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Haltung – SAATKORN Gastbeitrag von Frank Schabel

SAATKORN Kolumne FRANK SCHABEL ausländische Fachkräfte in Deutschland

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Haltung – Verantwortung oder Gesinnung?

Ein SAATKORN Gastbeitrag von Frank Schabel. Frank ist freiberuflicher Senior Advisor, Interim Manager mit den Schwerpunkten Corporate Communications, Marketing, Change und war lange bei Hays in führender Position tätig.

Haltung zeigen, ist mega-in: Überall in digitalen Medien, auf sozialen Plattformen schwappt uns Haltung entgegen. Meist direkt verbandelt mit political correctness. Denken wir beispielsweise an Diversity. Mittlerweile propagiert selbst der früher hartgesottene Macho gleiche Karrierechancen und gleiche Gehälter für Frauen. Das macht sich gut und wird vor allem in den eigenen Bubble freudig goutiert. Nehmen wir all die Haltung, die in den Schaufenstern von Social Media präsentiert wird, für bare Münze, muss uns um eine vielfältige und nachhaltige Gesellschaft nicht bange sein.

Nur sind wir davon noch weit entfernt und zudem stellt sich die Frage: Ist es der tiefe Wunsch nach einer besseren Welt, der den Hype um Haltung antreibt oder steckt noch anderes dahinter? Leider gehöre ich zu den Menschen, die Hochglanz nur bedingt trauen und eher auf das schauen, was sich hinter ihm verbirgt. Daher werfe ich drei Bälle ein, die Sie, geschätzte Leserin, geschätzter Leser, gerne weiterspielen oder aber ins Seitenaus kicken können.

Der erste Einwurf zielt auf eine alte Diskussion. Schon vor einigen Jahrzehnten hieß es bei Marshall McLuhan „das Medium ist die Botschaft“. Übertragen auf die Gegenwart: Haltung passt wie gemalt in die wunderbare Oberflächenwelt der Social Media, die den Narzissmus von Menschen vor ihren Karren spannen. Als Social Media laufen lernte, galt es, sich äußerlich in Pose zu setzen. Heute laufen wir auf einer anderen Rille, der inneren Pose. Jetzt wird Haltung plakatiert. Macht sich gut, trifft den Zeitgeist, zeigt Moral, rückt ins perfekte Licht und tut nicht weh. Haltung balanciert heute also zwischen ernsten Themen und narzisstischen Prägungen. Ein wahrlich schwieriger Spagat.

Für meinen zweiten Einwurf wechsle ich das Spielfeld und betrachte Haltung aus dem gesellschaftlichen Blickwinkel. Dass unsere heutige Gesellschaft atomisiert ist, wissen wir. In der VUCA-Welt sind unsere einst stabilen Bilder rund um Normen und Werte aus dem Rahmen gefallen, Bindung folglich zu einem raren Gut geworden. Da unseren Gesellschaften also der Kompass abhandengekommen ist, schließt individuell gezeigte Haltung die Lücke. Vernetzen sich Individuen mit ihren moralischen, politisch korrekten Haltungen, wenn auch nur virtuell, entsteht zumindest in der digitalen Community (unserer neuen Gesellschaftsform?) soziale Bindung. In diesem Sinne wäre Haltung das moralische Gegengewicht zu sich selbst optimierenden Singulären.

Kommen wir zu meinem dritten Einwurf, der auf unser ökonomisches System zielt. Unternehmen sind gut darin, neue gesellschaftliche Trends aufzugreifen und in ihre kapitalistische Verwertungsmaschinerie einzuspeisen Das gehört zu ihrem Lebenselixier. Es macht sich folglich gut, beziehen Unternehmen Haltung und tun dies auf Social Media kund. Das kostet nicht viel und zieht neue Kunden an oder bindet bestehende.

Nicht ohne Grund gibt es heute die neue Gattung Haltungsmarketing. Nike präsentiert sich mit dem Footballspieler Colin Kaepernick als politisch korrekt – und generiert damit mächtig Umsatz. Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble vermarktet mit Medienpartnern seine Kampagne „Gemeinsam stärker“ gemeinwohlorientierte Aktionen. Was er selbst tut, um nachhaltig zu produzieren? Da findet sich dann leider wenig. Und Olaf Scholz, Bundeskanzler in spe, fährt seine Wahlkampfnummer unter dem alles- und nichtssagenden Begriff „Respekt“. Vieles davon scheint Tünche zu sein. Blättert sie ab, verbirgt sich dahinter oft nichts. Gut reden lässt sich immer, ernsthaft verändern weniger.

Womit wir bei Max Weber wären, für viele digitale Einwohner wohl ein Fossil. Er hat Verantwortungs- von Gesinnungsethik unterschieden. Ja, das klingt altmodisch – und trifft gleichwohl den Punkt. Die Haltungseuphorie unserer Tage würde Weber als Gesinnungsethik etikettieren. Für mich müsste Haltung dagegen auf der Seite der Verantwortungsethik angesiedelt sein. In diesem Sinne wäre sie biografisch gewachsen und hätte bei Menschen fundierte Reflexionsprozesse durchlaufen. Wirkliche Haltung würde tagtäglich gelebt und nicht zur Schau gestellt. Nach dem Motto, seht her, ich habe die richtige Gesinnung. Vielmehr wäre verantwortliche Haltung eine Richtschnur für Handeln als auch soziale Beziehungen, doch nicht für Social-Media-Palaver.

 

Hast Du auch spannende, lesenswerte Gedanken rund um Arbeit, Recruiting, Retention oder HR Tech? – Dann lass uns sprechen, ob ein Gastbeitrag auf SAATKORN für Dich spannend wäre! Kontakte mich über gero@saatkorn.com. Thanks! 

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