ONBOARDING – Studie, Interview, Download mit softgarden
Probezeit für Arbeitgeber – ein gutes Synonym für die Onboarding Phase in den ersten 100 Arbeitstagen. softgarden hat gerade eine spannende Studie zu dem Thema herausgegeben. Ich konnte dazu ausführlich mit softgarden CEO Mathias Heese sprechen. Auf geht’s:
SAATKORN: Mathias, bitte stelle Dich den SAATKORN Leser:innen doch kurz vor.
Ich arbeite seit 2016 als CEO bei softgarden. Wir betreiben eine Recruitingplattform, die eine moderne Candidate Journey abbildet und aus Jobinteressenten Bewerber macht. Deshalb bieten wir nicht nur Bewerbermanagement, sondern auch eine Karrierewebsite, ein Tool zur Aktivierung von Arbeitgeberbewertungen sowie ein Tool fürs Empfehlungsmanagement. Wir sind mittlerweile also nicht mehr nur ein ATS, sondern eine Recruiting Suite.
Recruiting & Retention als größte Challenges
SAATKORN: Was sind aus Deiner Sicht angesichts des Arbeitsmarktes die größten Herausforderungen für Arbeitgeber?
In die Kandidatenmärkte kommt immer mehr Bewegung: Nach einer gewissen Dämpfung der Dynamik durch die Pandemie zieht das Recruiting jetzt voll an. In den USA ist seit Längerem vom „Big Quit“ oder der „Great Resignation“ die Rede: Mitarbeitende haben während der Coronapandemie begonnen, sich stärker auf ihre Wünsche und Ziele zu besinnen und verlassen in Scharen ihre gewohnten Arbeitgeber. Ein ähnliches Phänomen kündigt sich auch für Deutschland an. Die größten Herausforderungen sind also zugleich Recruiting und Retention. Da ist es auch wichtig, auf die geänderten Ansprüche von Mitarbeitenden wie Jobinteressenten zu reagieren.
softgarden ONBOARDING Studie 2022
SAATKORN: softgarden hat kürzlich eine spannende Umfrage zum Thema Onboarding in 2022 durchgeführt. Was war das Setting der Studie, wen habt Ihr wann befragt?
Schon seit vielen Jahren wird das Onboarding wichtiger fürs Recruiting, weil immer mehr Arbeitnehmende heute die Wahl haben – und die Bindung an neue Arbeitgeber sinkt. Wenn das Angebot an attraktiven Jobs und Arbeitgebern die Nachfrage dauerhaft übersteigt, wird das Onboarding zunehmend zur „Probezeit für Arbeitgeber“, wie unser 2018 veröffentlichtes Whitepaper zum Thema hieß. Der aktuelle Pandemiehintergrund und die weitergehende strukturelle Entwicklung der Arbeitsmärkte hin zu Kandidatenmärkten waren für uns aktuell ein Anlass, das Thema mit frischem Blick noch einmal auf der Grundlage einer neuen Umfrage aufzugreifen. Wir haben allerdings nicht die Umfrage reproduziert, sondern lediglich einige Kernfragen wiederholt. Der Löwenanteil ist neu. Wie immer haben wir echte Kandidaten direkt aus dem Bewerbungsprozess online gefragt. Teilgenommen haben zwischen Februar und April in diesem Jahr 2.160 Personen.
Die ersten 100 Tage sind entscheidend
SAATKORN: Thematisch liegt der Fokus dieser Onboarding-Umfrage auf einem sehr spannenden Zeitrahmen. Es geht um die ersten 100 Tagen eines Kandidaten, einer Kandidatin im neuen Job. Warum ist dieser Zeitrahmen so besonders relevant?
Auch im neuen Job gilt: Der erste Eindruck zählt. Die ersten 100 Tage sind da wie die Honeymoon-Phase in einer Beziehung. Entscheidend für das Ankommen bei einem neuen Arbeitgeber sind die ersten Wochen und Monate. Fühle ich mich wohl? Habe ich alles, was ich brauche, um loszulegen? Unterstützt mich mein Chef? Sind die Kollegen offen und nett? Gefällt mir das Unternehmensklima? Meist entscheidet sich schnell, ob Bewerber diese Fragen eher mit „ja“ oder mit „nein“ beantworten, daher lag unser Fokus auf den ersten 100 Tagen.
Dieser Zeitraum ist zudem für Recruiting- wie für HR-Verantwortliche sehr spannend, denn er bildet die Schnittstelle zwischen dem Recruiting und der wirklichen Bindung an den neuen Arbeitgeber. Beide Arbeitgeber-Aufgaben stehen in kandidatenorientierten Märkten unter erheblichem Druck. Onboarding ist außerdem der erste Baustein für Weiterempfehlung und Bewertung. Arbeitgeber, die hier keinen guten Job machen, werden nicht weiterempfohlen und schlecht bewertet. Gut ongeboardete Neueinsteiger sind umgekehrt die Weiterempfehler von morgen.
Probezeit für Arbeitgeber
SAATKORN: Wie lässt sich erklären, dass so viele Kandidat:innen den Arbeitgeber schon im Onboarding wieder verlassen? Und warum steigt diese Zahl im Vergleich zur softgarden Umfrage von 2018?
In der ersten softgarden-Untersuchung haben wir die ersten 100 Tage noch „Probezeit für Arbeitgeber“ genannt. Daraus wurde in nur wenigen Jahren eine „Zitterpartie für Arbeitgeber“. Denn aktuell haben 17,8 % der Arbeitenden schon einmal während der ersten 100 Tage den Job gekündigt, 2018 waren es nur 11,6 %. Es gibt aus unserer Sicht eine kontextbedingte und eine strukturelle Perspektive auf diesen Anstieg.
Kontextbezogen war das Onboarding gerade in den vergangenen zwei Pandemiejahren für viele Neueinsteiger eine besondere Phase der Unsicherheit. Ihr Einstieg ins Unternehmen lief holprig, nicht immer mit klaren Perspektiven und auf dem gewohnten Weg der körperlichen Anwesenheit beim neuen Arbeitgeber.
Zahlen, Daten, Fakten
Unserer Studie zufolge ist die Akzeptanz von virtuellem Onboarding zwar hoch: 70,1 % der Befragten mit entsprechenden Erfahrungen bewerten aktuell virtuelles Onboarding als genau so gut oder besser wie das Onboarding in Präsenz. Aber Berichte der Umfrageteilnehmer zeigen: Viele werden allein gelassen, Arbeitgeber sind immer noch nicht gut darauf vorbereitet. Strukturell gesehen wird Onboarding auf kandidatenorientierten Märkten schwieriger für Arbeitgeber, weil die Tendenz zunimmt, wieder abzuspringen, wenn es nicht rund läuft. Wir haben in dieser Hinsicht eine Analyse zwischen den Erwartungen und den Erfahrungen von Bewerbern an die ersten 100 Tage durchgeführt, die deutliche Lücken aufzeigt.
Dazu einige Beispiele: 55,2 % erwarten einen konkreten Einarbeitungsplan, aber nur 47,0 % machen die Erfahrung, dass dieser vorliegt. Sogar 92,3 % möchten, dass Vorgesetzte ihre Erwartungen an die Neueinsteiger klar formulieren, in der Praxis erleben das nur 59,3 %. Zudem fehlt es in der Bewerbungsphase weiterhin an einem realistischen Ausblick auf den Job, da ist noch zu viel „Reklame“ und zu wenig Transparenz im Markt.
Tipps für Arbeitgeber
SAATKORN: Was sind die wichtigsten Tipps, die Du Arbeitgebern mit auf den Weg geben kannst? Worauf sollte man in der Onboarding-Phase ganz besonders achten?
Mein erster und wichtigster Tipp: Begreifen Sie das Onboarding als Teil der Recruitingphase, zumal es aktuell schon für knapp die Hälfte der Bewerbenden eine Rolle in der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber spielt. Gute Onboardingprozesse werden wie gute Bewerbungsverfahren zunehmend zum Kennzeichen von attraktiven Arbeitgebern. Ansonsten haben wir die besten Experten zum Thema um Tipps gebeten, die wir in unser Whitepaper aufgenommen haben: Kandidaten, die selbst Onboardingprozesse erlebt haben.
Sie empfehlen zum Beispiel, dass „Arbeitsmaterialien und Utensilien sowie eine Einarbeitungsstruktur und ein Ansprechpartner“ ab dem ersten Tag vorhanden sind, dass die „IT vollumfänglich funktioniert“ oder dass neue Mitarbeiter „in allen Abteilungen“ vorgestellt werden und die Gelegenheit erhalten „Netzwerke aufzubauen“. Die wichtigste Grundlage ist jedoch die Kultur gegenüber den neuen Mitarbeitern: Diese wünschen sich ein „gutes Gefühl“ beim Einstieg und eine sichere Perspektive, dass dieser gelingen wird. Je nach Unternehmensgröße sind die Prozesse bei diesem Einstieg mehr oder weniger formalisiert.
Individuelle Lösungen erforderlich
Jedes Unternehmen muss Lösungen finden, die zu ihm und zu den Neueinsteigern gleichermaßen passen. Grundlegend für den Erfolg ist immer die positive Haltung gegenüber den Neuen – von Führungskräften, aber auch seitens der Geschäftsführung und der Kollegen. Ein weiterer Tipp: Bringt mehr echte Transparenz in eure Kommunikation, indem ihr zum Beispiel Bewertungen von Bewerbern und Mitarbeitern in eure Karriereseiten integriert – oder Auskunft über die voraussichtliche Länge des Bewerbungsprozesses gebt.
Onboarding Studien-Download
SAATKORN: Gibt es das Ganze auch als Whitepaper? Wenn ja, wo kann man es downloaden?
Klar, wie gewohnt gibt es das Whitepaper zum kostenlosen Download auf unserer Studienseite.
softgarden auf dem #RC22 Festival
SAATKORN: softgarden ist ja auch beim #RC22 Festival als Sponsor mit am Start. Worauf dürfen sich die Besucher bei Euch freuen, was sind Deine Erwartungen an das Festival?
Wir bringen den Besuchern des #RC22 Festivals natürlich unsere Erkenntnisse mit und geben in unseren Workshops und bei unserem Vortrag Einblicke und Impulse dazu, wie man ein ausgezeichnetes Recruiting umsetzen kann. Natürlich freuen wir uns auch auf entspannte Gespräche mit den Festival-Besuchern an unserem Stand. Endlich einmal wieder eine Veranstaltung, auf der man live Recruiter und HR-Verantwortliche treffen kann, wir freuen uns sehr darauf und sind happy dabei zu sein!
SAATKORN: Ihr seid ja auch bereits zum dritten Mal mit am Start, worüber ich mich sehr freue! Dir wünsche ich weiterhin viel Spaß und Erfolg mit und bei softgarden!
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