Motivierte Azubis finden – die One Week Experience
Heute im Rahmen der saatkorn. HR Startups Serie: die One Week Experience. Über das vielversprechende Azubi-Marketing und -Recruiting-Konzept des Startups hatte ich hier auf saatkorn. schon mal berichtet. Es ergab sich nun die Gelegenheit, mit der Gründerin und Geschäftsführerin Svanja Kleemann nochmal etwas detaillierter zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Liebe Svanja, bitte stelle One Week Experience den saatkorn. LeserInnen kurz vor.
Wir sind ein Social Startup und bieten mit den Programmen One Week Student und One Week Azubi deutschlandweit Reality-Checks im Studien- und Ausbildungsbereich an. Mit One Week Azubi bieten wir Unternehmen ein innovatives Gesamtpaket, in welchem Azubi-Marketing und Azubi-Recruiting natürlich ineinandergreifen. Wir machen das Ausbildungsangebot der Partnerunternehmen online sowie offline effektiv bekannt und ermöglicht es den Unternehmen intrinsisch motivierte Ausbildungskandidat*innen in ihrem potentiellen Arbeitsumfeld persönlich und ungezwungen kennenzulernen. Während der One Week Azubi-Experience begleitet die*der Jugendliche eine*n Azubi unserer Partnerunternehmen eine Woche lang durch den Ausbildungsalltag (inkl. Berufsschule). Durch diesen Reality-Check können die Unternehmen herausfinden, ob die*der Ausbildungsinteressierte zu ihrem Unternehmen passt und für die Inhalten bzw. Tätigkeiten der Ausbildung geeignet ist.
saatkorn.: Welches Problem geht Ihr bei One Week Experience an? Wer kann von euch profitieren?
One Week Experience geht verschiedene gesellschaftliche Probleme an. Das Hauptproblem ist die aktuelle Situation des Ausbildungsmarkts – davon können die meisten der Leser*innen sicherlich ein Liedchen singen: motivierte und geeignete Azubis zu finden und zu halten ist für viele Unternehmen heutzutage sehr schwer. Nicht nur, dass immer mehr Jugendliche studieren möchten und so die Bewerberzahlen auf Ausbildungsstellen relativ gesehen sinken. Das ist nur die eine Seite. Über die andere wurde kürzlich erst wieder berichtet: im Durschnitt brechen ¼ der Azubis die Ausbildung ab. Das ist eine immense Zahl, die für die Unternehmen mit riesigen Kosten einhergeht – nicht nur für die KMUs.
Je nach Branche haben die Unternehmen und Betriebe dann noch ganz individuelle Schwierigkeiten: manche werden mit Bewerbungen überschüttet und finden doch niemand passendes, weil die Noten oder Motivation einfach nicht stimmen. Andere bieten Ausbildungsberufe an, die niemand kennt. Das Berufswahlspektrum von 15- bis 23-Jährigen ist sehr eingeschränkt. Nur um eine Zahl zu nennen: 43 % der Jugendlichen lernen erst durch One Week Azubi die Ausbildungsberufe kennen. Das gleiche gilt für viele Unternehmen, gerade wenn sie keine Produkte für den B2C-Bereich haben: 63% der Jugendlichen lernen erst durch uns die Ausbildungsbetriebe kennen.
Von One Week Experience profitieren also hauptsächlich Unternehmen mit Bedarf an motivierten Auszubildenden.
https://www.youtube.com/watch?v=Qiyd8zvOnqE
saatkorn.: Eure »Experience« klingt ganz nach Schülerpraktikum. Worin besteht genau der Unterschied?
Die One Week Azubi-Experience unterscheidet sich von einem Schülerpraktikum schon vom Ansatz her. Die Idee dahinter ist Azubi-Shadowing, welches das ganze Jahr über flexibel möglich ist. Zugang und Zeitpunkt sind also ganz andere. Die Jugendlichen begleiten jemanden aus ihrer eigenen Peer-Group und stehen nicht einfach nur neben der Fachkraft, die die Betreuung oft als lästig empfindet oder nur wenig Zeit hat. Auch müssen sie bei der 1-zu-1-Betreuung keine Aufgaben machen, die nichts mit dem Beruf und der Ausbildung zu tun haben – das berüchtigte Kaffeekochen. Bei One Week Azubi lernen die Jugendlichen den Ausbildungsalltag kennen und helfen der*dem gastgebenden Azubi soweit wie möglich bei der Erledigung der Aufgaben. So kann das Unternehmen die*den potentielle*n Kandidat*in im Arbeitsumfeld ungezwungen und authentisch kennen lernen und dessen Eignung besser beurteilen. Außerdem erleben die gastgebenden Azubis durch diese erste kleine Personalverantwortung einen Motivations-Schub und sind stolz, ihr Unternehmen „nach außen“ repräsentieren zu dürfen.
Im Vergleich zum Schülerpraktikum, ist die Motivation der One Week Azubi-Teilnehmende eine ganz andere: während diese bei Schülerpraktika häufig sehr gering oder gar nicht vorhanden ist, ist diese bei One Week Azubi die absolute Grundvoraussetzung, um überhaupt mitmachen zu können. Die Jugendlichen entscheiden sich freiwillig und bewusst eine One Week Azubi-Experience zu machen und müssen uns in ihrer Bewerbung davon überzeugen, dass sie ein ernsthaftes Interesse an dem Ausbildungsberuf und –betrieb haben. Das erfordert Eigeninitiative.
Bei gewöhnlichen Schulpraktika sind die Schüler*innen häufig noch Jahre von der Ausbildungswahl entfernt. Bei den jungen Menschen die wir dahingegen ansprechen steht die Entscheidung kurz bevor. Außerdem sind Schüler*innen nur ein Bruchteil der Ausbildungsinteressierten und damit der Zielgruppe an potentiellen Ausbildungskandidat*innen. Wir sprechen alle Ausbildungsinteressierten an – das beinhaltet auch Schulabsolvent*innen, Studienzweifler*innen und Jugendliche im Übergangssystem.
Und dann gibt es noch den Aspekt der Berufsschule: Eine Experience geht in der Regel fünf Tage lang und schließt die Berufsschule mit ein, was bei einem Schülerpraktikum nicht der Fall ist.
Neben dem Online- und Offline-Marketing sowie der Selektion von motivierten Ausbildungskandidat*innen liegt der Unterschied für die Unternehmen auch darin, dass wir den ganzen Organisationaufwand abnehmen. Egal ob Versicherungsschutz, die Freistellung von der Schule, oder die Kommunikation mit den One Week Azubi-Gastgebenden und –Gästen; das läuft alles über uns.
Zu guter Letzt ermitteln wir nach der Experience auch die Eignung und halten den Kontakt zu passenden Kandidat*innen, sodass diese sich dann auch wirklich auf die Ausbildung bewerben.
saatkorn.: Wie geht ihr an die Ausbildungsinteressierten heran? Was machen Unternehmen falsch, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzt bekommen?
Von »falsch« und »richtig« kann man hier nicht sprechen. Der Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Während früher die geeigneten Azubis sich bei den Unternehmen gemeldet haben, müssen heute die Betriebe dorthin, wo ihre zukünftigen Azubis sind. Und das sind die Schulen, Ausbildungsmessen und vor allem Online-Plattformen wie One Week Azubi.
Beide Bereiche, offline sowie online, sind nicht ganz einfach zugänglich. Was die Schulen anbelangt, braucht man vor allem Ausdauer. Deutschlandweit haben wir beispielsweise Kontakt zu über 180 Lehrkräften an über 120 Schulen. In Workshops mit den Schüler*innen stellen wir ihnen unbekannte Ausbildungsberufe unserer Partnerunternehmen vor, bauen Vorurteile ab und zeigen ihnen wie sie zu ihrer ganz eigenen One Week Azubi-Experience kommen. Eine solche Community-Arbeit ist zeitintensiv und für viele Unternehmen schlichtweg unrentabel, bzw. beschränkt sich oft auf wenige Schulen im Umkreis.
Auch was das Online-Marketing angeht, tun sich viele Unternehmen schwer, die richtigen Kanäle und den richtigen Ton zu treffen, mit denen man Jugendliche erreicht. Wir gehen möglichst viele Wege: online erreichen wir monatlich über 240.000 Interessierte, über unsere Offline-Kanäle sind es ca. 7.000. Außerdem sind wir über WhatApp und Telefon im stetigen Kontakt mit den Ausbildungsinteressierten.
saatkorn.: Wie funktioniert One Week Azubi?
Im Grunde ganz einfach: wir stellen in einem ersten Schritt die SEO-optimierten One Week Azubi-Ausschreibung unserer Partnerunternehmen auf unserer Webseite online. Darin beschreiben wir die Ausbildungsberufe und Unternehmen, in welchen Experiences durchgeführt werden können. Hier sind die Experience-Ausschreibungen zu finden: Diese Ausschreibungen bewerben wir über unsere Online- und Offline-Kanäle. Letztere bestehen vor allem aus unseren Schul- und Bildungspartner-Netzwerken. Um den Marketing-Effekt zu verstärken, drehen wir für Unternehmen auch One Minute Azubi-Videos, in denen die gastgebenden Azubis ihre Ausbildung sowie ihren Ausbildungsbetrieb vorstellen. Dabei wird auch ein Einblick in die Azubi-Tätigkeiten gegeben.
In einem zweiten Schritt sichten und selektieren wir die eingehenden Bewerbungen. Das machen wir auf Grundlage der Kriterien, die von unseren Partnerunternehmen festgelegt werden. Passenden Bewerbungen schicken wir dann den Unternehmen zu, damit diese selbst entscheiden können, ob sie die*den Bewerber*in während einer One Week Azubi-Experience näher kennenlernen möchten.
Am Ende steht dann die Experience im Unternehmen an sowie unsere Analyse, ob die*der Teilnehmer*in ins Unternehmen passt. Zu passenden Kandidat*innen halten wir dann den Kontakt.
saatkorn.: Wie eurem Blog entnommen werden kann, organisiert ihr auch eigene Veranstaltungen und haltet seit neuestem sogar Vorträge. Was sind eure Kernthemen und kann man euch einfach buchen?
Das ist richtig. Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viele Erfahrungen gesammelt und sind in der Bildungslandschaft sehr gut vernetzt. So arbeiten wir mit 70 Bildungsträgern sowie der Bundesagentur für Arbeit zusammen. Wir selbst bringen bei unseren zweimonatlichen Get Togethern verschiedene Akteure der Bildungslandschaft bei uns im Büro zusammen. Bisher waren das Lehrer, Mitarbeitende der IHKs, Arbeitsagenturen und Bildungsträger. Im August werden wir das erste Event für Personaler*innen veranstalten. Denn auch hier herrscht großer Bedarf an Netzwerken und Austausch. Unsere Events haben dabei einen sehr persönlichen und informellen Charakter, der Austausch sowie unsere Impulsvorträge sind immer sehr interaktiv und interessant – daher kommen die Teilnehmer auch immer wieder.
Was Vorträge auf anderen Veranstaltungen anbelangt so haben wir beschlossen, dass wir das ganze Wissen und die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, nun auch mit anderen teilen möchten. Das ist natürlich insbesondere für die HR-Welt interessant. Wir haben mittlerweile über 50 Schulworkshops á 90 Minuten durchgeführt und kennen die Jugendlichen recht gut. Auch haben wir viele Erfahrungen in der Ansprache von Schulabsolvent*innen, Jugendlichen im Übergangssystem sowie Studienzweiflern gesammelt. Bei letzterem kommt uns unser erstes Programm One Week Student zugute, welches ich 2012 als ehrenamtliche Studenteninitiative ins Leben gerufen habe und woraus letztendlich auch One Week Azubi entstanden ist. Durch One Week Student sind wir in über 500 Studiengängen an knapp 160 Hochschulen in Deutschland präsent und sprechen über dieses Netzwerk Studienzweifler an.
Grundsätzlich bieten wir Vorträge zu den Themen Azubi-Marketing und Azubi-Recruiting an. Themen, die bisher noch kaum beleuchtet wurden und zu welchen wir viel zu sagen haben sind insbesondere die Heterogenität der Zielgruppe „Ausbildungsinteressierte“ und die richtige Online- sowie Offline-Ansprache dieser Kandidat*innen. Dieses Wissen teilen wir in unserer Veranstaltung „HR Experience X-Change“ am 27. August, zu welchem wir HR-ler einladen und bei der vor allem auch die Erfahrungen der verschiedenen Unternehmen geteilt werden. HIER können sich Personaler*innen kostenlos anmelden.
Ein zweites Thema, zu welchem wir letztens einen Vortrag gehalten haben, ist die Optimierung des Bewerbungsprozesses. HIER ist der Bericht über unseren Vortrag zu finden. Auch in diesem Bereich haben wir viele Erfahrungen gesammelt und testen kontinuierlich neue Bewerbungsmechanismen und -prozesse. Ein weiteres Thema, welches sehr spannend ist und welches wir in den kommenden Monaten durch die Befragung der Jugendlichen unserer Schul- und Multiplikatoren-Netzwerke erörtern wollen, sind die Kriterien, nach welchen Jugendliche sich für oder gegen eine Ausbildung entscheiden. Dabei wollen wir sowohl Marketing- als auch Recruiting-Tools unter die Lupe nehmen.
saatkorn.: One Week Experience möchte sowohl potentiellen Azubis als auch angehenden Studierenden helfen, die richtige Berufswahl zu treffen. Vielleicht kannst du nochmals einige Worte über euer erstes Programm »One Week Student« sagen.
Ja, klar. Unser operativer Fokus liegt momentan auf One Week Azubi, welches wir aktuell in zwölf Städten anbieten. Es gibt aber auch noch One Week Student. Dieses Programm läuft bereits automatisiert und deutschlandweit. Die Idee dahinter ist dieselbe: wir bringen Studieninteressierte und Studierende über unsere Plattform miteinander in Kontakt. Die Schüler*innen können Studierende ihres Wunschfachs und/oder ihrer Wunschhochschule finden und dann eine One Week Student-Experience machen – sprich eine Woche lang mit an die Uni gehen, den Alltag ihrer gastgebenden Studierenden miterleben und sogar bei diesen übernachten. Wie für Ausbildungsinteressierten ist die Experience auch für die Studieninteressierten kostenlos.
saatkorn.: Du bist nicht nur Geschäftsführerin von One Week Experience, sondern hattest auch ursprünglich die Idee. Wie kamst du darauf?
Die ganze Idee hat tatsächlich mit One Week Student angefangen. Ich habe im Bachelor Politik- und Verwaltungswissenschaften studiert. Erst während des Studiums habe ich gemerkt, dass mir Statistik und VWL mehr Spaß machten als Kurse wie Staats- und Demokratietheorien und dass ich gerne auch mehr technische und wirtschaftliche Fächer belegt hätte. Mein Studium wählte ich damals, weil ich dachte, dass dies die Voraussetzung sei, um in einer internationalen Organisation wie der EU oder UNO zu arbeiten – dass ich dafür hätte auch andere Fächer studieren können, war mir damals nicht bewusst. Ich wünschte mir damals, dass ich zuvor diesen Einblick gehabt hätte. Um diesen „Reality-Check“ anderen zu ermöglichen, gründete ich daher die studentische Initiative One Week Student. One Week Student kam so gut an, dass ich nach meinem Masterstudium entschied, ein Social Startup daraus zu machen: One Week Experience. Außerdem entschied ich mich ein zweites Programm (One Week Azubi) hinzuzugründen, um auch den Ausbildungsbereich abzudecken.
saatkorn.: Letzte Woche hast du einen Vlog mit HR Insights gelauncht. Was hat es damit auf sich?
Das Startup-Leben ist total spannend und ich lerne andauern interessante Personen kennen, von denen ich sehr viel lerne. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sowohl Gründer*innen als auch Personaler*innen einen großen Bedarf an Austausch und gegenseitigem Lernen haben. Auch ich habe diesen Bedarf und mittlerweile ein recht großes Netzwerk, von dem ich lerne. Deswegen hatte ich mir überlegt, dass ich mein Netzwerk gerne öffnen und die ganzen Erfahrungen, die ich mache bzw. vermittelt bekomme, teilen möchte. Aktuell befasse ich mich viel mit der HR-Welt und habe daher die Serie „HR Insights“ gestartet.
Da es mir viel mehr Spaß macht Videos zu drehen als Texte zu schreiben, habe ich mich für einen video log (Vlog) entschieden. Vor ein paar Wochen kam mir abends die Idee, am darauffolgenden Tag hatte ich zufällig einen Lunch-Termin mit Katharina von der MyToys Group und habe sie direkt mit meiner Idee überfallen. Ich wusste, dass sie eine coole Person ist, da ich Sie bereits bei der HR Failure (K)night erlebt hatte – und ich finde das Video ist echt gut geworden für einen ersten super spontanen Wurf. Hier ist mein Vlog mit dem Video zu finden.
Mittlerweile habe ich bereits zwei weitere HR Insights gedreht – eines mit Vivien von ALBA und eines mit Daniel von Siemens. Die nächsten HR Insight-Videos befinden sich auch schon in Planung und werden in den nächsten Wochen auf meinem Vlog veröffentlicht werden. Ich freue mich schon sehr darauf!
saatkorn.: Liebe Svanja, vielen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg mit der One week experience und Deinen anderen Aktivitäten!