Als Mitglied des XING Ideenlabors zum Thema New Work hatte ich kürzlich das Vergnügen, Joana Breidenbach kennenzulernen. Eine tolle, charismatische Person, unglaublich unternehmerisch und mit vielen spannenden Themen unterwegs. Ganz aktuell steht ihr Buchprojekt „New Work needs Inner Work“, zusammen mit Bettina Rollow im Fokus. Da könnt Ihr durch Crowd-Funding mithelfen. Aber lest selbst:
saatkorn.: Joana und Bettina, bitte stellt euch den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Joana: Ich verstehe mich als Sozialunternehmerin und Autorin. In meiner ersten Karriere habe ich als Kulturanthropologin viel zur kulturellen Globalisierung geforscht und geschrieben. Nachdem ich mit meiner Familie 2006 eine Weltreise gemacht habe, bei der wir viele tolle, aber völlig unbekannte Grassroots-Initiativen kennenlernten, gründeten wir 2007 betterplace.org. Betterplace ist heute Deutschlands größte Spendenplattform. 2010 startete ich dann noch das betterplace lab, einen Think Tank der an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Gemeinwohl forscht.
Bettina: Ich bin Organisationsentwicklerin und Coach und habe mich schon immer für komplexe Prozesse in Organisationen interessiert. Noch mehr jedoch faszinieren mich wie äußere Prozesse und das Mindset von Menschen zusammen wirken. Deswegen habe ich meinem Master in BWL noch eine Gestalttherapieausbildung hinzugefügt und arbeite seitdem mit Unternehmen an neuen Formen der Führung und Zusammenarbeit.
saatkorn.: Gerade seid ihr dabei, zusammen ein spannendes Buch zu veröffentlichen: New Work needs Inner Work. Ein Handbuch für Unternehmen auf dem Weg zur Selbstorganisation. Wie seid Ihr auf die Idee dazu gekommen?
Joana: 2014 wollte ich im betterplace lab meine Nachfolge organisieren. Dabei stieß ich auf Frederic Laloux’s Buch Re-Inventing Organisations und war begeistert. Menschenzentrierte Unternehmen, temporäre Hierarchien, Selbstorganisation, intuitive Strategieführung – das alles sprach nicht nur mich, sondern auch meine Kollegen, an. Also beschlossen wir eine neue Organisationsform zu entwickeln. Um uns dabei zu helfen engagierte ich meine Freundin Bettina Rollow, die gerade ihren Job bei Volkswagen gekündigt hatte, um sich als Organisationsentwicklerin selbstständig zu machen. Seit 4 Jahren arbeiten wir nun ohne Chef und ohne feste Hierarchien. Wir haben dabei sehr viel gelernt – was alles gut funktioniert, aber auch was alles schwierig ist. Diese Erfahrungen – in Form von einer sehr konkreten Methode – wollten wir mit anderen teilen. Daher das Buch, welches aus unseren beiden Perspektiven, der Unternehmerin und des Coaches, diese Reise beschreibt.
saatkorn.: Wer sollte das Buch New Work needs Inner Work lesen, für wen habt Ihr das Buch geschrieben?
Joana: Das Buch hat eine breite Zielgruppe: zum einen ist es für alle die selbstbestimmter arbeiten und leben wollen. Es hilft Führungspersonen und Teams herauszufinden, welche Führungsstile zu ihnen passen. Für alle Laloux-Fans ist es ein Leitfaden, wie man “teal organisations” in die Praxis umsetzen kann. Auch für Coaches ist es interessant, denn wir bieten eine ausgereifte Methode um Unternehmen auf ihrem Weg zu flacheren Hierarchien zu begleiten. Schlussendlich ist es aber auch für den allgemeinen Leser relevant, denn wir sind überzeugt, dass die von uns beschriebenen Kompetenzen, z.B. Selbstkontakt und Selbstreflexion, Multiperspektivität und Intuition, notwendig sind um in zunehmend komplexen Umgebungen zu navigieren.
saatkorn.: Was bedeutet das Thema „Inner Work“ in diesem Kontext aus Deiner Sicht? – Ein Kapitel heisst „Äußerer Wandel bedeutet innere Transformation“. Das kann ich als Individuum sofort unterschreiben. Aber ist das bei Organisationen auch so? Wenn ja, warum?
Joana: Im betterplace lab beobachteten wir, dass sobald wir im Außen feste Strukturen und Prozesse reduzieren, die Welt für Mitarbeiter zwar freier und größer wird, sie aber auch viel Sicherheit verlieren. Aber nur wer sich sicher fühlt, kann auch innovativ sein. Also müssen wir eine neue Sicherheit in unserem Inneren finden. D.h. Ich muss mich selbst besser kennen und fühlen, wissen was mich motiviert, was meine Bedürfnisse sind und wie ich sie befriedige. Im Team machten wir die Erfahrung, dass wir neue innere Kompetenzen entwicklen mussten, damit wir in der viel flüssigeren, beweglicheren Umgebung effektiv arbeiten konnten.
Diese innere Transformation ist die Basis für gelungene Veränderung im Außen. New Work basiert auf anderen, oft neuen Werten. Damit muss sich die Kultur in einer Organisation verändern. Ansonsten werden dem ursprünglichen organisatorischen Mindset nur neue Strukturen und Prozesse übergestülpt – und der Wandel ist zum Scheitern verurteilt. New Work passt einfach nicht mit einer Führungskultur zusammen, die auf Delegation und Hierarchie basiert, sondern entspringt Werten wie Transparenz, Selbstverantwortlichkeit und Potentialentfaltung. Jeder Mitarbeiter muss sich in dieser neuen Wertelandschaft wiederfinden können und wahrscheinlich eine Reihe neuer Kompetenzen erwerben. Ob individuell oder kollektiv – innere und äußere Transformation gehen Hand in Hand.
saatkorn.: Neue Frage: Ihr geht in eurem Buch viel auf Führung ein. Was bedeutet gute Führung im Kontext New Work für Euch?
Joana: Im Zentrum steht Selbstführung auf Basis kompetenzbasierter Hierarchien. Selbstorganisierte Teams arbeiten organisch und co-kreativ zusammen, indem der/die jeweils kompetenteste Person die Führung für eine spezifische Aufgabe oder ein Projekt übernimmt. Das setzt jedoch voraus, dass jeder im Team sich und seine Stärken und Schwächen gut kennt und dies im Team transparent kommuniziert wird. Das bedeutet klare und direkte Feedback-Prozesse, in denen ich als Mitarbeiterin auch offen darüber sprechen kann, wenn ich einen Kollege für eine bestimmte Aufgabe als nicht kompetent erachte. Um so offen und transparent zusammen zu arbeiten, brauchen Teams eine stabile Basis, viel Vertrauen und ein hohes Maß an Reflexion.
saatkorn.: Welche Ratschläge würdet ihr Führungskräften mit auf den Weg geben, die Angst haben, sich durch Selbstorganisation überflüssig zu machen?
Joana: Dieser Befürchtung begegnet Bettina in ihrer Arbeit immer wieder. Oft geht es weniger um die Angst überflüssig zu sein – in einem selbstorganisierten Team würde ja jeder analog seiner Kompetenzen Führung übernehmen können – sondern um die Angst vor Kontrollverlust. Deshalb ist es wichtig, Führungskräfte von Anfang an zu begleiten. Denn letztendlich liegt es an ihren, ob sie bereit sind ihre Macht an das Team abzugeben, damit dieses selbstorganisiert arbeiten kann.
Wenn Führungskräfte sich Sorgen um ihre zukünftige Rolle machen, wirkt sich das Immer auch auf den Gesamtprozess aus. Bettina arbeitet dann mit der Führungskraft heraus was diese an New Work inspiriert und welche Chancen sie für sich in diesem Prozess sieht. Wie wirken Inspiration und Angst zusammen? Das Ergebnis ist offen: Bettina hat erlebt wie ehemalige Skeptiker zu New Work Enthusiasten wurden, aber auch wie einstige Enthusiasten merkten, dass New Work zu ihnen gar nicht passt. Diese Ehrlichkeit und Authentizität ist wichtig – New Work passt nicht zu jedem.
saatkorn.: Joana, vielen Dank für das Interview – und viel Erfolg mit dem Crowd-Funding für das Buch! Hier geht’s zur Kampagne.