MINT cool machen! – Ein Plädoyer für neue Darstellungsformen
MINT cool machen! – Ein Plädoyer für neue Darstellungsformen
Alle Welt redet in Deutschland – sobald es um Demographie, Fachkräftemangel und den Nachwuchs geht – über die sogenannten MINT Fächer. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik: alles Fächer, die vermeintlich eher „Nerd“-verdächtig sind, Frauen nicht gerade anziehen und in denen auf dem Arbeitsmarkt heute schon die Nachfrage größer als das Angebot ist. Was sich vermutlich in den nächsten Jahren noch deutlich verstärken wird. Vor Kurzem hat careerloft zusammen mit TEDx Berlin einen Wettbewerb gefahren, in dem sich careerloft Mitglieder für einen Talk auf der TEDx Berlin am 6. September bewerben konnten. Gewonnen hat Mai-Thi Nguyen-Kim mit ihrem Talk rund um die Frage, wie man Naturwissenschaften spannender darstellen kann.
Wie aber macht man das MINT Thema für SchülerInnen und Personen, die vielleicht mit MINT bislang nicht so viel anfangen konnten bereits in der Ansprache spannend? – MINT Initiativen gibt es wie Sand am Mehr. So manches wirkt allerdings wenig sexy aus Zielgruppensicht, beispielsweise hier:
oder hier:
Wohlgemerkt: es geht mir hier keineswegs um die eigentlichen Inhalte. Die finde ich (bin aber nicht Zielgruppe) größtenteils klasse. Es geht um Bild- und Textsprache, es geht um die Kanäle (nichts davon ist mobile optimiert) und die Ansprache an sich. Sollen Schüler das wirklich so im Jahr 2014 spannend finden? – Das Auge isst mit…
Einen für mich neuen, andersartigen Ansatz hat careerloft Fördermitglied Mai-Thi Nguyen-Kim gewählt. Sie studiert Chemie und tanzt in ihrer Freizeit in einer Hip Hop Gruppe und hat den TEDx Talk gewonnen. Ihre Sicht der Dinge: MINT sollte auch in der Kommunikation cool sein. – Mir spricht das aus der Seele. Versuchen wir doch auch gerade, mit blicksta das Thema Berufs- und Studienorientierung für SchülerInnen cool, modern und in der Ansprache zielgruppenkompatibel anzugehen. Es müsste doch eigentlich viel mehr solche Initiativen geben. Was sagt Mai-Thi Nguyen-Kim selbst dazu? – Hier das Interview, auf geht’s:
saatkorn.: Wie war es für Dich, beim TEDx Talk auf der Bühne zu stehen? Nervös gewesen?
Auf jeden Fall war ich nervös! Aber ein bisschen Adrenalin gehört dazu, sonst macht es keinen Spaß.
saatkorn.: Wie sind die Reaktionen auf Deinen Talk und Dein Musikvideo? – Hat sich seit dem 6. September irgendwas verändert?
Viele Leute kamen auf mich zu, ich habe viel positives Feedback bekommen. Am meisten freut es mich, wenn mir Leute sagen: “Du sprichst mir aus der Seele, Naturwissenschaften
sind so viel cooler als die Menschen denken – da muss man doch was machen!” Ich konnte dank TEDxBerlin einige interessante Leute kennen lernen, mit denen ich nun in Kontakt bin – wer weiß, vielleicht entsteht in Zukunft ja die eine oder andere coole Kollaboration.
saatkorn.: Du bist Doktorandin an der RWTH Aachen im Fach Chemie. Wie bist Du dahin gekommen? Hast Du Dich immer schon für Naturwissenschaften interessiert?
Mein Vater is Chemiker, da ist der Funke schon früh übergesprungen. Aber darüber hinaus – ist es nicht unfassbar, dass man Moleküle selbst bauen kann?! Die meisten sind
ja schon beeindruckt, wenn man selbst ein Brot gebacken hat – aber Chemiker schaffen Moleküle, Materie – aus Atomen!! Das ist doch einfach nur abgefahren. Ehrlich gesagt kann ich es gar nicht nachvollziehen, wie man sich nicht für Naturwissenschaften interessieren kann. Wir als Menschen können doch gar nicht so ignorant sein? Liegt es nicht in unserer Natur, neugierig zu sein? Ich bin davon überzeugt, dass sich die meisten Menschen für Naturwissenschaften interessieren würden, wenn man diese besser kommunizieren würde.
saatkorn.: Woher kommt Dein Sendungsbewusstsein? – Es könnte Dir ja theoretisch egal sein, ob Naturwissenschaften allgemein als „cool“ angesehen werden?!
Das Desinteresse und die Ignoranz gegenüber Naturwissenschaften, in einem so fortschrittlichen und gebildeten Land wie Deutschland, finde ich fast peinlich. Während
die französische Revolution selbstverständlich zur Allgemeinbildung gehört, zählen die drei Gesetze der Thermodynamik zu Freak-Wissen, das keiner verstehen muss. Das finde ich absurd. Den Leuten ist nicht bewusst, wie sehr Naturwissenschaften jeden Teil unseres Lebens betreffen. Heute machen wir uns Sorgen über Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung, verschwindende Energieresourcen, Krankheitsepidemien – falls wir jemals nachhaltige Lösungen für diese Probleme finden sollten, dann wird es dank Wissenschaft und Forschung sein. Ein allgemeines Grundinteresse an Naturwissenschaften wäre daher extrem wichtig. Wie Molly DeWolf Swenson in ihrem fantastischen TEDxBerlin Talk sagte: “Make what’s important interesting.” Naturwissenschaften cooler zu machen ist meiner Meinung notwendig um vor allem junge Menschen für Naturwissenschaften zu interessieren, die die zukünftigen Wissenschaftler und Forscher werden könnten.
saatkorn.: Glaubst Du, dass Du mit Deiner Hip Hop Begeisterung und Deinem Sendungsbewusstsein eine „besondere“ MINTlerin bist, oder kennst Du noch mehr so Testimonials wie Dich?
Es ist sicherlich keine gängige Kombi, aber fast die ganze Campus Dance Crew besteht aus MINTlerinnen! Die Campus Dance Crew ist die Hip Hop Auftrittsgruppe der RWTH Aachen, bei der ich Mitglied bin. Wir haben zusammen das DANCING DRUG DELIVERY Video auf die Beine gestellt. Die heutige Generation von Naturwissenschaftlern ist viel cooler als die meisten wissen.
Leider gibt es nur noch nicht so viele, die damit in der Öffentlichkeit für uns werben. Ich hoffe, das ändert sich, ich versuche dazu beizutragen.
saatkorn.: Es gibt ja MINT Initiativen ohne Ende. Für mich als BWLer sehen die meisten davon schon auf Anhieb absolut langweilig und bieder aus. Bislang habe ich immer gedacht, dass Naturwissenschaftler halt eher nicht so auf die Verpackung von Botschaften achten. Stimmt aber nicht, oder?
Naja, sagen wir so, wir Naturwissenschaftler fallen nicht auf die Verpackung rein. Man kann uns nicht wirklich mit schönen Bildern und Buzzwords locken, es ist der Inhalt, der mit Logik und Fakten überzeugt – oder eben nicht. Der typische Naturwissenschaftler ist in fast jeder Lebenslage logisch, pragmatisch und lösungsorientiert. Alles andere interessiert uns in der Tat nicht besonders. Das Problem ist, dass viele MINT Initiativen nicht verstanden haben, dass sie nicht Naturwissenschaftler überzeugen sollen (wir sind ja schon überzeugt!), sondern möglichst viele Menschen. Während alle anderen Bereiche in Marketing investieren, können die Naturwissenschaften meist nur diejenigen gewinnen, die es von selbst schaffen, hinter die oft langweilige Fassade zu blicken. Meiner Meinung nach hat Science Marketing noch einiges aufzuholen.
saatkorn.: Wie soll es nach der Uni für Dich weiter gehen?
Ich lasse es auf mich zukommen, ich habe noch etwa ein Jahr Zeit, bis meine Doktorarbeit abgeschlossen sein wird. Diese Zeit wird sicher wieder sehr schnell vergehen, aber momentan beschäftige ich mich lieber erstmal mit meiner Doktorarbeit als mit Zukunftsplänen.
saatkorn.: Mai-Thi, vielen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg sowohl im akademischen wie tänzerischen Bereich!
An alle MINTler da draussen mein Appell: wenn Ihr kommunikativ so oder ähnlich mit Euren Themen unterwegs seid: meldet Euch bitte bei mir, ich würde gern auf saatkorn. weitere ähnliche Beispiele wie das von Mai-Thi vorstellen!
Den Beitrag und die Beispiele finde ich super. Die Ymsetzung hängt oft von der Motivation Einzelner ab. Auf dem Ausbildungsblog Chemie Azubi wollen wir die Branche und Berufe spannender machen. Wir freuen uns über jedes Feedback, um besser zu werden. TG