Kopf hoch – Brust raus, HR! – Mut statt Demut ist angesagt!
Kopf hoch – Brust raus, HR! – Mut statt Demut ist angesagt
Ein saatkorn.-Gastbeitrag von Kristen Herde – Gründerin und Geschäftsführerin von YeaHR!
Wenn es gilt, strategische Unternehmensziele zu erreichen, ist es heute längst eine schiere Selbstverständlichkeit, dass unternehmensweit sämtliche Kompetenzen gebündelt und als ineinander greifende Zahnräder genutzt werden – nur bei HR-Themen ist das nicht der Fall. Im digitalen Zeitalter kann HR dann bestehen, wenn es sich mittelfristig selber die analytischen Fähigkeiten aneignet, die erforderlich sind, um strategische HR-Ziele datengetrieben und messbar zu erreichen und ab sofort beginnt, selbstbewusster als bislang Anforderungen an interne Enabler zu stellen. Also, Kopf hoch, Brust raus, HR! Mut statt Demut ist angesagt!
Erreichung strategischer Unternehmensziele – ein fiktives Beispiel
Um das Dilemma von Personalabteilungen im digitalen Zeitalter zu verdeutlichen, möchte ich Sie fiktiv in eine Abteilung eines typischen Unternehmens mitnehmen: die Vertriebsabteilung eines Telco-Unternehmens. Ein typisches Szenario dort sieht so aus: Ehrgeizige Vertriebsziele treffen auf einen gesättigten Markt. Neue Produkte und Services müssen also her, um dem Wettbewerb Kunden abzujagen und zusätzliche Marktanteile zu erobern.
Die Research-Abteilung hat herausgefunden, dass Kunden sich vermehrt Streamingdienste wünschen und auch bereit wären, bei einem attraktiven Angebot den Anbieter zu wechseln. Also was ist zu tun? Es wird ein Business Case mit Hilfe der Finanzkollegen errechnet und gemeinsam mit dem Produktmanagement ein Servicepaket geschnürt. Die IT richtet die entsprechende Buchung des Paketes auf allen Plattformen ein, die Marketingabteilung läuft zu Höchstform auf und produziert Microsites, Virals und TV Spots, der Vertrieb verkauft nach Kräften und auch die Customer Service Agenten werden auf den Service geschult.
Kurzum: Unter Nutzung aller Fachkompetenzen wird eine unternehmensweite Maschinerie in Gang gesetzt, um die strategischen Ziele höherer Umsätze und zusätzlicher Marktanteile zu erreichen.
Warum erwarten dann alle von HR, strategische Unternehmensziele alleine zu lösen?
Solche integrierten, datengetriebenen und unternehmensweite Prozesse sind im digitalen Zeitalter völlig normal? Stimmt – nur leider oft nicht bei Personalthemen. Von HR wird erwartet, dass strategische Themen wie Kulturwandel und Digitalisierung im Alleingang gelöst werden. Unterstützung aus anderen Fachabteilungen? Fehlanzeige!
Übertragen wir einmal den geschilderten Vertriebsprozess auf die Personalarbeit. Das ginge dann so: Ein Unternehmen hat Bedarf an mindestens 50 Fachkräften aus dem Bereich IT. Die Finanzabteilung errechnet zunächst einen Business Case, ob sich Insourcing oder Outsorcing eher lohnt. Mit der Marketingabteilung werden Personas entwickelt, die helfen, einen genauen Einblick in die zu rekrutierende Zielgruppe, ihre Bedürfnisse und Interessen zu erhalten. Basierend auf den Personas entwickelt die Mediaabteilung einen idealen Mediaplan und die Kollegen aus der Forschung und Entwicklung geben Empfehlungen für Kooperationen mit Universitäten und Fachhochschulen. Führungskräfte, das Recruiting-Team und die interne Kommunikation beginnen, die neuen Stellen intern wie extern zu kommunizieren, alle ziehen an einem Strang, die Pipeline füllt sich. So müsste es eigentlich bei HR-Themen laufen.
HR im Unternehmensverbund ist keine Fiktion – ein reales Beispiel
Ich stand selbst einmal vor der Herausforderung, über 1.000 Call Center Agenten in kürzester Zeit einstellen zu müssen. Alleine und ohne den Support anderer Abteilungen hätten wir diese Herausforderung niemals bewältigt. Für die Analyse der Candidate Journeys unserer Wettbewerber haben wir denselben Dienstleister genutzt, der auch unsere Customer Journeys – zum Beispiel durch Mystery Shopping – auswertete. Die Finanzabteilung hat einen Kollegen für zwei Tage pro Woche abgestellt, der die Zahlen unserer Recruitingbemühungen unter die Lupe nahm. Nur so konnten wir zum Beispiel herausfinden, dass wir einen bestimmten Menschenschlag immer in Woche 13 wieder verloren haben und konnten entsprechend gegensteuern.
Im Rahmen der Recruitingaktivitäten haben interne Experten für Lean Management gleichzeitig den Recruitingprozess von knapp 50 auf unter zehn Schritte reduziert. Die Sponsoringabteilung hat unter anderem Sportveranstaltungen angeboten, die für Recruitingzwecke genutzt werden konnten. Die Presseabteilung wiederum hat das Thema auf die Kommunikationsagenda gesetzt und die IT hat es möglich gemacht, dass wir Werbung für das Mitarbeiterempfehlungsprogramm auf die Gehaltsabrechnungen bekommen.
Zu guter Letzt haben der Außendienst und Vertrieb in Supermärkten nicht nur unsere Produkte angepriesen, sondern auch die offenen Stellen. So kann es laufen, wenn HR selbstbewusst die richtigen Fragen und konkrete Anforderungen an andere Fachabteilungen stellt.
HR muss selbstbewusst die richtigen Fragen stellen
Der Beitrag von HR in diesem Prozess war nicht die operative Analyse, der Research oder das Aufsetzen von komplizierten Formeln. Dafür gibt es Experten zum Beispiel aus SEO und SEA, die HR dringend im Personalmarketing braucht oder IT-Experten, die Recruitingplattformen mobilfähig und user-centric programmieren. Und warum nutzt HR nicht das Sales Know-how der Vertriebsabteilung, um Recruiter in verkaufsorientierter Gesprächsführung zu schulen?
HR muss seine Anforderungen kennen und verstehen, anschieben und auswerten können
Die Aufgabe von HR ist es, selbstbewusst die richtigen Fragen zu stellen, die Zahlen der Experten zu interpretieren und darauf basierend Vorschläge für die Personalarbeit zu machen. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass HR die entsprechenden Anforderungen kennt und versteht, diese anschiebt und schließlich auch auswerten kann. In der steuernden Rolle bleibt HR stets „Owner“ der strategischen Aufgaben, kümmert sich um Analyse, Tracking oder Projektmanagement. Und HR stellt letztendlich sicher, dass die neuen Mitarbeiter auch ongeboardet und Führungskräfte vorbereitet werden. Zudem muss auch dafür Sorge getragen werden, dass prozessual und logistisch alles rund läuft, denn 1.000 neue Kolleginnen und Kollegen wollen eine neue Arbeitsumgebung und modernste Ausstattung vorfinden.
Vom Beifahrer- auf den Fahrersitz
HR kann durch diesen Weg von der häufig getriebenen Position des Beifahrers endlich auf dem Fahrersitz Platz nehmen. Dafür bedarf es Experten, die über kurz oder lang in den Personalabteilungen angesiedelt sein sollten. Bis es soweit ist, dass Analytics-Spezialisten, Vertriebsexperten, Data Scientists oder Agile Coaches in den HR-Abteilungen sitzen, ist HR auf das Know-how anderer Abteilungen des Unternehmens angewiesen.
Und wenn HR sich mehr als Anforderer an die verschiedenen Abteilungen versteht, die gemeinsam eine strategische Agenda umsetzen und diese Anforderungen auch mit Nachdruck und begründet in die Organisation geben, dann ist HR genauso wenig überflüssig wie der Vertrieb. Denn ohne Vertrieb kein Umsatz und ohne HR keine zufriedenen Mitarbeiter und keine geeigneten Kandidaten. Beides sind gleichberechtigte operative und strategische Unternehmensziele. Für HR besteht also nicht der geringste Anlass zur Demut, sondern im Gegenteil jede Berechtigung, mutig, selbstbewusst und auf Augenhöhe mit anderen Abteilungen im digitalisierten Unternehmen von heute zu agieren.
Kristen Herde ist Gründerin und Geschäftsführerin von YeaHR! Kristen verfügt über mehr als 15 Jahre HR-Erfahrung in namhaften Konzernen. YeaHR! ist spezialisiert auf die HR-Herausforderungen in der neuen digitalisierten Arbeitswelt – vom Employer Branding und Recruiting bis hin zu interner Kommunikation und Change in den digitalen Kanälen. Als junge HR-Agentur wurde YeaHR! im Rahmen der Human Resources Excellence Awards 2017 als Personalagentur des Jahres ausgezeichnet.