimiert. Sie wollen nicht nur informieren, sondern begeistern und überraschen. Sie lassen sich etwas einfallen. Und sie sind breit aufgestellt mit sozialen und professionellen Kanälen. Jeder Kanal funktioniert etwas anders, und jeder Kanal eigent sich auf andere Weise dazu, das Netz auszuwerfen, besonders unter denjenigen Zielgruppen, die einen noch nicht auf dem Radar haben, und die Conversion zu den Jobs und zur Karrierewebseite zu erhöhen.
Zu einem erfolgreichen Social-Media-Footprint gehört ständig neuer Content – Bilder, Texte, Videos, Stories, aber auch Karriere-Möglichkeiten und Jobs im Mix. Und da man nicht wie Hollywood mit Millionen um sich werfen kann, verteilen einige Unternehmen die Arbeit auf mehr als ein paar Schultern und binden bestenfalls das ganze Team und Mitarbeiter aus den Fachabteilungen ein, um frisch zu bleiben und Einblicke aus erster Hand zu bieten.
saatkorn.: Gibt es in Eurem Ranking überraschende Entwicklungen gegenüber den Vorjahren?
Ja, es ist etwas bei Mobile passiert: Erstmals macht es die Hälfte der untersuchten Unternehmen möglich, dass man sich mit dem Handy bewirbt. Richtig gut funktioniert das noch nicht immer. Jetzt müssen Kinderkrankheiten noch geheilt werden und sich die Prozesse dahinter auch an die mobile Nutzung anpassen, und das ist eine Frage der richtigen Erwartungen an die Bewerber.
Es ist zum Beispiel fraglich, ob das mit dem Lebenslauf und dem Anschreiben auf lange Sicht noch eine Standard-Anforderung bleibt, oder ob LinkedIn, Xing oder neue Blockchain-Lösungen sie nicht ablösen. Außerdem kann man von einer umworbenen Fach- oder Führungskraft nicht dasselbe erwarten wie von einem Praktikanten. Dennoch sind die meisten Bewerbungsformulare noch “one size fits all”. Da wirkt es auf dem Smartphone besonders dramatisch, wenn man einen Systemadministrator mit zehn Jahren Erfahrung nach dem Führerschein und dem Abizeugnis fragt.
Ob Karrierewebseite oder Social Media – der Content und die Jobs müssen Smartphone-tauglich sein, sonst entgeht einem ein Löwenanteil des Traffics, und damit auch gute Bewerber.
Noch eine Überraschung aus unseren neuen Daten – der starke Anstieg beim Thema Instagram. In Deutschland nutzen bereits 60% der Studenten und Absolvente Instagram (+13). Und 31% der Unternehmen (+8) haben einen Karriereauftritt. Teilweise auch für Stories, die sich Instagram erfolgreich von Snapchat abgeguckt hat. Nur zum Vergleich: in den USA bieten 75% der Arbeitgeber eine mobile Bewerbung an, und 57% sind auf Instagram. Deutschland ist wie immer, sagen wir mal, eher piano unterwegs, auch wenn es sich anfühlt wie eine rasante Entwicklung.
saatkorn.: Gibt es etwas, was Dich persönlich besonders gefreut oder überrascht hat?
Über die Hälfte der befragten Studenten und Absolventen unseres Surveys sagen, dass sie den Karrierewebseiten der Unternehmen starkes Vertrauen entgegen bringen. Anders als im Konsumenten-Marketing will man ja als Arbeitgeber nicht nur möglichst viele Bewerber, sondern die richtigen. Daher sind die Karrierewebseiten nach wie vor die wohl wichtigste Anlaufstelle für Kandidaten, weil sie dort am ehesten Antworten auf ihre Fragen finden.
Gleichzeitig ist die Bekanntheit und Nutzung von Glassdor (international) und kununu (in Deutschland) gestiegen, und hier findet Interaktion statt, die wir auf Facebook oder Twitter immer weniger sehen. Verständlich, dass Arbeitgeber die Review-Platformen für sich als Chance entdecken. Unternehmen bekommen direktes Feedback und können ebenso direkt reagieren und damit ihre Außenwirkung beeinflussen.
saatkorn.: Was sind die aus Deiner Sicht wichtigsten Trends im Personalmarketing? – Bislang hat sich ja Virtual Reality nicht wirklich durchgesetzt…was ist mit Artificial Intelligence und wie sieht es auf anderen internationalen Märkten aus?
Alle reden von AI, und alle sammeln Daten für bessere Analytics. Doch schwieriger ist es, die Daten auszuwerten und einzusetzen, um menschliche Entscheidungen gleichwertig zu automatisieren. Aus meiner Sicht geht es im Moment nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern zu unterstützen.
Im Kommen sehe ich etwa die Personalisierung von Content: Wie kann ich IT-gestützt einem User im richtigen Moment die passende Information geben, damit er oder sie sich bewirbt? Daran arbeiten einige Arbeitgeber.
Außerdem wird Voice Control sicherlich die Art und Weise ändern, wie wir im Internet surfen, suchen und kommunizieren. In den USA nutzen bereits 42% der Studenten und Absolventen Sprachsteuerung im Alltag, in Deutschland immerhin 17%.
Wichtig bleiben bei alle dem zwei absolute Basics: Candidate first – also bei allen wichtigen Entscheidungen, Relaunches, Kanälen, Prozessen, Touch Points zuallererst die Frage zu stellen: Was funktioniert für Kandidaten? Und guter Content. Greifbare Einblicke ins Unternehmen stehen bei Kandidaten ganz oben auf der Wunschliste. Sucht das Unternehmen jemanden wie mich, wo genau passe ich rein, und warum ist es da attraktiv zu arbeiten? Das ist für eine Ingenieurin ein anderer Blick als für einen Marketing-Praktikanten oder für Mechatronik-Azubis. Die Personalisierung von Content nach Zielgruppen wird wichtiger. Es gibt nicht zu viel Content gibt, nur schlechten Content oder schlecht sortierten.
Kreativität und Neugier für neue technische Möglichkeiten und wie man sie für Kandidaten einsetzen kann bleiben Kernkompetenzen von guten Personalmarketing-Teams.
saatkorn.: Lieber Julian, ganz herzlichen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg mit Potentialpark!