Online-Assessments – Status Quo 2018
Online-Assessments erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Das Thema ist zwar im Kern nicht neu, in den letzten Jahren hat sich aber doch eine ganze Menge entwickelt – insbesondere auch für Mittelständler. Grund genug, einmal bei Jo Diercks von Cyquest nachzufragen. Er ist in meinen Augen DER Experte auf dem Gebiet der Online-Assessments. Ergo: Feuer frei für Jo:
saatkorn.: Moin Jo, wie ich hörte ist CYQUEST ja vor kurzem volljährig geworden. Seit mehr als 18 Jahren entwickelt Ihr innovative Online-Assessment- und Matching-Lösungen. Täuscht der Eindruck oder hat das Thema Eignungsdiagnostik in den letzten Jahren mehr Bedeutung erlangt?
Hi Gero! Nein, der Eindruck ist vollkommen korrekt. Das PERSONALMAGAZIN hat quasi die komplette aktuelle Ausgabe diesem Thema gewidmet. Ich sehe zwei Gründe: Erstens hat sich die Erkenntnis inzwischen viel stärker durchgesetzt, dass die Eignungsdiagnostik wertvolle Hilfe leisten kann, bei der Frage welche Bewerber geeigneter oder passender sind als andere. Der zweite Grund ist ganz sicher das Zauberwort Digitalisierung.
saatkorn.: Inwiefern?
In den allermeisten Unternehmen ist man seit ein paar Jahren sehr bestrebt, die Prozesse zu digitalisieren. HR natürlich auch. Und bei der Frage, welche Prozesse HR denn digitalisieren kann, kommt man unweigerlich sehr schnell zum Recruitingprozess. Und statt einen Test auf Papier durchzuführen, greifen die Unternehmen auf webbasierte Assessments zurück.
saatkorn.: Heißt das, Online-Assessments sind im Grunde genau das gleiche wie Pen&Paper-Tests nur mit dem Unterschied, dass man diese online über das Internet bearbeitet?
Ja und nein. Natürlich haben Online-Tests ein paar Besonderheiten gegenüber Papiertests, z.B. kann man über solche Verfahren wunderbar simulativ-testen, was auf Papier eigentlich nicht sinnvoll möglich ist. Und natürlich sind Online-Tests erheblich ökonomischer, schneller, weniger fehleranfällig, komfortabler usw. als Papiertests. Aber im Kern wird über Online-Assessments gegenwärtig häufig nicht viel anderes gemessen als es das über klassische Wege auch früher schon wurde, nämlich Aspekte der kognitiven Leistungsfähigkeit (gemeinhin „Intelligenz“), Wissensaspekte und Persönlichkeitsmerkmale.
Aber Online-Assessment macht für viele Unternehmen die Tür auf zum wahrlich datengetriebenen Recruiting und zum Thema People Analytics. Erstens liegen durch Online-Tests qualitativ sehr spannende Daten automatisch in digitaler Form vor. Zweitens kann man über Online-Assessments erheblich größere Bewerberzahlen testen als das über Tests vor Ort, noch dazu auf Papier ginge. Dies begründet sich hauptsächlich darin, dass keine aufwendigen Terminabstimmungen für die Testungen vonnöten sind und zusätzlich im Anschluss an die Testing nicht jeder einzelne Antwortbogen händisch ausgewertet werden muss. Und drittens kann man wie gesagt über simulative Testverfahren auch noch ein bisschen mehr testen als mit herkömmlichen Testinstrumenten. Das alles bedeutet, dass man sehr schnell aussagekräftige Daten in großer Menge produziert und so viel bessere Antworten auf die Frage bekommt: Worin unterscheiden sich gute von nicht so guten Bewerbern? Denkt man das noch eine Schleife weiter, heißt das auch Antworten auf die Frage: Was unterscheidet eigentlich unsere guten Mitarbeiter von den nicht so guten?
Online-Assessments bauen also einerseits auf mehr als 100 Jahren psychologischem Wissen auf. Das ist mir wichtig, denn es geht um beweisbare und begründbare Zusammenhänge, um „Kausalitäten“. So grenzt es sich qualitativ doch deutlich von dem einen oder anderen Hokus-Pokus ab, der einem momentan unter den Überschriften „Big Data“, „KI“ oder „Neuro“ aufgetischt wird und wo bestenfalls nach „Korrelation“ gesucht wird. Online-Assessment öffnet aber andererseits auch die Tür zu (Big) Data Diagnostik, Data-driven Recruiting und Predictive- bzw. People Analytics. Ich glaube beides ist wichtig und erklärt den aktuellen Boom bei der Nachfrage…
saatkorn.: „Tests sind langweilig und trocken“, so das zumindest früher gültige Vorurteil. Ihr kombiniert ja mit Euren Online-Assessments auf sehr schöne Weise aussagekräftige Diagnostik mit informativen Elementen, Personalmarketing und Information. Ich denke da z.B. an den „Online Allianz Campus“, den die Allianz für die Vorauswahl von Azubis und Dual-Studierenden einsetzt oder die Online-Assessments von Covestro oder Airbus. Ist das nur Zeitgeist, Stichworte Fachkräftemangel und War for Talent, oder bringt das wirklich etwas?
Online-Assessments erfreuen sich insgesamt einer sehr hohen Akzeptanz. Das haben inzwischen etliche Studien bestätigt. Das liegt unter anderem an den Komfortmerkmalen für den Bewerber (bequem von zuhause, freie Zeitwahl, kein Reiseaufwand etc.). Und dieser Effekt wird noch einmal deutlich verstärkt, wenn das Online-Assessment „nicht nur nimmt, sondern auch etwas zurückgibt“… D.h. wenn es nicht nur eine Aneinanderreihung von Testmodulen ist, sondern dem Bewerber auch vermittelt, mit wem er es eigentlich zu tun hat, wer der Arbeitgeber ist, was diesen ausmacht, wie es da aussieht usw. Auch das ist inzwischen mehrfach wissenschaftlich belegt (siehe z.B. Konradt/Warszta/Ellwart, 2013). Dass Bewerber mittlerweile nach einem Test berichten, dass sie dabei „Spaß“ hatten, diese Aussage hätte man früher für abwegig gehalten, ist aber inzwischen so.
Insofern helfen Online-Assessments nicht nur bei der Auswahl, sondern auch im Arbeitgebermarketing.
saatkorn.: Aber das ist natürlich mit Aufwand verbunden. Und Aufwand kostet meist Geld. Sind Online-Assessments also nur etwas für „die Großen“?
Über viele Jahre kam die Nachfrage in der Tat größtenteils von großen Unternehmen, also solchen die ein Online-Assessment auch deshalb einsetzen, um einem großen Bewerbungsaufkommen – etwa bei der Azubi- oder Traineeauswahl – zu begegnen. Das hat sich aber in den letzten zwei, drei Jahren deutlich verändert. Die Nachfrage von den Großen ist immer noch da, aber der Markt hat sich ausgeweitet auf mittelständische und sogar kleinere Unternehmen. Wir bekommen mittlerweile reichlich Nachfrage von Unternehmen, die sagen „wir haben im Jahr nur hundert oder zweihundert Bewerbungen, lohnt Online-Assessment sich da eigentlich?“
saatkorn.: Und was antwortet Ihr?
Ja, na klar lohnt es, weil die Auswahl schlicht besser wird. Wir haben genau dafür eine Lösung geschaffen.
saatkorn.: Die wäre?
Das Tool heißt „QualiMatcher“ . Es handelt sich dabei um einen „Out-of-the-Box“ Test für Azubis, Trainees, Praktikanten, Dualis oder Young Professionals. Dieser umfasst sechs (kognitive) Leistungstests und es sind verschiedene berufsgruppenspezifische Normen hinterlegt (kaufmännisch, technisch, IT). Optisch kann die Oberfläche auf das jeweilige Unternehmen angepasst werden, z.B. durch die Integration des Firmenlogos und eines Hintergrundbilds, durch individuelle Begrüßungs- und Verabschiedungstexte, Impressum etc.
Verwaltet werden die Tests über eine sehr einfach zu bedienende Testverwaltung, den sog. „Testmanager“. Das Setup dauert gerade mal einen Tag und dann kann man loslegen. Die Kosten für das Setup des QualiMatchers liegen bei einmalig 1500 €. Für die fortlaufende Nutzung kann man dann Testpakete erwerben, je nach gewünschter oder voraussichtlicher Zahl an Tests. Ein häufig nachgefragtes Paket von 100 Tests kostet dabei z.B. 1800 €. Und wenn die nicht ausreichen, dann kauft man eben nach Bedarf nochmal ein 10er, 20er oder 50er Paket nach.
Natürlich ist der QualiMatcher in Bezug auf Unternehmensindividualität nicht mit den oben beschriebenen kundenspezifischen Online-Assessments zu vergleichen. Dort werden die Testmodule anforderungsspezifisch zusammengestellt, man kann gestalterisch auf entsprechenden Personalmarketinginseln beliebig schalten und walten und außerdem kann man den Online-Test direkt per Schnittstelle an das eigene Bewerber-Management-System anbinden. All das dauert aber erstens ein wenig – meist zwischen 4 und 6 Monate – und, klar, die umfangreicheren Setup-Projekte kosten Geld. Der laufende Betrieb – gerechnet pro getestetem Bewerber – ist bei kundenspezifischen Online-Assessments in der Regel günstiger als beim QualiMatcher, aber dieser Effekt wiegt das größere Setup-Invest erst ab einem gewissen Bewerbungsvolumen wieder auf. Größere Unternehmen haben das zumeist, weshalb für diese die kundenspezifischen Online-Assessments nicht nur schick sind, sondern auch kaufmännisch günstiger. Für kleinere Unternehmen hingegen ist der QualiMatcher eine wunderbare und kostengünstige Online-Assessment-Lösung.
saatkorn.: Du wirst ja, worüber ich mich sehr freue, zum Thema Online-Assessment einen Vortrag auf dem Recruiting-Convent am 6./7.6. in Düsseldorf halten. Ich nehme mal an, du wirst dabei nicht nur den Status Quo dieses Themas beschreiben, sondern auch einen Blick in die Zukunft werfen. Wie sieht diese denn aus?
Das stimmt. Da freue ich mich auch schon sehr drauf! Ein Klassiker in neuem Gewand, der #RC18 wird ganz sicher ein Jahres-Highlight. Was werde ich da erzählen? Nun, ich will ja noch nicht alles verraten, aber es wird einerseits einmal sehr konkret und plastisch beschrieben, was Online-Assessment ist, wie es aussieht, was dafür nötig ist und so weiter. Das heißt man kann ganz konkret etwas mitnehmen, was man im Unternehmen direkt anwenden kann. Aber ich werde auch den Blick einmal deutlich über das Heute hinaus schweifen lassen. Wo könnte sich Online-Assessment zukünftig hin entwickeln? Wird Online-Assessment in der Zukunft „Robot Recruiting“? Wann und wie kann Online-Assessment zu Predictive Analytics werden? Und können z.B. Technologien wie Mixed- oder Augmented Reality zukünftig auch beobachtungsbasierte Formen des Assessments ins Internet verlagern, also Assessment Center ohne physische Zusammenkunft von Menschen?
Es wird also ganz sicher auch was zu staunen geben…
saatkorn.: Lieber Jo, herzlichen Dank für das Interview. Viel Spaß und Erfolg weiterhin mit dem Thema Online-Assessments. Und spätestens bis Anfang Juni auf dem #RC18!