Den „Kompass Neue Arbeitswelt“ hatte ich letzte Woche schon einmal kurz mit einer Infografik vorgestellt. Nachdem die Studie von XING und Statista nun diese Woche offiziell in Berlin vorgestellt wurde und mir die Gesamtstudie vorliegt (DOWNLOAD HIER), habe ich einmal genauer nachgehakt – und zwar bei Marc-Sven Kopka von XING. Auf geht’s:
saatkorn.: Marc-Sven, bitte stell Dich doch den Saatkorn. LeserInnen kurz vor!
Ich verantworte bei XING die Kommunikationsthemen, konkret: PR, Corporate Marketing und Social Media. In meinem Team entwickeln wir zum Beispiel Ideen und Projekte wie spielraum, den New Work Award und eben jetzt die Studie „Kompass neue Arbeitswelt“.
saatkorn.: Wie seid Ihr auf die Idee zum „Kompass neue Arbeitswelt“ gekommen?
Die Arbeitswelt verändert sich derzeit radikal. Und wir stehen erst am Beginn dieser Veränderung. Wir können abwarten, was kommt und dann darauf reagieren. Wir glauben aber, dass wir versuchen sollten, die Veränderungen mitzugestalten. Die Chancen zu ergreifen. Zu versuchen, die Arbeitswelt der Zukunft für uns alle zu einer besseren zu machen. Deshalb war uns wichtig, in die Diskussion um die Zukunft der Arbeit die Stimmen und die Perspektive derjenigen zu Wort kommen zu lassen, die letztendlich unmittelbar von ihr betroffen sind: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.
saatkorn.: Nun steht XING mit dem was Ihr tut ja wie kaum ein anderes Unternehmen für die Ideen rund um „New Work“. Fühlt Ihr Euch mit Euren Überlegungen rund um neue Arbeitswelten durch die Studie bestätigt oder gibt es noch einen riesigen Handlungsbedarf für deutsche Unternehmen?
Die Studie zeigt, dass die Ideale des „New Work“ in vielen Unternehmen noch nicht angekommen sind – zum Beispiel in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, demokratische Strukturen statt starrer Hierarchien sowie Führung nach Ergebnissen statt Arbeitszeit.
saatkorn.: Wo liegen die größten Gaps zwischen Anspruch und Wirklichkeit? Was wollen Mitarbeiter, was die Unternehmen (noch) nicht erfüllen?
Was mich persönlich frappiert hat, ist die starre Hierarchieorientierung deutscher Unternehmen, die die Studie offenlegt. So sagen zwei von drei der Befragten (66 Prozent), dass bei internen Abstimmungen der offizielle Weg zwingend eingehalten werden muss und allenfalls bei Kleinigkeiten schon mal eine Ausnahme gemacht wird.
Ein anderes Thema ist die Flexibilität. Fast die Hälfte der Arbeitnehmer (45 Prozent) gibt an, dass der Arbeitgeber zeitliche Flexibilität auch über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erwartet. Umgekehrt ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild: Jeder zweite Arbeitnehmer (52 Prozent) sagt, dass er seine tägliche Arbeitszeit nicht frei gestalten kann, wenn er nur seine Wochenarbeitszeit erfüllt. Bei jedem Vierten (26 Prozent) räumt der Arbeitgeber sogar keinerlei Freiheiten ein, auf private Umstände schnell und flexibel zu reagieren.
Auch beim Thema Auszeiten sind wir längst nicht so weit, wie ich gedacht hätte. So konnte nur die Hälfte derjenigen, die eine längere Auszeit, zum Beispiel ein Sabbatical oder unbezahlten Urlaub, nehmen wollten, diese in vollem Umfang nehmen. 14 Prozent sagen sogar, dass ihr Arbeitgeber ihnen die Auszeit gar nicht gewährt hat.
Das zeigt: Es gibt noch viel zu tun.
saatkorn.: Müssen sich die Unternehmen perspektivisch überhaupt bewegen? Oder bleibt Work Life Balance für die meisten Arbeitnehmer einfach nur eine Wunschvorstellung?
Ich denke, sie werden sich bewegen müssen. Denn der entscheidende Faktor für den Erfolg im globalen Wettbewerb ist die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Und die schlummert in den Köpfen der Talente, vornehmlich der Wissensarbeiter. Die Studie zeigt, dass dieses Segment anspruchsvoller und progressiver ist als die anderen Befragten, was Arbeitsbedingungen und -organisation angeht. Um sie ans Unternehmen zu binden, sind Freiräume, Flexibilität und Atmosphäre wichtig. Und wie wollen wir im internationalen und weiter an Geschwindigkeit und Intensität zunehmenden Wettbewerb ohne sie bestehen?
saatkorn.: Und in welchen Themenfeldern sind die deutschen Unternehmen im Kontext „New Work“ schon gut unterwegs?
Ich fand erstaunlich, dass 9 Prozent sagen, die Belegschaft könne beim Thema Löhne und Gehälter mitentscheiden. Und beim Thema Arbeitszeiten sagt das fast jeder Dritte.
saatkorn.: Wie sieht es mit „New Work“ eigentlich bei XING selbst aus?
Wir machen eine ganze Menge. Ein besonders wichtiger Punkt ist uns allerdings das Thema Transparenz. Damit alle XING-Mitarbeiter immer á jour sind, haben wir uns noch aus den Start-up Zeiten das sogenannte „Company Meeting“ bewahrt – mit rund 700 Kollegen an diversen Standorten eine logistische Herausforderung. Einmal pro Woche trifft sich die ganze Firma in einem großen Versammlungsraum in Hamburg. Alle anderen Standorte – Barcelona, Wien, München, Aschaffenburg – sind zugeschaltet. Und es gibt ein Update über neue Produkte, Ideen, Entwicklungen.
Ein wichtiger Programmpunkt ist dabei unser „kununu-meter“. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen fragen wir nämlich nicht einmal im Jahr die Meinung der Mitarbeiter ab, sondern wöchentlich. Jeder erhält eine E-Mail um zu sagen, ob XING in der jeweiligen Woche ein guter Arbeitgeber war oder nicht. Dazu lassen sich anonym Kommentare abgeben. Der Vorstand stellt die Ergebnisse jede Woche vor der versammelten Mannschaft nicht nur vor, sondern nimmt zu den angesprochenen Themen Stellung. Das hilft, Probleme, Irritationen und Fragen zu klären beziehungsweise zu lösen.
saatkorn.: Letzte Frage: was sind die nächsten Ideen von XING? Nach „Spielraum“, dem „New Work Award“ und jetzt dem „Kompass neue Arbeitswelt“ ist die Erwartungshaltung ja recht hoch…
Wir werden uns konsequent weiter für die Ideale von „New Work“ einsetzen. Aktuell arbeiten wir an einer Idee, die wir „New Work Spaces“ nennen. Das sind lokale Veranstaltungen, in denen wir Diskussionsangebote rund um das Thema Zukunft der Arbeit machen. Denn je mehr Menschen sich bei dem Thema engagieren, desto besser.
saatkorn.: Vielen Dank, Marc-Sven. Und weiterhin viel Spaß und Erfolg bei XING!
Die Studie kann man HIER downloaden.