New Work: die Meinung von Thomas Sattelberger
Anläßlich der Verleihung der New Work Awards von XING im „Museum für Kommunikation“ in Berlin hielt kein Geringerer als Thomas Sattelberger, Vorsitzender des „New Work Ideenlabors“ die Laudatio auf die 3 Gewinnerunternehmen, die im Laufe dieser Woche auf saatkorn. ausführlich vorgestellt werden. Gestern habe ich ja schon meine persönliche Position zum Thema #NewWork erläutert. Heute wird’s dann prominent: glücklicherweise habe ich das OK bekommen, die Laudatio von Thomas Sattelberger in wesentlichen Auszügen auf saatkorn. veröffentlichen zu dürfen. An dieser Stelle ganz herzlichen DANK an Thomas Sattelberger (den vorzustellen ich mir an dieser Stelle erspare 😉). Also – auf geht’s:
„Liebe Damen und Herren,
schon lange beschäftigt mich die Frage, ob Netzwerkorganisation, Hierarchie-Losigkeit, Open Innovation, Diversity, Führung auf Zeit, Kollaboration statt Silodenke nur Themen in der Organisations- und Managementliteratur sind oder auch bereits in der Realität angekommen sind.
Beim NEW WORK Award hat mich begeistert, dass nicht die üblichen Experten darüber entschieden haben, wer gute und attraktive NEW WORK Konzepte umsetzt, sondern zehntausende Betroffene, Beteiligte, Akteure – die kollektive Intelligenz des „Schwarms“ – firmenübergreifend, in einem kollektiven Abstimmungsprozess über XING. Dies macht den Auszeichnungsprozess beim NEW WORK AWARD besonders für mich. Vox populi, die Basis hat das Stimmrecht. Übrigens: Demokratie war auch für die Erfinder des Awards eines der 5 Gestaltungsprinzipien von NEW WORK geprägten Unternehmen. Neben Demokratie sind Autonomie, Kooperation, Gemeinschaftssinn und Diversität weitere Gestaltungsprinzipien innovativer New Work Organisationen. Unternehmen, die auf diesen Prinzipien aufgebaut sind haben übrigens nicht nur bessere Innovationschancen, sondern auch in Krisenzeiten höhere Überlebenschancen als hochgezüchtete, skalierte Monokulturen.
Was NEW WORK betrifft, bin ich – seit Mitte des letzten Jahrzehnts schrittweise vom Saulus zum Paulus geworden. Die 90er Jahre waren auch meine Saulus-Jahre. Schaffung von Höchstleistungsorganisationen ohne Rücksicht auf menschliche Verluste. Heroische Führungskonzepte und mit abstrakter Strategie vollgestopfte Managementkonzepte, Top-Down Denken, Projektorganisationen und Reorganisationen ohne Unterlass. Das war das Mantra der Wirtschaft. An welchen Vorbildern orientierten wir uns? – Natürlich an General Electric mit der heroischen Figur Jack Welch an der Spitze. Welch galt als die Inkarnation von Veränderungswillen und Macht schlechthin. Heute würde man seinen Weg wohl als blinde „Mehr, höher, schneller und weiter“ Strategie hinterfragen. Wir waren bewusstlos vor Begeisterung über die eigene Kraft. Damals war Jack Welch unser Held. Übrigens nicht so unähnlich zu Steve Jobs…
Mitte der neunziger Jahre nahm das Dogma des grenzenlosen Profitstrebens so richtig Fahrt auf. Der alles dominierende Fetisch Effizienz wurde geboren und von den Arbeitnehmern zunehmend erwartet, dass sie sich freudvoll von Betrieb und Arbeit vereinnahmen ließen. – Dass ein nonstop rotierender Motor irgendwann ausbrennt, kam mir als Mittvierziger damals überhaupt nicht in den Sinn. Ich hielt mich für genau so omnipotent wie meine Kollegen. Und dass die Macht am Arbeitsmarkt sich mal zugunsten der Talente drehen würde, war damals undenkbar. Das Jahr 2001 war schon so ein Wendepunkt: vom Platzen der damaligen .com Blase bis zum 9/11. Ich begann anders zu spüren und zu denken. Irgendwann habe ich eingesehen, dass das „Mehr, schneller, höher, weiter“ eine ungesunde Fiktion ist. Ich habe beispielsweise erkannt, dass die Welt kein Stück schlechter, aber deutlich beruhigter ist, wenn ich am Wochenende lediglich fünf statt der üblichen hundert E-Mails und SMS raushaue. Beispielsweise aber auch, dass Unternehmen dazu neigen, glatt zu bügeln, Lebensentwürfe zu streamlinen, Ja-Sager zu produzieren, in Menschen nur die Ressourcen sehen, eben „Human Resources“, nicht aber auch „Resourceful Humans“. Die gesellschaftliche Debatte zur freiwilligen Frauenquote bei der Deutschen Telekom ergab für mich das i-Tüpfelchen.
Die Arbeitswelt der Zukunft ändert sich nicht nur. Sie wird künftig immer mehr eine Welt der Varietäten sein. Es wird Unternehmen geben, in der die sogenannten Mitarbeiter souveräne Unternehmensbürger sind. Sie werden nicht nur über Arbeitsort, – zeiten und –inhalte verstärkt selbst bestimmen wollen. Ich vermute sogar, dass in Zukunft Führungskräfte von den Unternehmensbürgern selbst gewählt werden – und zwar genauso auf Zeit, wie wir demokratisch unsere Volksvertreter bestimmen. Und diese Unternehmensbürger bestimmen auch die Strategie und sind vielleicht Mit-Inhaber ihrer Firma.
Natürlich wird es aber auch weiter klassische, hierarchische Konzerne geben, die sich Mitarbeiter wie Arbeitsbienen halten. Unternehmen, die sich nomadenhaft ausschließlich in den kosteneffizientesten und damit profitabelsten Arbeitsmärkten niederlassen oder die sich hochbezahlte Söldnertruppen leisten wie die Investmentbanken. Als Idealist favorisiere ich natürlich das erstere Konzept, wobei die Welt vermutlich groß genug ist, damit beide Philosophien nebeneinander existieren können.
Die Frage, wie sinnstiftend eine Organisation wirkt, dürfte in Zukunft immer mehr gestellt werden. Und sicher geht’s da auch um die Firma als Familie. Firmen wie google beispielsweise bieten ihren Angestellten bereits heute komplette Wohlfühlwelten mit Sofalandschaften, Gärten und firmeneigenen Fitnessclub. Statt von zu Hause zu arbeiten wird so die Arbeit selbst das zu Hause. Sozusagen eine Form der Unternehmensfamilie. Indem sie das tun, greifen diese Unternehmen sehr geschickt ein menschliches Bedürfnis auf und instrumentalisieren es für ihre Zwecke. Auch wenn sie sich nicht den Anschein geben, agieren sie damit letztendlich totalitär, denn sie betrachten Menschen als reine Ressource, der sie selbst die Subjektivität nehmen. Der Industriekapitalismus nimmt den Menschen als Objekt, der google-Kapitalismus verwertet auch die Subjektivität.
Im Telekom-Vorstand haben wir bereits 2006/2007 Studien zu der Veränderungsdynamik und der damit verbundenen psychischen Belastung in der ITK-Branche besprochen. Sie zeigten uns die teilweise grenzwertige psychische Belastung in hochdynamischen, wissensintensiven Unternehmen. Übrigens auch in den Branchen Beratung, Finanzen sowie in vielen Konzernzentralen. Und ich habe Konsequenzen daraus gezogen.
Die heute mit dem NEW WORK AWARD ausgezeichneten Unternehmen „Dark Horse“, „Team neusta“ und „12 Mnkys“ stehen jeweils für einige der 5 Dimensionen, die Unternehmen der Zukunft charakterisieren:
- Demokratie im Sinne einer Teilhabe an der Gestaltung des politischen Systems Unternehmen, an Führung und Strategie statt Monarchie und militärischem Gehorsam.
- Autonomie im Sinne des eigenen agieren Könnens, agieren Wollens und agieren Dürfens. Freiheit über Zeit und Raum und das freiheitliche Nutzen von Auszeiten.
- Diversität im Sinne nicht nur des Respekts, sondern auch der Wertschätzung von Unterschied und Unterschiedlichkeit. Das Modell „Männer – weiss – ähnliche Ausbildung – deutsch“ dünnt langsam aus.
- Kooperation im Sinne der schrittweisen Ersetzung von Kampf und Wettbewerb durch gemeinsame Problemlösungen und Kommunikation auf Augenhöhe. In Unternehmen selbst und mit externen Partnern.
- Gemeinsinn im Sinne einer gesunden Balance von Eigen-Interessen und kollektiver Solidarität.
Die Preisträger sind nicht „die tollsten Hechte im Teich“. Sie sind- von Versuch und Irrtum nicht gefeit – Laboratorien, Experimentierfelder von NEW WORK. Aber nicht im abgeschotteten F&E Bereich oder in fachlichen Silos, sondern in Echtzeit und im Markt. Sie sind kreative Ökosysteme, die erste Einblicke geben, wie eine kreative und innovative Ökonomie der Zukunft aussehen könnte – mit NEW WORK als Kern. Meinen herzlichen Glückwunsch an die Preisträger – vielen Dank.“
Hier der Link auf den Artikel „#NewWork: bekommen wir eine Radikalisierung der Arbeitswelt oder wird alles gut?!“