Wissensarbeit zwischen Selbstverwirklichung und Ausbeutung – spannende Studie von HAYS
Spannendes Thema: die Digitalisierung verlangt allen, die Wissensarbeit betreiben, ein „erwachsenes“ Arbeiten ab. Arbeiten kann man ja inzwischen immer und überall (sofern man sogenannte/r Brainworker*in ist) arbeiten. Eine spannende Studie von HAYS beschäftigt sich mit dieser Thematik. Ich hatte Gelegenheit, mit Kathrin Möckel über den Spagat zwischen Selbstverwirklichung und Ausbeutung zu sprechen. Auf geht’s:
SAATKORN: Bitte stellen Sie sich den SAATKORN Leser*innen kurz vor.
Gern. Ich bin seit fast neun Jahren bei Hays für das Thema Market Research verantwortlich. Das beinhaltet die Verantwortung für die internen und externen Studien von Hays sowie die Beschäftigung mit Entwicklungen in der Arbeitswelt. Darüber hinaus bin ich für den Fachkräfte-Index von Hays verantwortlich, der die Nachfrageentwicklung für verschiedene Berufsgruppen zeigt. Vor Hays war ich als Instituts-Marktforscherin sowohl im b-to-c als auch im b-to-b-Bereich tätig.
SAATKORN: Wissensarbeit im digitalen Wandel – so heißt die neue HAYS-Studie. Wie ist die Idee zu der Studie entstanden und was war das Studien-Setting?
Wir beschäftigen uns schon seit mehreren Jahren speziell mit der Thematik Wissensarbeit. Die erste Studie dazu haben wir bereits 2012 durchgeführt. Damals ging es primär um die Fragestellung, welchen Stellenwert Wissensarbeit in Unternehmen hat, welche Anforderungen an Wissensarbeiter bestehen, aber auch wie Wissensarbeiter ihre Tätigkeit beurteilen und wie ihre Bedürfnisse durch die Unternehmen erfüllt werden. Die aktuelle Studie ist die Nachfolgestudie von 2017, in welcher wir uns mit den Gestaltungsräumen, die hochqualifizierte Fachkräfte haben, um Kompetenzen zu entwickeln und ihr Wissen produktiv einzubringen, beschäftigt haben. In der aktuellen Studie standen die Auswirkung der Digitalisierung im Vordergrund. Auf der einen Seite interessierte uns, wie das Versprechen der Digitalisierung, Freiräume zu schaffen – etwas indem Routinetätigkeiten durch Automatisierung ersetzt werden – aktuell schon umgesetzt ist. Darüber hinaus standen die Befindlichkeiten der Wissensarbeiter im Vordergrund. Wie gehen sie mit den Herausforderungen der Digitalisierung und den möglicherweise veränderten Arbeitsbedingungen um.
SAATKORN: Wie definieren Sie Wissensarbeit?
Als Wissensarbeiter verstehen wir im Rahmen unserer Untersuchungen hochqualifizierte Fachkräfte.
SAATKORN: Gibt es einen Unterschied zwischen freiberuflichen und festangestellten Wissensarbeitern?
Wir haben, nicht nur bei der aktuellen, sondern auch bei den bei den vorherigen Befragungen, festgestellt, dass die Art der Tätigkeit den Unterschied macht. Einschätzungen oder Verhaltensweisen sind natürlich immer individuell. Aber insgesamt fühlt sich die Gruppe der freiberuflichen Wissensarbeiter weniger betroffen von Arbeitsverdichtung, kürzeren Planungszeiträumen, komplexeren Themen oder einer größeren Veränderungsgeschwindigkeit, als die angestellten Wissensarbeiter. Für freiberufliche Wissensarbeiter haben sich die Versprechen von „New Work“ und „digitalem Wandel“ mit einem höheren Maß an Freiheit, Selbstwirksamkeit, Selbstverwirklichung eher erfüllt als für angestellte Wissensarbeiter.
Unterschiede zwischen Angestellten und Freiberuflichen
SAATKORN: Wie erklären Sie sich diese Unterschiede?
Freiberufliche Wissensarbeiter sind nicht in derselben Art in Unternehmen eingebunden wie Angestellte. Sie können sich (eher) nur auf den Auftrag oder das Projekt konzentrieren. Angestellte Wissensarbeiter sind Teil einer größeren Organisation. Damit sind sie auch Teil von ganz unterschiedlichen Abhängigkeiten oder Beziehungen, die innerhalb einer Organisation bestehen. Oder anders ausgedrückt: Ihre Gestaltungsmöglichkeiten sind eher begrenzt. Und auch das sollte man bei einer Betrachtung nicht außen vorlassen: Freiberufler können eher auch mal „nein“ zu einem Projekt sagen.
SAATKORN: Wie gehen Wissensarbeiter mit den höheren Anforderungen um?
Die Wissensarbeiter reagieren ganz unterschiedlich auf die höheren Anforderungen. Eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung hat der Ausbau fachlicher Netzwerke. Das trifft auf freiberufliche und angestellte Wissensarbeiter zu. Auffallend ist allerdings, dass deutlich mehr Freiberufler als Angestellte ihre fachlichen Netzwerke ausbauen und in der Freizeit sowie auf eigene Kosten in ihre Weiterbildung investieren wollen. Dagegen geben überproportional viele der angestellten Wissensarbeiter an, dass sie als Reaktion auf den wachsenden Druck ihren Fokus bewusst auf die Familie statt auf den Beruf richten (wollen). Dies deckt sich mit anderen Ergebnissen zu Generation Y und dem Rückzug ins Private.
SAATKORN: Was sind Ihre Empfehlungen für Unternehmen und genauer gesagt HR Abteilungen auf Basis der Studie?
Eine Empfehlung aus den Studienergebnissen an die Unternehmen ist, nicht nur die technologische Seite zu implementieren, sondern auch die kulturelle Seite zu berücksichtigen. Das Konzept von „New Work“ umfasst nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Modernisierung von Organisationen und Führung. Mitarbeitern sollten sich folglich durch „New Work“ mehr Freiräume eröffnen. Laut unserer Studie trifft das nur auf einen Teil zu. Hier ist die HR zusammen mit der Unternehmensleitung gefordert dieses Thema top-down zu entwickeln.
SAATKORN: Wie wird sich Ihrer Meinung nach Wissensarbeit in den nächsten Jahren entwickeln? Werden wir eine Zunahme der Freiberufler erleben?
Eine seriöse Vorhersage, ob es eine Zunahme an Freiberuflern geben wird, lässt sich nur schwer treffen. Es wird sicher immer Menschen geben, die selbständig und nicht in einem Unternehmen angestellt sein wollen. Dass dies durch Corona und New Work merklich befeuert wird, wird die Zeit zeigen.
SAATKORN: Ganz herzlichen Dank für diese Insights zum Thema Wissensarbeit zwischen Selbstverwirklichung und Ausbeutung!