Metaverse: Durch Company Loyalty zur Love Brand

Company Loyalty: Durch das Metaverse zur Love Brand von Morgen

Was heute das schön designte Büro mit Espressomaschine und Tischkicker ist, wird in Zukunft die Qualität der digitalen Infrastruktur und seiner digitalen Räume sein.

Im vierten Teil der SAATKORN Metaverse-Serie in Kooperation mit Demodern ist Kristian Kerkhoff, Managing Partner and Creative Director bei Demodern, mein Gesprächspartner. Auf geht’s: 

SAATKORN: Welche Bedeutung hat das Metaverse, insbesondere für Branding? Wie wird ein Unternehmen dadurch zur Love Brand?

Die sogenannten Love Brands sind häufig Marken, die Menschen noch aus der Kinder- oder Jugendzeit kennen – die also einen Nostalgiefaktor, Vertrautheit und dadurch eine Art emotionale Sicherheit bieten. Oder beliebte Produkte wie die von Apple, die einen großen Einfluss auf die aktuelle Popkultur haben. Dabei führen iPhones noch nicht einmal die Vergleichslisten der besten Handys an – dennoch sorgen sie für die längsten Schlangen vor den Kassen, wenn neue Versionen auf den Markt kommen. Eine Love Brand zu sein ist weniger auf rationale Punkte zurückzuführen als vielmehr auf rein emotionale Faktoren für die jeweilige Zielgruppe.

Hinzu kommt, dass bei Love Brands oft zwei Dinge zusammenkommen: zum einen stechen sie im Markt heraus, weil sie etwas anders machen als andere, also ein Alleinstellungsmerkmal haben und es schaffen, bei ihrer  Zielgruppe zu einer Art Standard zu werden. Dass ein Hersteller eines Fidget-Spinners (im Forbes-Magazin Ende 2016 als „Must-Have Office Toy For 2017“ bezeichnet) noch zu einer Love Brand wird ist hingegen eher unwahrscheinlich, weil das Produkt viel zu kurz am Markt war und es viele Hersteller mit ähnlichen Produkten gibt  Die Marke LEGO, mit ihren ikonischen Bausteinen, die seit Jahrzehnten in den Kinderzimmern präsent geblieben sind, hingegen schon.

Dass LEGO als Marke relevant bleibt, liegt aber nicht daran, dass das Unternehmen seine Produkte seit Jahrzehnten gleich lässt. Im Gegenteil: LEGO geht immer mit der Zeit und somit auch mit der Popkultur. Heutzutage gibt es LEGO-Computerspiele, TV-Shows, Hollywoodfilme, Kooperationen mit anderen begehrten Marken wie z. B. Marvel, eigene Freizeitparks und vieles mehr.  Und als wäre das nicht schon genug, sammelte das Unternehmen zusammen mit SONY (ebenfalls eine Love Brand) unglaubliche 2 Milliarden Dollar, um diese in den Ausbau einer Metaverse-Plattform zu stecken, die sie zusammen mit EPIC (ebenfalls eine Love Brand) aufbauen möchten.

Diese Marken haben alle erkannt, dass es nicht um die Käufer:innen von gestern oder heute geht, sondern um die von morgen – die Gen Z und die jüngere Generation Alpha.  95% von denen besitzen ein Smartphone, 81% davon spielen aktiv Computerspiele, 70% der Gen Z sagt, dass Gaming für sie bedeutet, mit ihren Freund:innen in Kontakt zu bleiben und bereits 75% von ihnen geben bereits echtes Geld für digitale Produkte wie Sneaker aus.

Angesichts dieser Zahlen frage ich daher mal anders herum: wer glaubt denn wirklich noch, dass digitale Welten wie die des Metaverse für das positive Branding eines Unternehmens keine Bedeutung haben werden?

SAATKORN: Inwiefern kann das Metaverse ein Game Changer im Brand Building werden?

DAS Metaverse gibt es gar nicht – es ist weder jetzt noch in Zukunft eine einzelne Plattform, bei der wir alle angemeldet sind, sondern vielmehr eine vernetzte Welt voller unterschiedlicher Metaverse-Anwendungen. Diese werden alle räumlich-digitale Use-Case abbilden – sei es im B2C, B2B oder auch in der Kommunikation innerhalb eines Unternehmens. Da die aktuellen und nachfolgenden Generationen alle eine hohe Digital-Kompetenz mitbringen, ist es unerlässlich, dass Firmen und Marken sich in diesen Welten sicher bewegen und den doch eher volatilen Zielgruppen kontinuierliche Anreize bieten. Eine schlechte technische Ausstattung ist heute schon für viele ein Grund dafür, sich in einem Unternehmen nicht länger beschäftigen zu lassen.

Hinzu kommt, dass sich die Arbeitswelt komplett verändert: sie wird immer dynamischer, globaler und vernetzter – die Orte, an denen man arbeitet, werden flexibler und die demographische Alters-Pyramide dreht sich auf den Kopf. Das heißt, dass gerade in Deutschland nur wenige Fachkräfte auf den Markt kommen, um die sich jeder reißen wird.

Hier bietet sich eine große Chance für Unternehmen mit einer soliden und zukunftsweisenden Digital-Strategie, zu der auch eine Haltung bzw. Aktivitäten in der räumlich-digitalen Kommunikation gehören, sich in Szene zu setzen und einen Namen zu machen.

Vielleicht kann man diese Entwicklung mit den Anfängen von Social-Media vergleichen. Heute kommt keine Firma ohne aktive Kommunikation aus, aber es gab mal einen Punkt wo der erste Account eröffnet wurde, wo der erste Tweet abgesetzt wurde und es noch keine x-tausend Follower gab. Man darf nicht aufgeben, denn der digitale Wandel setzt sich langfristig durch. Keine Fluggesellschaft kommt heute ohne E-Ticket aus, es gibt kein Produkt, das nicht online gekauft werden kann, es gibt keine HR-Abteilung, die ohne Software auskommt. Und wenn man rückwirkend mal die Abteilungen fragen würde, ob sie lieber später in eine Digitalstrategie investiert hätten oder doch lieber früher aktiv geworden wären, dann wird einem klar, dass jetzt der Zeitpunkt ist, die Weichen auch für eine räumliche-digitale Kommunikation zu stellen. Nur so kann man zum begehrten Vorreiter werden und gehört nicht zu denen, die dem Trend nur hinterherlaufen.

SAATKORN: Welche konkreten Beispiele gibt es bereits für  Employer-Branding-Ansätze im Metaverse?

Da sehe ich derzeit folgende vier Felder:

1. Unternehmenspräsentationen

In Deutschland gibt es sehr viele Firmen, die weltweit zu den wichtigsten Herstellern von Produkten gehören. Ein Besuch der Webseite oder der Infotag am Firmen-Hauptsitz auf dem Ländle kann diese oftmals großen und komplexen Unternehmen nur unzureichend darstellen. Hier gibt es bereits erste Beispiele, die ihre Arbeitsorte über VR-Brillen und virtuelle Räume erlebbar machen. Gerade bei Firmen, deren Produktionsstätten oftmals schwer zu besuchen sind, wie solche mit Produktionsstandorten im Ausland, haben virtuelle Rundgänge einen klaren Vorteil. Das gilt natürlich auch für Unternehmen, die aus Sicherheitsgründen keine Besuchergruppen durch die Fertigungsstraßen gehen lassen können.

Man darf aber auch nicht unterschätzen, dass gerade hinsichtlich der Ansprache junger Zielgruppen eine attraktive virtuelle Präsenz viel über ein Unternehmen verrät. Die Botschaften lauten: a.) es ist digital affin – b.) es versteht das Kommunikationsverhalten junger Bewerber.innen und c.) es setzt sich damit ausdrücklich vom Wettbewerb ab.

Uns erreichen aber auch schon Anfragen, bei denen Unternehmen gerne einen räumlich-digitalen Firmenstandort hätten, da sie feststellen, dass es für die vielen unterschiedlichen Abteilungen und angeschlossenen Schwesterfirmen identifikationsstiftend sein könnte – von Kostengesichtspunkten und Themen wie Nachhaltigkeit durch weniger Reisen ganz zu schweigen. Gerade Firmen, die im Rahmen von M&A auf der Suche nach neuen Säulen in der Unternehmenskultur sind, kann ein solcher digitaler Standort schneller aufgebaut werden, als die neue Firmenzentrale, in die alle Firmen und Abteilungen hinziehen müssen.

2. Recruiting-Events

Gerade im Bereich von Recruiting-Events existieren bereits viele virtuelle Beispiele. Mit solchen Veranstaltungen können Firmen sich nicht nur sehr digital-affin und modern präsentieren, sie können damit auch Kosten sparen, da nicht alle Interessenten und Bewerber:innen zu einem Gespräch oder Treffen an den Unternehmensstandort eingeladen werden und reisen müssen.

Wenn solche Events in digitalen Welten stattfinden, kann man zudem interessante Daten sammeln, die einem später helfen, die richtigen Personen für sich zu finden. Wie lange ein Interessent sich z. B. in den Räumen aufgehalten hat, für welche Themen er oder sie sich interessiert – all das kann über ein Tracking und das Sammeln von Nutzer:innen-Verhalten ausgewertet werden.

3. Kollaborationen für Remote Teams

Seit der Corona-Phase sind immer mehr Firmen dazu übergegangen, Prozesse digital abzubilden. In einigen Unternehmen wurden ganze Teams global aufgestellt. Das spart mitunter Kosten und führt Leute mit gleichen Inhalten zusammen – und zwar nicht nur die, die eh am gleichen Standort, auf der gleichen Etage sitzen. Doch wenn man globales Teamwork, flexible Arbeitswelten und Remote-Arbeit für Mitarbeiter:innen als Arbeitsplatz-Benefits bewirbt, muss man den Menschen natürlich auch die entsprechenden Arbeitsmittel an die Hand geben. Hier helfen virtuelle Räume dabei, Teams und Mitarbeitende besser miteinander zu verbinden und ihnen den Ort und Treffpunkt zu geben, den sie physikalisch nicht haben oder nutzen.

Viele bemängeln ja an Video Calls, dass sie nur Anlass- und Terminbezogen funktionieren, der zufällige Austausch, das Gespräch an der Kaffeemaschine oder das spontane Zurufen über mehrere Tische hinweg jedoch funktioniere damit nicht. Das ist aber genau die Lücke, die der virtuelle Raum mit Avataren schließen kann. Über die “Spatial-Audio“-Funktion  kann man beispielsweise mit einer Person sprechen, sobald man sich in ihrer Nähe befindet. Wenn also Avatare an der Kaffeemaschine stehen, könnte das signalisieren, dass diese Personen offen für einen kleinen Chat sind. Oder wenn sich welche in einem Projekt-Arbeitszimmer aufhalten, kann man dazu kommen, wenn das Projekt für einen relevant ist, und mitarbeiten.

Hier offenbart sich ein weiterer Vorteil der digitalen Welt, den Unternehmen bereits mit ihren Lösungen nutzen: Themenbezogene virtuelle Arbeitsräume können beliebig skaliert und auch gespeichert werden. Sie sind persistent. Ähnlich wie auf “Slack”, wo angelegte Projekt-Channels nicht geschlossen werden müssen und so langfristig zu einem Wissensarchiv werden, können auch virtuelle Räume bleiben, wie sie sind und jederzeit weiter genutzt werden. Dass man also nach einem Workshop Post-its abnehmen, das Whiteboard fotografieren und danach aufwendig abtippen sowie wieder reinigen muss, bleibt nur noch ein Nachteil der physikalischen Räume.

4. Fortbildung über digitale Tools

Das größte Potential des Metaverse für HR ist sicherlich das für Fortbildungen und Trainings. Bestehende LMS sind leider nur mit einfachster Interaktionslogik bestückt und persönliche Trainings sind zeit- und kostenaufwendig. Hier haben Unternehmen die besten Chancen, sich mit modernen Lösungen positiv hervorzuheben. Nicht nur fürs Employer Branding, sondern auch für eine Qualitätssteigerung der Arbeit. Die bekannteste Form der virtuellen Schulung ist eine, die es schon seit Jahrzehnten gibt: der Flugsimulator. Unterschiedliche Szenarien können hier pausenlos per Knopfdruck wiederholt werden, ohne dabei Kerosin zu vergeuden oder ein Sicherheitsrisiko darzustellen. Heute kann durch VR jedes Unternehmen seinen “Flugsimulator” haben. Das gilt nicht nur für Produktionsprozesse und Trainings an Maschinen. Zudem kann VR heute auch sehr gut dazu genutzt werden, Mitarbeiter:innen in Gesprächsführung, Verhandlungen und stressigen Konflikt-Situationen zu schulen.

SAATKORN: Werden sich dadurch auch Unternehmenskulturen verändern?

Davon bin ich überzeugt. Dass einige Firmen derzeit wieder teilweise die Leute zurück ins Büro holen, hat lediglich den Grund, dass es in diesen Firmen keine etablierten, digitalen Arbeitsprozesse gibt. So entsteht die vermeintliche Logik, dass digitale Lösungen den Vor-Ort-Prozessen nicht das Wasser reichen können. Aber ich halte das für eine Übergangs-Erscheinung. In einer Zeit von Facharbeiter:innen-Mangel, wo man Talente aus der ganzen Welt rekrutieren muss, wo auch Kund:innen- und Kooperationspartner:innen nicht aus der gleichen Stadt kommen, oder wo es trotz mehrerer Büros dennoch nur eine HR-Abteilung oder Unternehmensleitung gibt, die zentral und global arbeitet, muss man digitale Lösungen finden. Zumindest wenn man nicht andauernd damit beschäftigt sein will, von Standort zu Standort zu reisen. Hier werden die Firmen erfolgreich sein, die es schaffen, die optimalen Prozesse für sich zu finden oder mit den besten Lösungen zu arbeiten. Und man darf ja auch nicht vergessen, dass die Mitarbeitenden von morgen diejenigen sind, die mit TikTok, Computerspielen und Emojis groß geworden sind. Die Talente dieser Generation kann man nicht an einen alten Desktop-PC setzen und sie mit der aus 2008 eingekauften Software arbeiten lassen. Was heute das schön designte Büro mit Espressomaschine und Tischkicker ist, wird in Zukunft die Qualität der digitalen Infrastruktur und ihrer digitalen Räume sein.

SAATKORN: Nicht nur Recruiting, sondern auch Retention spielt heutzutage eine gewichtige Rolle. Inwiefern kann das Metaverse die Mitarbeitenden-Bindung verbessern?

Die größte Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen entsteht, wenn ihnen klar ist, dass sie aktuell an einem hoch qualitativen Arbeitsplatz beschäftigt sind und jeder Wechsel ggf. eine Verschlechterung darstellen könnte. Gerade mit modernen digitalen Lösungen kann man aktuell einen großen Unterschied zum Wettbewerb machen. Jedes Unternehmen, das hier investiert, hat auf Jahre hinaus einen Vorsprung, weil es auch lernen kann, wie die Arbeitsprozesse durch digitale Lösungen verbessert werden können. Es geht dabei nicht immer nur um die einzelnen Mitarbeiter:innen, sondern auch um Daten, die gesammelt und ausgewertet werden können. Wenn in einem Unternehmen zum Beispiel festgestellt wird, dass wenig bis kaum Meetings an einem Freitag stattfinden, könnte man darüber nachdenken, dass die Belegschaft Freitags komplett im Home Office arbeiten kann oder Überstundenausgleiche proaktiv angeboten bekommt.

Ein Metaverse darf man sich zudem nicht wie eine statische Website vorstellen. Viele Inhalte kommen von den Nutzer:innen und Teilnehmer:innen dieser Räume selbst. Hier kann also etwas von der Belegschaft gemeinsam geschaffen werden. Kompetenzräume, Fortbildungen, soziale Aktivitäten – je mehr sich Menschen einbringen können und die Kultur mitprägen, desto höher wird auch deren Identifikation mit der Sache sein.

Ein weiterer Aspekt, der meiner Ansicht nach große Wirkung erzielen wird, ist der, dass man über virtuelle Treffpunkte mehr vom Unternehmen kennenlernen wird, als wenn man jeden Tag ins gleiche Büro kommt und dort auf dieselben Leute trifft. Unternehmen können auf diesen Plattformen die Mitarbeitenden verschiedenster Abteilungen und Orte zueinander bringen. So können sich Interessengruppen bilden und ein eigens motivierter Austausch stattfinden.

Natürlich passiert so etwas nicht von heute auf morgen und es braucht auch viel Engagement seitens der Unternehmensleitung, aber auch der Belegschaft. Dennoch liegt darin ein riesiges Potential, dass die Arbeitswelt revolutionieren und den Employer-Love-Brand von morgen prägen wird.

SAATKORN: Herzlichen Dank für das Interview, lieber Kristian!

 

Hier geht’s zu den bisherigen Teilen der METAVERSE-Serie:

Teil 1 der SAATKORN Metaverse Serie gibt es HIER.

Teil 2 der SAATKORN Metaverse Serie gibt es HIER.

Teil 3 der SAATKORN Metaverse Serie gibt es HIER.

 

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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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