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New Work Studie von Detecon

New Work ist ja immer wieder Thema auf saatkorn. – Kürzlich erhielt ich eine nette Mail von Marc Wagner, Partner und Global Head für Transformation, Peoplemanagement und Nachhaltigkeit bei Detecon. Sein Hinweis: Detecon habe eine aktuelle Studie zum Thema New Work. Auch wenn die Fallzahl mit 128 Befragten zunächst sehr klein erscheint: die Studie ist inhaltlich sehr interessant. Umso Schöner, dass ich Marc Wagner ausführlich dazu befragen durfte. Auf geht’s:

saatkorn.: Bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Ich heiße Marc Wagner und arbeite seit 7 Jahren bei der Unternehmensberatung Detecon, wo ich aktuell als Partner und Global Head alle Themen rund um Transformation, Peoplemanagement und Nachhaltigkeit verantworte. Aktuell beschäftige ich mich insbesondere mit den Themen „Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gestaltung von Arbeit“, „Wirksamkeit von New-Work Instrumenten“ sowie „Innovationskultur“.

Vor Detecon habe ich mehrere Jahre im Centre for Strategic Projects (CSP) strategische Transformationsprojekte der Deutschen Telekom im Vorstandsbereich Finanzen begleitet. Mein beruflicher Ursprung, unmittelbar nach meinem Abitur, liegt allerdings in der Gründung eines Beratungsunternehmens für IT-Entwicklungen und Trainings, was ich insgesamt 8 Jahre gemeinsam mit zwei Partnern geleitet habe. Privat hält mich meine Familie – insbesondere meine zwei Kinder – gut auf Trab. Zudem fühle ich mich sehr mit der chinesischen Kultur verbunden – nicht zuletzt durch meine Frau, die in Shanghai geboren wurde und deren Eltern wir regelmäßig in China besuchen.

Detecon Studie analysiert Verbreitungsgrad von New Work Instrumenten

saatkorn.: Detecon hat kürzlich eine Studie rund um die Wirksamkeit von New Work Instrumenten herausgebracht. Wie war das Setting der Studie?
Eine wesentliche Motivation war, dass wir in einer Vielzahl an „New-Work“-Projekten unterwegs sind und immer wieder Fragen wie „Was genau bringen denn die einzelnen Instrumente?“ und „Was sind Hürden bei der Umsetzung?“ aufkamen. Wir haben dann gemeinsam mit dem Institut HR-Impulsgeber und der DHBW Baden-Württemberg ein Studiensetting entwickelt, welches diese Fragen adressiert und zudem unterschiedliche Unternehmenssituationen (wie z.B. Stabilität, Kreativität und Krise) berücksichtigt. Gleichzeitig haben wir uns vertiefend mit der Rolle von Führungskräften bei „NewWork“ beschäftigt. So wurden branchenübergreifend 128 Mitarbeiter und Führungskräfte – schwerpunktmäßig in großen Unternehmen und Konzernstrukturen – befragt.

saatkorn.: Was verstehen Sie unter New Work und um welche New Work Instrumente geht es?

Marc Wagner, New Work Experte von Detecon

Bemüht man „Google“, so findet man eine ganze Reihe unterschiedlicher Definitionen. Letztlich ist „New Work“ auf den Philosophen Frithjof Bergmann zurückzuführen, der sich vor allem mit dem Themenkomplex „Freiheit“ und auch mit einer „sinnstiftenden“ Gestaltung von Arbeit beschäftigt hat. Dabei stehen insbesondere Themen wie Kreativität und freie Entfaltung der Persönlichkeit im Blick und damit eine Abkehr von monotonen, stark arbeitsteiligen und „maschinenartigen“ Arbeitsprozessen hin zu einer wertstiftenden Arbeitsgestaltung, bei der Spaß und Erfüllung nicht zu kurz kommen dürfen. Gerade die zunehmende Robotorisierung und Automatisierung bietet hier die Möglichkeit, Arbeit noch stärker zu „humanisieren“ und insbesondere gesundheitsschädliche und „stumpfe“ Tätigkeiten ausschließlich Maschinen zu übertragen – von den potenziell negativen Beschäftigungseffekten einmal abgesehen. Den New-Work-Kontext prägt auch das Statement: „Arbeiten um zu leben, statt leben um zu arbeiten.“

Versucht man dieses Konzept realistisch greifbar zu machen, ist es sehr wichtig, dass man eine ganzheitliche Sicht auf die Dimensionen „People“, „Places“ und „Tools“ wählt und dafür sorgt, dass diese Dimensionen Hand in Hand gehen. Beispielsweise sollte eine virtuelle, hierarchiearme und ergebnisorientierte Führung („People“) unterstützt werden durch das Angebot entsprechender digitaler Plattformen und ICT-Ausstattung („Tools“) und ein Arbeitsumfeld, welches sich an Aktivitäten und eben nicht an Hierarchien ausrichtet („Places“).

Betrachtet haben wir in unserer Studie 12 unterschiedliche New-Work-Instrumente, die aus unserer Sicht den Themenkomplex „New Work“ für ein Unternehmen vollumfänglich abbilden. Dabei haben wir den Fokus vor allem auf die Themen„Individualisierung der Arbeitsgestaltung“ sowie „Führung“ gelegt:

New Work Umsetzung: Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit

saatkorn.: Die Studie geht ja zunächst auf die Umsetzung von New Work Instrumenten ein. Wie sieht es hier in den befragten Unternehmen aus?
Wir haben festgestellt, dass es zwischen „Wunsch“ und „Wirklichkeit“ bei der Einführung von New-Work-Instrumenten noch deutliche Unterschiede gibt. Lediglich „flexible Arbeitszeiten“ haben sich im gewünschten Ausmaß bisher durchgesetzt – wobei wir hier in der Praxis dennoch große Unterschiede in der praktischen Anwendung sehen. Von völligen Freiheitsgraden bei der Arbeitsgestaltung bis hin zu „Kernarbeitszeiten“ mit „Präsenzfokus“ ist so ziemlich alles zu finden. Gerade wenn es um die Individualisierung der Arbeitsgestaltung geht, gibt es gemäß Studienergebnissen noch signifikanten Aufholbedarf – was sich mitunter auch mit unseren direkten Erfahrungen deckt. Gerade im Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter lässt sich häufig noch beobachten, dass es Führungskräften schwer fällt, Verantwortung abzugeben und sich auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzustellen.

Nachdenklich stimmt zudem das Ergebnis, dass dem Wunsch, einen Teil der Arbeitszeit für kreative und eigene Projekte zu verwenden, nur sehr unzureichend begegnet wird. Dies ist gerade in Zeiten, in denen „Unternehmertum“ und eine „Innovationskultur“ gefordert wird, ein sehr schlechtes Ergebnis und erklärt aus meiner Sicht auch teilweise, warum sich gerade deutsche Unternehmen beim Thema „Innovation“ aktuell sehr schwer tun (vgl. auch Studie zu Innovationskultur). Eine wirkliche Partizipation von Mitarbeitern an der strategischen Gestaltung des Unternehmens – was mitunter wesentliche Voraussetzung für eine „Sinnstiftung“ von Arbeit ist – findet kaum statt und bleibt häufig im Treibsand der diversen Hierarchiestufen – von „N-1“ bis „N-X“ stecken.

Zudem deckt sich unsere Beobachtung mit den Studienergebnissen, dass sich ein Aufstieg im Unternehmen weiterhin stark an klassischen Führungskarrieren orientiert und ein Wechsel zwischen Fach- und Führungskarrieren vielfach nicht vorgesehen ist. Auch dies ist aus meiner Sicht eine ganz wesentliche Hürde auf dem Weg zu hierarchiearmen „Knowledge-basierten Netzwerkstrukturen“, welche gerade erfolgreiche Start-Up-Unternehmen auszeichnen. Hier passen starre Positionen und teilweise recht „inhaltsleere“ Managerkarrieren definitiv nicht in das digitale Zeitalter. Daher gibt es in Bezug auf den „Reifegrad“ der Umsetzung von New-Work Instrumenten noch massiven Aufholdbedarf.

saatkorn.: Was sind Voraussetzungen, die in Unternehmen gegeben sein müssen, damit New Work Instrumente erfolgreich eingesetzt werden können?
Das ist eine komplexe Frage. Lassen Sie sie mich mal aus einer anderen Perspektive beantworten nämlich – was verhindert die erfolgreiche Einführung von New-Work- Instrumenten? Fragt man betroffene Mitarbeiter und Führungskräfte, so erhält man häufig das typische Bild: „Die anderen sind „Schuld“, dass keine Umsetzung stattfindet.“ und „Das Thema macht Sinn für XY, aber nicht für mich.“

Auch hier decken Studienergebnisse mit unserer Wahrnehmung: es werden gerne Betriebsrat oder regulatorische Rahmenbedingungen als Hinderungsgründe „vorgeschoben“. Allerdings kommt ein Großteil der Widerstände von Seiten der Führungskräfte und des Managements. Dies ist letztlich auch logisch – gerade diese müssen in einer „New-Work-Kultur“ auf ihre gewohnten „Privilegien“ (z.B. Einzelbüro, Vorzimmer) verzichten und müssen den Führungsstil teilweise signifikant ändern: „Ergebnis- statt Präsenzkultur“ sowie „Aktivität und Netzwerk statt Hierarchie“ sind nur zwei Gegenüberstellungen. Zudem verlangt New Work allen Mitarbeitern ein hohes Maß an Selbstorganisation und Eigenverantwortlichkeit ab. Fähigkeiten, die ja konsequent ab der Grundschule „abtrainiert“ werden und spätestens beim Berufseinstieg nahezu völlig verkümmert sind. Daher ist unsere Erfahrung, dass das Thema „Selbstorganisation“ und „Eigenverantwortlichkeit“ bei der Einführung eines umfassenden „New-Work“-Konzeptes nicht vernachlässigt werden darf – einer der Erfolgsfaktoren.

Gleichzeitig ist es ganz entscheidend, Führungskräften wie Mitarbeitern die Chance und insbesondere Zeit zu geben, eigene Erfahrungen mit „New Work“ zu sammeln und damit zu experimentieren. Eine Ansage im Sinne von: „Setzt das mal sofort um – ich möchte nächsten Monat messbar positive Effekte sehen“ funktioniert hier gar nicht. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass gerade bei umfassenden New-Work-Projekten ca. 1 Jahr Zeit erforderlich ist, bis positive Feedbacks zur Einführung die negativen Feedbacks signifikant übersteigen – dann allerdings treten die in der Studie aufgezeigten Effekte wie z.B. steigender Arbeitgeberattraktivität, Mitarbeiterzufriedenheit in starkem Maß ein. Aufwand und „Abwarten“ lohnen sich also.

Übertragung von Verantwortung von Führungskräften auf Mitarbeiter ist entscheidend

saatkorn.: Vielleicht DAS zentrale Thema im Kontext New Work ist Führung. Welche Aussagen gibt es dazu in Ihrer Studie?
Die Rolle von Führungskräften muss bei „New Work“ vollständig neu gedacht werden – letztlich ja auch aufgrund des immer dynamischeren und schnellebigeren Marktumfeld, in dem „Prozessabweichungen und -ausnahmen“ zur Tagesordnung gehören. Da funktionieren starre und sehr hierarchische Strukturen nicht mehr und Organisationen sind auf die Intelligenz und Flexibilität aller Mitarbeiter (und nicht nur einiger weniger Führungskräfte) angewiesen. Wobei ich hier ganz klar machen möchte – eine „völlig hierarchiefreie“ Organisation halte ich für – gerade in Krisenzeiten – nicht für effizient. Letztlich braucht man am Ende des Tages klare Entscheidungen – und diese ausschließlich demokratisch und über „Moderatoren“ herbeizuführen, passt gerade in größeren Strukturen nicht.

Unsere Studie hat klar gezeigt, dass gerade die Übertragung von Verantwortung von Führungskräften auf Mitarbeiter eine ganz entscheidende Forderung ist: Dies ist Voraussetzung für Kundenorientierung und Innovationsfähigkeit von Unternehmen, denn gerade die „kundennahen Bereiche“ (welche konkrete Kundenbedarfe und Verbesserungsmöglichkeiten am besten einschätzen könnten), bewegen sich häufig in einer „regulatorischen Zwangsjacke“ durch die Führungskräfte. Dadurch werden kreative, pragmatische und kundenzentrierte Lösungen verhindert – was in Zeiten von nahezu vollständig wegfallenden Markteintrittsbarrieren schnell zum Untergang führen kann. Mit der Forderung nach mehr Eigenverantwortung einher geht auch die freie Bestimmung von Arbeitszeit und -ort, womit eine Abkehr von Präsenz- hin zur Ergebniskultur einhergeht. Dies stellt häufig einen starken Change für Führungskräfte dar, da eine „Leistungskontrolle durch Anwesenheit“ nicht mehr möglich ist, sondern über klar formulierte Ziele geführt werden muss. Eine weitere, ganz wesentliche Forderung an Führungskräfte im New-Work-Zeitalter besteht darin, die individuelle, fachliche Entwicklung von Mitarbeitern zu fördern und die Rolle eines „People Development Managers“ einzunehmen. Ich denke die Forderung nach „klarer Kommunikation“ sowie „Authentizität“ der Führungskraft sind nichts wirklich Neues – wurden aber auch noch einmal durch unsere Studie bestätigt.

saatkorn.: Welche Handlungsempfehlungen können Sie auf Basis Ihrer Studie Unternehmen zum Einsatz von New Work Instrumenten an die Hand geben? Lohnt sich letztlich der Aufwand?
Ich werde häufig gefragt: Lohnt sich denn der Aufwand einer „New-Work“-Einführung? Gerade bei der vollständigen Einführung von „New-Work“ sprechen wir von einer sehr komplexen Aufgabenstellung, wobei eine Vielzahl an Beteiligten involviert sind und abgeholt werden müssen: neben Führungskräften und Sozialpartnern sind auch HR, Immobilienmanagement und IT mit einzubeziehen. Ein Kraftakt, bei dem die Geschäftsleitung eine aktive Rolle spielen muss (im Sinne von „vorleben“ und nicht nur „finden wir toll – macht Ihr mal“). Einige Handlungsempfehlungen hatte ich ja bereits zuvor gebracht. Aus meiner Sicht müssen Führungskräfte aktiv  mit eingebunden werden und „New-Work“ vorleben, Mitarbeiter müssen bei der Anwendung und „Umgewöhnung“ unterstützt werden und letztlich müssen kulturelle Aspekte, Arbeitsumfeld und Infrastruktur-Aspekte „Hand-in-Hand“ gehen. Ganz entscheidend ist zudem, dass die Ziele von New-Work transparent und „ehrlich“ kommuniziert werden – d.h. insbesondere auch Effizienzeffekte (z.B. durch effizientere Nutzung von Flächen) nicht verschwiegen werden. Und letztlich sollte man nicht versuchen, die Effekte von New-Work krampfhaft in KPI-Systemen und Dashboards abzubilden. New-Work ist ein Kulturthema – und kulturelle Veränderungen dauern nicht nur lange, sondern lassen sich schwer an wenigen Kennzahlen festmachen.

Nicht nur die Ergebnisse unserer Studie, sondern gerade auch meine persönliche, eigene Erfahrung zeigen, dass sich durch die Einführung von New-Work-Instrumenten enorme, positive Effekte erzielen lassen – gerade auch, wenn es um die Gewinnung von Top-Talenten (Arbeitgeberattraktivität) und die Freisetzung von Kreativitätspotenzialen von Mitarbeitern geht. Auf die Frage: Lohnt sich der Aufwand – daher ein klares und überzeugtes: Ja!

saatkorn.: Herr Wagner, vielen Dank für Ihre Einblicke in das Thema New Work!

 

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