Musikvideos: der neue Trend im Personalmarketing?!
Wie erreiche ich eine Zielgruppe, die von allen umworben wird? Eine Zielgruppe, deren Problem hauptsächlich darin besteht, aus einer unglaublichen Zahl von Möglichkeiten die jeweils individuell und subjektiv beste auszuwählen? Eine Zielgruppe, die eher unter einem Information-Overload leidet als an zu wenig Information? – Die Antwort ist nicht überraschend: ich muß zunächst ins Herz oder den Bauch treffen, einen emotionalen Ankerpunkt setzen.
Getreu Prof. Dr. Becks Präferenzmodell macht es im Personalmarketing anfangs wenig Sinn, direkt rationale Fakten sprechen zu lassen. Ich muß zunächst Interesse auf emotionaler Ebene wecken:
Grafik: Präferenzmodell von Prof. Dr. Christoph Beck
Wenn dies so ist, dann machen Musikvideos auch für das Personalmarketing natürlich viel Sinn und müssten in der Grafik ganz vorn bei den emotionalen Punkten einsortiert werden. Das Problem ist dabei nur: die Geschmäcker sind nun mal verschieden und es ist sicherlich problematisch, exakt den Nerv einer in sich sehr heterogenen Zielgruppe zu treffen. Hierzu empfehle ich das saatkorn. Interview rund um die Sinus-Milieus von vor ein paar Tagen.
Aber zurück zum Thema. Aktuell produziert jeder, der was auf sich hält, ein Musikvideo. So zumindest mein Eindruck 😉
Das Interessante daran ist: viele dieser Videos wurden in der Blogger Community recht kritisch gesehen. Das Bayer-Video (siehe hierzu das Interview mit Bernd Schmitz) ist das Erste, wo nicht eine große Diskussion los geht, ob das nun authentisch ist oder nicht. Und warum? – Weil Bayer sich hier einfach selbst inszeniert, ohne großartig auf eine bestimmte Zielgruppe zu setzen. Ein paar Bayer Mitarbeiter haben Musik im Blut und produzieren zusammen einen Song. Das ist sympathisch und hat zunächst mal wenig mit Employer Branding oder Personalmarketing zu tun. Dadurch, dass im Video selbst die verschiedenen Musikanten in ihrem beruflichen Einsatzgebiet zu sehen sind, entsteht Authentizität und Begeisterung auch für den Arbeitgeber Bayer. Und anzukommen scheint es auch: gerade mal ein paar Tage online und bereits über 180.000 Klicks:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=TGICsTAqRi4]Andere Videos, wie beispielsweise der BMW Azubi Rap sind teilweise mit Häme geradezu überschüttet worden. Ich verstehe bis heute nicht so ganz, warum. Denn glaubt man BMW (und ich sehe keinen Ansatz, warum man das nicht glauben sollte), so ist der BMW Rap doch auch ein von den BMW Azubi selbst erstelltes Video (natürlich professionell umgesetzt, wie das Bayer Video übrigens auch). Es wäre spannend zu wissen, wie die Zielgruppe der Azubis auf das Video reagiert haben. Ich finde es ehrlich gesagt gelungen:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=ydQxuEHuZ68]Interessant in diesem Kontext auch das Praktikum Video von Edeka, „Geh Deinen Weg“. Ähnlich wie bei BMW aus einem Azubiprojekt entstanden und immerhin bereits über 380.000 Mal geschaut worden. Respekt. Teilweise liest man im Web vom „Fremdschämfaktor“. Sehe ich nicht so. Gerade vor dem Hintergrund, wenn die Videos von der Zielgruppe in einem eigenen Projekt selbst produziert sind, ist wohl klar: als 42 jähriger Familienvater mit 15 Jahren Berufserfahrung ist man einfach nicht mehr Zielgruppe. Mir gefällt das Ganze deshalb, weil ganz offensichtlich hier echte Lehrlinge von Edeka am Werk waren. Die Musik: absolut nicht meine Tasse Tee, was solls:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=qj-QpdjvHWY]Darüber hinaus hier noch der Edekaner-Song. Das finde ich jetzt auch etwas Fremdschäm-mäßig und stelle mir vor, wie der Song beim Edeka Sommerfest von Gunter Gabriel vorgetragen wird und alle mitsingen (müssen):
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=IIZHD5JV7pg]Schade ist: hierzu hätte ich supergern ein Video gehabt und nicht nur den Song. Aber: was nicht ist kann ja noch werden. 😉
Bertelsmann liefert für das Duale Studium ebenfalls ein Musikvideo, allerdings nur instrumental. Auch hier stecken hinter dem Konzept die eigenen Konzernstudenten:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=HKelick10Ws]Ein weiteres Beispiel aus den letzten Monaten ist der „Nudelholz“ Song des Zentralverbandes Bäckerhandwerk. Hier wird mit einer Rammstein/Unheilig-artigen Musikuntermalung versucht, das Bäckerhandwerk attraktiv darzustellen. Jo vom Recrutainmentblog sieht das vielleicht etwas sehr sensibel an der Grenze zur Deutschtümelei. Ich bin da etwas weniger empfindlich, finde den Film gut gemacht, aber mir fehlen hier die echten Beispiele. Wenn die drei Sänger echte Bäcker sind hätte ich das gern auch gewusst und mehr über die erfahren wollen…
[youtube=http://www.youtube.com/user/baeckerhandwerk?v=WApO6VQ2Dvc]Zu guter Letzt: das Fremdschämen sollte man nicht immer nur anderen überlassen. Vor ein paar Jahren – um genau zu sein 2008 – habe ich mich selbst mal mit der Kombi Video und Musik für Bertelsmann versucht. Heutige Sicht aufs Thema: das Video (von unserer Agentur) finde ich nach wie vor spitze, auch wenn Bertelsmann heutzutage natürlich anders aussieht. Die Musik, die ich selbst verbrochen habe finde ich heute nicht mehr so den Hit. Und rückblickend bin ich dankbar, dass es nur ein Instrumental ist :-). Tja, so ist das mit Musikvideos: die Geschmäcker sind nun mal verschieden und ändern sich auch im Laufe der Zeit:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=4YrEYwaU0ow&feature=plcp]Fazit: das Bayer Musikvideo ist bestimmt nicht das Letzte seiner Art. Der Einsatz von Musik und Bewegtbild in Kombination ist an Emotionalität kaum zu schlagen – wie auch die vielen Kommentare rund um die Videos beweisen. Eigentlich ist es egal, ob diese Kommentare nun positiv oder negativ sind – solange die adressierte Zielgruppe darauf abfährt. Und eine objektive Bewertung ist nahezu ausgeschlossen: der persönliche Geschmack und auch das eigene Alter stehen dem einfach entgegen. Von daher bin ich auch von den viel kritisierten BMW und Edeka Beispielen angetan.