Eine neue lesenswerte Studie von Glassdoor zeigt: Diskriminierung am Arbeitsplatz ist für viele Menschen auch in Deutschland leider Realität. Grund genug, einmal genauer nachzuhaken. Ich hatte Gelegenheit, dazu mit Felix Altmann, Corporate Communications Manager bei Glassdoor, zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Felix, bitte stelle dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Als Pressesprecher bin ich Teil eines kleinen, aber feinen Glassdoor-Teams hier in Deutschland, das seit Juni in einem eigenen Büro in Hamburg sitzt. Unser Ziel ist es, noch näher an den Menschen und am Markt in der DACH-Region sein. Das ist uns bisher gut geglückt. Aber natürlich arbeiten wir weiter fleißig daran, dass Glassdoor noch bekannter unter Jobsuchenden und Unternehmen wird. Der eine oder andere Artikel, der von mir initiiert wird, kann dabei sicherlich nicht schaden!
saatkorn.: Gerade hat Glassdoor eine spannende Studie rund um das Thema Diversität und Inklusion heraus gebracht. Was war das Setting der Studie?
Arbeitgeber überbieten sich derzeit darin, ihr Engagement für Vielfalt und Weltoffenheit in der eigenen Workforce anzupreisen. Zu wichtig ist dieser Aspekt für die Jobsuche geworden und zu groß die Angst, dringende benötigte Fachkräfte durch mangelnde Kompetenz in diesem Bereich abzuschrecken. Wir haben uns in diesem Kontext gefragt: Wie sieht die erlebte Realität von Berufstätigen in Deutschland tatsächlich aus? Erleben sie Diskriminierung am Arbeitsplatz? Mit unserer Diversity & Inclusion Study 2019 sind wir diesen Fragestellungen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA nachgegangen und ermöglichen damit auch einen spannenden internationalen Vergleich.
saatkorn.: Eine Kernaussage der Studie ist: Ein Drittel der befragten Berufstätigen erlebt Diskriminierung am Arbeitsplatz. Was gilt in diesem Kontext als Diskriminierung?
Wir haben den Umfrageteilnehmern keine Definition von Diskriminierung vorgegeben, um möglichst unvoreingenommene Antworten zu erhalten. Benachteiligung kann viele Formen annehmen. Diskriminierung ist in dieser Umfrage das, was die Teilnehmer als Diskriminierung wahrnehmen. Das kann eine unbedachte Bemerkung sein, ein systematisches Übergehen bestimmter Gruppen bei Beförderungen oder auch auch offener Rassismus oder Seximus. Unter den deutschen Berufstätigen, die wir befragt haben, haben 37 Prozent bereits Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt. Wir haben darüber hinaus konkret nach einzelnen Formen der Diskriminierung gefragt. Dabei hat sich die Benachteiligung auf Basis des Geschlechts mit 24 Prozent als am häufigsten unter den Umfrageteilnehmern gezeigt, gefolgt von der Benachteiligung aufgrund des Alters (22 Prozent), des ethnischen Hintergrundes (21 Prozent) und der sexuellen Orientierung (15 Prozent).
saatkorn.: Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
Wer die Ergebnisse nur oberflächlich und vergleichend betrachtet, könnte zu dem Schluss kommen, dass deutsche Unternehmen in Sachen Vielfalt und Gleichberechtigung gut aufgestellt sind. Bemerkenswert ist tatsächlich, dass deutsche Berufstätige ihren Angaben zur Folge weitaus seltener Diskriminierung erleben als die Teilnehmer aus den anderen Ländern. So werden zum Beispiel Rassismus, Alters- und Genderdiskriminierung am Arbeitsplatz laut der Umfrage doppelt so häufig in den USA erlebt. Sind die hiesigen Unternehmen also eine Komfortzone in Sachen Vielfalt? Das wäre sicherlich ein Kurzschluss. Eine mögliche Ursache für die im Vergleich niedriger ausfallenden Umfragewerte liefert die Befragung nämlich auch: Viele Unternehmen in Deutschland sind von der Zusammensetzung ihrer Mitarbeiterschaft offenbar nicht so divers aufgestellt, dass Anlässe für offene Diskriminierung überhaupt entstehen könnten. Zwar geben 62% der deutschen Befragten an, dass sie bei einem Arbeitgeber arbeiten, der über eine diverse Belegschaft verfügt. Das heißt im Umkehrschluss allerdings auch, dass 38% der Berufstätigen in Betrieben arbeiten, in denen das nicht der Fall und deren Belegschaft tendenziell homogen zusammengesetzt ist. Stärker von Einwanderung geprägte Länder besitzen im Umgang mit Diversität und der Wahrnehmung von Benachteiligungen am Arbeitsplatz sicherlich mehr Erfahrung und sind stärker in der Hinsicht sensibilisiert. Das heißt natürlich nicht, dass sie für die Missstände auch immer Lösungen parat haben.
saatkorn.: Lassen sich aus der Studie Handlungsempfehlungen für HR Abteilungen ableiten?
Vielfalt muss fest in der Unternehmenskultur verankert und alltäglich gelebt werden. Daher ist zu hoffen, dass Unternehmen ihre Anstrengung für mehr Gleichberechtigung und Vielfalt in ihren Belegschaften ernsthaft verstärken und nicht nur Kosmetik betreiben, wenn sie das Thema angehen. Wenn man sich vor Augen führt, dass laut der Umfrage gerade Millenials und die Generation Z mehr Engagement der Arbeitgeber für Diversität fordern, müssen Unternehmen sogar mehr tun! Wichtig ist dabei, dass Initiativen für Vielfalt aus der Mitarbeiterschaft entstehen und gefördert werden. Man kann so etwas nicht von oben herab verordnen. Dafür lohnt es sich natürlich auch in Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich zu investieren, um die nötige Sensibilisierung zu schaffen, gerade in Betrieben, die noch nicht allzu divers aufgestellt sind. HR sollte sich zudem dafür einsetzen, dass auch Stellen für Gleichstellung und Diversität geschaffen werden, wie es zum Beispiel bei Zalando der Fall ist. Unsere Stichprobe von Stellenanzeigen auf Glassdoor.de ergab, dass im August ganze 52 Jobs in diesem Bereich in Deutschland ausgeschrieben waren, die meisten davon im öffentlichen Bereich. Da geht noch mehr!
saatkorn.: Zu guter Letzt: wo kann man die Studie downloaden?
Wir haben unsere Ergebnisse in unserem Blog zusammengefasst und bieten dort auch die Möglichkeit, unsere Auswertung als PDF herunterzuladen. Wer mehr wissen möchte oder sich austauschen möchte, kann mich natürlich gerne auch persönlich kontaktieren.
saatkorn.: Felix, herzlichen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg bei Glassdoor!