HAYS Fachkräfte-Index: Interview mit Florian Wagner
HAYS Fachkräfte-Index kühlt sich ab
Der HAYS Fachkräfte-Index kühlt sich derzeit ab. Was das für den Arbeitsmarkt und insbesondere für die Recruiting-Branche bedeutet, konnte ich im Interview mit HAYS Manager Florian Wagner besprechen. Mit für die Branche beruhigenden Erkenntnissen. Auf geht’s:
Florian Wagner im Interview
SAATKORN: Bitte stellen Sie sich den SAATKORN Leser:innen doch kurz vor.
Mein Name ist Florian Wagner und ich bin bei der Personalberatung Hays Senior Department Manager HR Interim & Projects. Wie meine inzwischen fast 70 KollegInnen, bin ich seit dem Start unserer eigenen HR-Einheit im Sommer 2020, täglich damit beschäftigt, Personalverantwortlichen bei ihren operativen und strategischen Herausforderungen zu helfen. Und das sowohl auf der Seite der Kandidaten als auch auf der Seite der Kunden. Speziell habe ich aktuell den Fokus auf projektbedingten Einsätzen von HR-Freelancern. Daneben sind wir aber auch im Bereich Direktvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung aktiv.
Was ist der HAYS Fachkräfte-Index?
SAATKORN: Wir sprechen heute über den HAYS Fachkräfte-Index. Wie wird dieser ermittelt?
Hays arbeitet für die regelmäßige Erhebung und Auswertung deutschlandweit ausgeschriebenen Fachkräfte-Positionen schon seit 2015 mit der Berliner Index Gruppe zusammen. Sie ist unser Kompetenzpartner, der uns quartalsweise die Daten für alle Stellen liefert, die branchenwert erhoben werden. Dazu zählen die klassischen Stellenanzeigen ebenso wie Ausschreibungen über große Jobportale wie Xing oder LinkedIn.
Abkühlung im dritten Quartal
SAATKORN: Nun liegen die Ergebnisse für das dritte Quartal vor. Was sind die Kernergebnisse aus Ihrer Sicht?
Die Nachfrage nach Fachkräften kühlt sich bereits seit einigen Monaten ab. In vielen Branchen sind Unternehmen aktuell zurückhaltender bei der Mitarbeitergewinnung und warten erst einmal ab, ob und wie sich die wirtschaftliche Lage stabilisieren wird.
Erstaunlich finde ich, dass sogar die Suche nach den ansonsten so heiß begehrten IT-Fachkräften eintrübt, ebenso natürlich mein Bereich, der HR-Fachkräfte. Auch hier ist die Nachfrage um 47 Prozentpunkte zum Vorquartal eingebrochen. Das bedeutet, dass im letzten Quartal rund 10 Prozent weniger HR-Stellen veröffentlich wurden als noch zu Beginn des Jahres. Warum? Wir gehen davon aus, dass aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten ein Teil dieser Suchanfragen gestoppt und nicht mehr besetzt wurden.
Den größten Einfluss auf das Ergebnis haben die RecruiterInnen. Sie sind weiterhin die am stärksten nachgefragten HR-Fachkräfte. Mit über 1.000 weniger ausgeschriebenen Positionen haben sie aber auch den stärksten Rückgang.
Grundsätzlich weiterhin positiver Trend
SAATKORN: Das sieht auf den ersten Blick sehr enttäuschend aus. Wie sieht es aber im Vergleich mit den jeweils dritten Quartalen 2019, 2020 und 2021 aus?
Vergleicht man diese Zeiträume, fällt auf, dass 2019 im Vor-Corona-Jahr die Nachfrage das komplette Jahr rückläufig war. Zwischen dem ersten und zweiten Quartal 2020 rauschte die Nachfrage dann um mehr als 50 Prozent in den Keller. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch zum ersten Mal weniger HR-Fachkräfte nachgefragt, verglichen mit der Ersterhebung im Jahr 2015. 2021 konnten wir dann nicht nur eine Erholung beobachten, sondern einen regelrechten Nachfrage-Boom. Dieser hat sich zwar aktuell abgekühlt, aber der grundsätzliche Trend hält weiterhin an.
Recruiting zu kurzfristig gedacht – auch für Recruiter:innen
SAATKORN: Besonders spannend ist der Rückgang bei HR-Fachkräften, insbesondere im Recruiting. Wie entwickeln sich die Zahlen hier?
Im Recruiting sowie auch im Bereich Employer Branding entspannt sich die Nachfrage. Bei den generalistisch angelegten HR-Berufsbildern wie dem Personalreferenten oder dem HR-Business Partner sehen wir allerdings eine gleichbleibend hohe Nachfrage. Bei den Recruitern erwarten wir wieder einen Anstieg der Nachfrage, sobald Unternehmen wieder mehr Planungssicherheit gewinnen.
Weiterhin Arbeitnehmer:innenmarkt
SAATKORN: Wie ist Ihre kurzfristige Prognose für das vierte Quartal?
Aufgrund der wirtschaftlichen Wirrungen und Sparkurse erwarten wir auch im vierten Quartal einen leichten Nachfragerückgang. Auf der Seite der Kandidaten wird es auch entsprechende Zurückhaltung beim Jobwechsel geben. Viele überlegen sich aktuell zweimal, ob sie den Job wechseln. Denn bedingt durch die wirtschaftliche Unsicherheit, könnte es ja sein, dass die neue Position ganz schnell wieder gestrichen wird.
Fazit: Für Bewerber ist der Markt weiterhin sehr gut, für Arbeitgeber bleibt es weiter eine Herausforderung. Interessant ist in diesem Zusammenhang die steigende Nachfrage nach HR Interim Managern, die kurzfristig verfügbar und sofort produktiv sind.
2023 wird sich der Fachkräftemangel weiter zuspitzen
SAATKORN: Und womit rechnen Sie für das Jahr 2023?
Der Fachkräftemangelwird sich in 2023 weiter zuspitzen. Es werden mehr Menschen in Rente gehen, das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz bleibt ein zahnloser Tiger, da es außer hohen Bürokratiehürden nicht am eigentlichen Problem ansetzen kann und die gezielte Ansprache sowie Entwicklung der Nachwuchskräfte geht zu langsam voran. HR Bereiche werden noch stärker in die Verantwortung kommen, ihrem Arbeitgeber Wettbewerbsvorteile zu sichern. Wie? Durch eine sinnvolle Kombination aus Gewinnen Binden und Weiterbilden fähiger Mitarbeitender.
SAATKORN: Ganz herzlichen Dank für das Interview!
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