Karriereziele von Studierenden – Studie von Jobware und Hochschule Koblenz
Die Hochschule Koblenz hat gemeinsam mit dem Online-Stellenmarkt Jobware eine Studie zum Thema „Karriereziele von Studierenden“ initiiert und durchgeführt. Bei Durchsicht der Fragen zeigt sich bereits, dass die Studierenden sehr konkret und mit wenigen Ausweichmöglichkeiten im Antwortverhalten befragt wurden. So war eine Frage: Wozu bist Du in Bezug auf deine Karriere bereit? Mögliche Antworten waren u.a. : Ich bin bereit eine Fernbeziehung zu führen, auf 2 Jahre Urlaub, auf Kinder oder auf mein Hobby zu verzichten. saatkorn. sprach mit Prof. Dr. Christoph Beck (Hochschule Koblenz) und mit Dr. Wolfgang Achilles (Jobware). – Auf geht’s:
saatkorn.: Wie sind die Rahmendaten der Studie und ist sie repräsentativ?
saatkorn: Kommen wir zu den Ergebnissen und Erkenntnissen. Wie karriereorientiert sind denn nun die heutigen Studierenden?
Dr. Achilles: Zwei Drittel aller Studenten kann sich vorstellen, auf eine Karriere vollständig zu verzichten. Dies wird unterstrichen durch das Ergebnis, dass nur jeder 4. Student bereit wäre, für eine Verdoppelung des Gehaltes eine 60-Stunden-Woche in Kauf zu nehmen.
saatkorn.: Sie haben die anvisierten Karrierestufen -vom Spezialisten bis zum Vorstand- abgefragt. Wie hoch wollen die Studierenden denn nun hinaus?
Prof. Dr. Beck: Während fast ein Viertel (24,7 %) aller befragten angehenden Akademiker die berufliche Position als Spezialist anstrebt, visieren rund 60 Prozent der Probanden eine Position mit Mitarbeiterverantwortung an. Aber hierbei sind es „nur“ 19,8 Prozent der Befragten, die das Ziel Geschäftsführung bzw. Vorstand im Auge haben und 20 Prozent die eine Position als Hauptabteilungs- oder Abteilungsleiter anstreben. 21 Prozent sehen in der Tätigkeit als Gruppen-, Projekt- oder Teamleiter ihre Karriereziele erreicht.
saatkorn.: Gibt es hier signifikante Unterschiede bei den Studienrichtungen?
Dr. Achillles: Besonders motiviert scheinen die Wirtschaftswissenschaftler und Juristen. Hier strebt jeder Dritte in den Vorstand bzw. die Geschäftsführung. Unter den IT’lern und Naturwissenschaftlern wollen weniger als 10% diese Verantwortung übernehmen.
saatkorn.: Insbesondere mit Blick auf die Frauenquote scheint doch die Frage nach geschlechterspezifischen Unterschieden bei der Karriereorientierung von besonderem Interesse. Wie sieht es hier aus?
Prof. Dr. Beck: Während jeder vierte Mann eine Funktion im Vorstand bzw. der Geschäftsführung Stand heute ins Auge fasst, strebt nur jede sechste bis siebte junge Frau eine Position im obersten Management an. Die eindeutig von Jung-Akademikerinnen bevorzugte Zielposition liegt bei der Karrierestufe der Gruppen-, Projekt- oder Teamleitung. Für die Diskussion rund um die Frauenquote wäre es somit sehr hilfreich einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass Führungspositionen nicht erst auf Vorstandebene beginnen und somit diese Führungsebene vielleicht auch nicht der richtige bzw. der einzige Indikator sein sollte. Zweitens sollte man zur Kenntnis nehmen, dass die Karriereorientierung auch aus Sicht der Jung-Akademikerinnen sich nicht nach dem Motto „Höher-schneller-weiter“ ausrichtet.
saatkorn.: Traditionelle Karrieren setzen auch ein bestimmtes Maß von Wechselwilligkeit und Mobilität voraus, wie schätzen die Jung-Akademiker diesen Sachverhalt ein?
Dr. Achilles: Nur jeder fünfte Studierende ist bereit, für die Karriere eine Fernbeziehung in Kauf zu nehmen. Schon während des Studiums lebt jeder 3. Student und jede 2. Studentin in einer festen Bindung. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass 20% aller Studenten einen Umzug schon zum Zeitpunkt des Studiums kategorisch ausschließen. Für uns ist absehbar, dass sich dieser Wert mit jedem weiteren Lebensjahr deutlich erhöht.
saatkorn.: Und wie sieht der Nachwuchs die Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit?
Prof. Dr. Beck: Insgesamt würden 34,2 Prozent der Studierenden gerne in Teilzeit arbeiten. Dabei ist Teilzeit bei den Frauen deutlich beliebter als bei den Männern. Fast jede zweite Frau (46,1 Prozent) möchte gerne in Teilzeit arbeiten, während es bei den Männern „nur“ 23,4 Prozent sind. Dies bedeutet, dass unser Fachkräftemangel, bei dem wir immer wieder gerne die Demographiedaten heranziehen, wesentlich größer ausfällt als bisher prognostiziert, wenn mehr als ein Drittel der Jung-Akademiker in Teilzeit arbeiten möchte und wenn für fast jede zweite Jung-Akademikerinnen heute die Teilzeitbeschäftigung nahezu schon feststeht.
saatkorn.: Sie haben noch wesentlich mehr Fragen ausgewertet und Cross-Vergleiche durchgeführt, aber was hat Sie hinsichtlich der Karriereorientierung der Studierenden verwundert?
Prof. Dr. Beck: Verwundert ist glaube ich nicht der richtige Begriff, da wir hinsichtlich der Ergebnisse sehr offen waren. Überrascht hat uns sicherlich der extrem hohe Wunsch nach Teilzeit und Home-Office, insbesondere von einer Klientel, die nur wenige bis gar keine Erfahrung im beruflichen Alltag haben. Die Auswirkungen für das Thema Fachkräftemangel sind hierbei enorm, da sich die Frage stellt, ob durch diesen hohen Wunsch nach Teilzeit bei Berufsanfängern sich der Fachkräftemangel nicht noch verdoppelt oder sogar verdreifacht. Ferner ist sicherlich bemerkenswert, und dies zieht sich bei allen Antworten nahezu durch, dass der Familie der klassischen Karriereorientierung eindeutig der Vorrang gegeben wird. Karriere für die junge Generation trifft nicht mehr, es sind Lebenskonzepte die sie verfolgen werden und keine klassischen Karrierepfade. Wir sind uns aber wohl bewusst, dass die Antworten in einer späteren Lebensphase auch nochmal anders ausfallen können.
Dr. Achilles: Ein kleines Ergebnis am Rande der Befragung war, dass jeder 2. Studierende sich vorstellen kann, ganz auf Kinder zu verzichten – davon die Hälfte zugunsten der Karriere. Hier tragen wir als Unternehmen und Unternehmer eine sehr hohe Verantwortung für die Zukunft unseres Landes, indem wir für Vereinbarkeit Sorge tragen.
saatkorn.: Prof. Dr. Beck und Dr. Achilles, herzlichen Dank für das Interview. Und wir freuen uns schon auf weitere Studien und Beiträge von Ihnen!