ist employer branding nur etwas für großkonzerne?
ist employer branding nur etwas für großkonzerne?
in vielen diskussionen in der letzten zeit ist mir aufgefallen, dass es anscheinend eine weit verbreitete meinung über strategisches personalmarketing gibt, die besagt, dass dieses thema eher für großkonzerne (großkonzern hier einmal in anlehnung an als organisation mit > 10.000 mitarbeitern definiert) sei und für den mittelstand (größenordnung zwischen 500 und 2.500 mitarbeitern) eher nicht relevant ist.
auf den ersten blick gibt es drei zentrale argumente, die diese these stärken (und die man immer wieder hört):
1. kosten:
der „gemeine“ personaler denkt im kontext personalmarketing oft (noch immer) ziemlich traditionell. marketing = printanzeige. zielsetzung bei diesem gedankengang ist es, den „massenmarkt“ der absolventen (jaja, weibliche form stets mitdenken) auf das unternehmen x aufmerksam zu machen. und das kostet. unter 500 k ist bei diesem gedankengang nichts zu machen. und das ist – ich spreche aus eigener erfahrung – bei der idee „print und massenmarkt“ keine garantie, den massenmarkt dann auch wirklich zu erreichen.
2. # mitarbeiter und offene vakanzen pro jahr:
das zweite – und zumindest kurzfristig betrachtet bessere – totschlagargument gegen personalmarketing für den mittelstand sind aussagen, die sich auf die mitarbeiteranzahl des unternehmens, die geringe fluktuation und die sich daraus ergebenden kleinen rekrutierungszahlen beziehen. nach dem motto: „wir haben nur 1.000 mitarbeiter, die fluktuation liegt bei 5 %, das macht einen bedarf von 50 mitarbeitern im jahr“. gerade in kombination mit der oben angesprochenen kostenthematik entstehen dann schnell rechenmodelle wie folgt: ein „vernünftiges“ personalmarketingbudget inklusive printkampagne liegt bei mindestens 500k. das ergibt – ohne die direkten rekrutierungskosten – ja bereits eine cost per hire von 10.000 €. inklusive direkter rekrutierungskosten (personal-, such- und einarbeitungskosten) liegt man dann schnell beim doppelten. – unrealistisch!
3. regional begrenzte bekanntheit:
das dritte gern benutzte argument lautet: uns kennt ja außerhalb eines radius von 200 km eh kaum jemand. warum also personalmarketing, wenn wir ohnehin schon die argumente 1 und 2 haben?
meiner meinung nach sind alle drei angeführten argumente nicht richtig durchdacht und zu wenig differenziert. und vor allem: es ist oft unklar, was unter personalmarketing überhaupt zu verstehen ist. denn: die analogie von „personalmarketing = printkampagne für den massenmarkt“ stimmt einfach nicht (übrigens auch nicht für großkonzerne).
setzen wir folgendes verständnis von personalmarketing (frei nach wikipedia) voraus:
„personalmarketing wird als querschnittsfunktion verstanden, welche ziel(gruppen)-bezogen auf die instrumente und inhalte aller personalwirtschaftlichen funktionen zurückgreift und die integrative sicht über alle schnittstellen hinweg fördert. das primäre ziel des personalmarketings besteht in der schaffung von voraussetzungen zur langfristigen sicherung der versorgung einer unternehmung mit qualifizierten und motivierten mitarbeitern. personalmarketing richtet sich an vorhandene und potentielle mitarbeiter bzw. bewerber.“
basierend auf diesem verständnis von personalmarketing entstehen im hinblick auf die oben genannten „totschlag-argumente“ folgende mögliche argumentationsketten:
1. kosten:
bevor über maßnahmen und kosten nachgedacht wird, sollte man die zielgruppe(n) klar definieren. und erst danach überlegen, welche maßnahme mit welchem kostenaufwand für welche zielgruppe vertretbar ist. je nach branche, zielgruppe und unternehmen kann das internet mit social media ansätzen eine erheblich bessere plattform für personalmarketing-botschaften als print sein. dies ist genau zu eruieren. fest steht aber, dass über das internet mit erheblich weniger streuverlusten sehr zielgenaue kampagnen gefahren werden können. eine breite printkampagne für den massenmarkt der bwl-absolventen ist für den mittelstand in der regel budget-technisch sicher nicht darstellbar – das sieht allerdings mit einer facebook kampagne, die sich an eine sehr spezifische zielgruppe wendet oft ganz anders aus.
2. # mitarbeiter und offene vakanzen pro jahr:
personalmarketing ist kein kurzfristiges, sondern ein eher langfristiges thema. von daher ist es falsch, sich an kurzfristigen personalbedarfen zu orientieren. obwohl so ein denken vielfach noch sehr verbreitet ist, hat es mit der strategischen und zielgerichteten positionierung und dem langfristigen aufbau einer arbeitgebermarke nichts zu tun. statt als personaler nur reaktiv auf die anforderungen der fachbereiche zu reagieren, sollte eher proaktiv und langfristig daran gearbeitet werden, die talent-pipeline stets gut gefüllt zu haben. aufgrund der demographischen entwicklung ist es daher absolut sinnvoll, das eigene unternehmen in der jeweils relevanten zielgruppe langfristig als top arbeitgeber zu positionieren. und damit ist nicht nur gemeint, dass man bei „great place to work“ gut abschneidet. dies kann ein baustein sein – viel wichtiger ist aber, dass die eigenen mitarbeiter zu botschaftern für das eigene unternehmen werden. also ist internes personalmarketing im sinne von „employee branding“ relevant.
3. regional begrenzte bekanntheit:
was ist heute noch regional? – um gutes personal wird global gekämpft. meines erachtens kann man es sich dann nicht leisten, nur regional zu suchen oder ein lediglich regionales arbeitgeberimage aufzubauen. durch die vielfältigen und transparenten informationsangebote im internet ist es für bewerber schon längst möglich, sich über jedes unternehmen detailliert zu informieren. und warum sollte man sich als arbeitgeber lediglich auf die arbeitskräfte vor ort beschränken? – je nach zielgruppe mögen die regionalen präferenzen auch sehr unterschiedlich sein. und da es im web nahezu gleich teuer ist, ein informationsangebot für eine regionale oder eine globale zielgruppe zu erstellen, würde ich stets den weg mit der größeren anzahl an optionen wählen.
aufgrund der betrachtung dieser punkte meine ich, dass personalmarketing definitiv nicht nur ein thema für großkonzerne ist. mal schauen, wie das thema sich für den mittelstand entwickeln wird. es gibt bereits einige anbieter, die sich auf diesem markt tummeln – demnächst vielleicht mal eine meinung und erfahrungen aus anbieterperspektive an dieser stelle…
weiterlesen:
social media und die generation y
employer branding heute und in 5 jahren: interview mit dr. beckion y
Ich kann dem nur zustimmen. Es gibt ja auch inzwischen einige erfolgreiche Beispiele, die diese Sicht widerlegen.
Wir haben darüber ja auch schon mehrfach gebloggt (siehe z.B. http://blog.recrutainment.de/2009/10/27/employer-branding-von-mittelstandlern-chancen-durch-veranderte-anforderungen-der-zielgruppen/ oder http://blog.recrutainment.de/2009/07/07/webbasiertes-ausbildungsmarketing-fur-den-mittelstand-biesterfeld-berufsorientierung-uberarbeitet/).
Von daher geht es weniger um die Größe des Unternehmens, sondern um die konkrete kommunikativen Aufgaben und die dazu passenden (auch budgetär passenden) Lösungen.
Danke Jo für Deine Meinung! Bis bald, Gero