Die gute alte Karriere-Website – hat sie angesichts von Social Media Plattformen ausgedient oder ist sie wichtiger denn je? – Welche neuen inhaltlichen Anforderungen gibt es für Karriere-Websites? Und nicht zuletzt: kann sich auch der Mittelstand eine gute Karriere-Website leisten oder ist das nur was für Großunternehmen? – Ich hatte Gelegenheit, mit meinem TERRITORY Embrace Kollegen Heiner Terstiege zu dem Thema zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Heiner, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Kurz wird schwierig Ich wühle ich mich seit zehn Jahren durch die Themen Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Seit dreieinhalb Jahren tue ich das bei TERRITORY Embrace als Head of Strategy & Client Development. Zugegeben: Der Titel ist ein wenig lang. Aber er bezeichnet auch zwei Funktionen. Zum einen leite ich bei Embrace die Abteilung, die Arbeitgeber analysiert, Arbeitgebermarken definiert und einen Fahrplan für das Unternehmen aufstellt, um die Arbeitgebermarke gegenüber Zielgruppen auch tatsächlich zu vermarkten. Zum anderen analysiere ich mit Kundenunternehmen noch umfassender ihre Situation im Personalmarketing, ihre Ziele und den besten Weg um ihre Ziele zu erreichen.
saatkorn.: In Kürze findet in Köln das erste #RCLab von TERRITORY Embrace statt, zum Thema Karriere-Websites. Warum ausgerechnet dieser Schwerpunkt?
Auch wenn die Formulierung abgedroschen ist: Die Karriere-Website ist (und bleibt) der Dreh- und Angelpunkt für alle Employer Branding-, Personalmarketing- und Recruiting-Aktivitäten. Es gibt keinen anderen Ort in der Kommunikationsarchitektur eines Arbeitsgeber, an dem er sich so umfassend und nach seinen eigenen Regeln darstellen kann. Zudem findet auf der Karriere-Website im Idealfall eine der wichtigsten Konversionen im Personalmarketing statt: Hier werden Interessierte zu Bewerbern gemacht. Diese besondere Bedeutung macht eine Karriere-Website auch zu einer besonderen Herausforderung: Emotion, Information und Funktionalität müssen hier in Einklang gebracht werden. Und das nicht selten für sehr heterogene Zielgruppen – vom Schüler in der Berufsorientierung bis zum IT-Professional mit mehreren Jahren Berufserfahrung. Viele Studien und Rankings geben mittlerweile einen Hinweis auf die „Verfassung“ von Karriere-Websites. Allerdings sind diese Studien auf einer Vielzahl von Kriterien aufgebaut, die ich gerne als Bruttosammlung bezeichne: Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass ich durch das Erfüllen aller Kriterien automatisch eine gute Karriere-Website baue. Was also tun? Hier will das #RCLab einen Beitrag zur Orientierung leisten.
saatkorn.: Welche Rolle spielt eine gute Karriere-Website im Personalmarketing-Instrumentarium im Jahr 2019 überhaupt noch? – angesichts all der anderen Plattformen wie Snapchat, facebook, Instagram könnte man doch mal langsam drauf verzichten, oder?
Ein wenig hat man es wahrscheinlich schon herausgehört: Ich bin der Überzeugung, dass jede Arbeitgeberkommunikation einen eigenen Heimathafen braucht, der darüber hinaus unabhängig von den Launen von Plattformanbietern oder User-Trends ist. Zudem ermöglichen Social-Media-Plattformen, zu denen wir im erweiterten Sinne auch Business-Netzwerke wie LinkedIn und Xing zählen können, nur bruchstückhafte Informationen. Ich denke Arbeitgeber fahren nach wie vor sehr gut, wenn sie ihre Karriere-Website als ihr Mutterschiff verstehen. Und alle externen Plattformen als Satelliten, die für Traffic auf der Karrierewebsite sorgen. Wem das als Argument nicht reicht: Keine der Social-Media-Plattformen hat sich bisher als Suchmaschine etablieren können – Facebook ist an dem Versuch kläglich gescheitert. Und Google? Hat immer noch einen Marktanteil von weit über 90 Prozent. Wer also den Markt an aktiv Jobsuchenden bedienen will, tut gut an einer ordentlich gemachten Karriere-Website, die mitsamt dem Stellenangebot über den Suchmaschinen-Marktführer auffindbar ist.
saatkorn.: Was macht eine gute Karriere-Website aus Deiner Sicht inhaltlich aus?
Hier habe ich eine einfache Antwort, die aber kompliziert ist Eine gute Karriere-Website deckt das Informationsbedürfnis der Zielgruppen des Arbeitgebers ab. Und hier fangen die Probleme schon an: Will ich meine Besucher wirklich in „Schüler“, „Studenten & Absolventen“ und „Berufserfahrene“ einteilen, wo ich doch weiß, dass ich einen berufserfahrenen Ingenieur nicht mit allgemeinem Bla-bla kommen kann? Wie viele Klicks mute ich einem IT-ler zu, der sich vielleicht nur erst einmal aus einer Laune heraus nach einem zähen Montagmorgen nach einem neuen Job umschaut? Letzten Endes muss ein Arbeitgeber vor allem eine Idee entwickeln, wie er seine Informationen arrangiert. Alles andere kann ein guter Redakteur mit ordentlichem Input aus dem Fachbereich lösen.
saatkorn.: Oft höre ich, dass eine gute Karriere-Website so teuer ist, dass sich eine solche nur Großunternehmen leisten können. Was denkst Du dazu?
Ich habe einmal gelernt: Eine Zahl kann ich nur dann als groß oder klein klassifizieren, wenn ich sie in Relation zu einer anderen Zahl setze. Ja: Viele Karriere-Websites wirken erst einmal teuer! Vielleicht sollten wir aber mal eine Formel zur Berechnung der Mehrkosten einer schlechten Karriere-Website mit Blick auf zusätzliche Ausgaben für Stellenanzeigen-Postings entwickeln. Jede Wette: Eine gute Karriere-Website – selbst wenn sie „teuer“ ist – spart Geld, weil sie Interessenten zu Bewerbern macht. A propos „Relation“: Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich die Kosten und die Effizienz einer Karriere-Website gegen den Aufwand und das Ergebnis eines Messe-Auftritts halte. Ich glaube, viele Menschen machen sich das gar nicht klar: Eine gute, SEO-optimierte Karriere-Website arbeitet für mich. Eine schlecht strukturierte Karriere-Website torpediert viele andere Personalmarketing-Anstrengungen, weil sie Interessierte vergrault. All diese Argumente helfen bei Budget-Diskussionen viel zu oft nicht weiter. In diesem Fall empfehle sinnvolles Sparen durch Fokussierung auf die wesentlichen Ziele: Welche Zielgruppen will ich erreichen? Welche Informationen sind hinreichend? Welche Funktionalitäten sind notwendig, welche reine Spielerei? Überspitzt gefragt: Will ein potenzieller Kandidat wirklich seine Entwicklungsmöglichkeiten auf der Website als interaktive Grafik durchklicken? Oftmals lassen sich hier Kostentreiber eliminieren.
saatkorn.: Zu guter Letzt: Wie kann man sicherstellen, dass auch genügend Traffic der relevanten Zielgruppe auf die Karriere-Website kommt?
Zuallererst gilt es, durch eine sinnvolle Struktur, gehaltvollen Content und ordentliche SEO-Optimierung den wichtigen Search-Traffic und damit den Markt der aktiv suchenden Kandidaten abzugreifen. Darüber hinaus bin ich ein Fan von Targeting und Performance Marketing. Dazu muss ich mit meiner Zielgruppe mit Blick auf soziodemographische Merkmale, Interessen und ihrem karriere-bezogenem und nicht-karriere-bezogenem Medienverhalten gut auskennen. Und ich muss wissen, wie ich sie ansprechen muss. Dann ist einiges möglich!
saatkorn.: Vielen Dank für das Interview Heiner. Und viel Spaß und Erfolg weiterhin mit dem Thema Karriere-Website!