Generation Y mal anders: „Performer, Styler, Egoisten
Heute saatkorn. mal ganz provokant: ist die aktuelle Jugend wirklich nur oberflächlich und egoistisch unterwegs? – Ich habe da auch durch careerloft massenweise andere Erfahrungen. Aber egal, was man selbst so denkt: Bernhard Heinzlmaier, Autor des Buches „Performer, Styler, Egoisten: Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben.“ hat eine provokante und interessante Sicht auf die Jugend von heute (hier der Link auf die entsprechende Amazon-Seite) – und auch, wenn man selbst eine andere Meinung vertritt, so ist das Buch meiner Meinung nach allemal lesenswert.
Heinzlmaier ist seit über zwei Jahrzehnten in der Jugendforschung tätig. Er ist Mitbegründer des Instituts für Jugendkulturforschung und seit 2003 ehrenamtlicher Vorsitzender. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg. – Also beste Voraussetzungen für ein spannendes Interview. Das Buch kannst Du übrigens gewinnen. Einfach Deine Meinung zur Jugend von heute auf der saatkorn. facebook Seite posten. Unter allen Kommentaren wird ein druckfrisches „Egoisten-Buch“ verlost. 😉
Auf geht’s:
saatkorn.: „Performer, Styler, Egoisten: Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben.“ – So der Titel Ihres neuen Buches. Was verbirgt sich dahinter?
Dahinter verbirgt sich meine höchst persönliche Verzweiflung darüber, dass wir in einer Welt leben, in der nur mehr in Geld messbare Werte zählen und eine Ökonomie der Aufmerksamkeit regiert, die den belohnt, der sich am besten verkaufen kann. Performer, Styler und Egoisten sind die vorherrschenden Menschentypen unserer Zeit. Sie leben in Rollen, die sie auf der Bühne des Alltags aufführen, wer sie wirklich sind, weiß keiner, oftmals nicht einmal sie selbst.
saatkorn.: „Ökonomische Imperative greifen auf alle Sphären der Gesellschaft über“ – so eine weitere These von Ihnen. Was ist heutzutage anders als vor 20 Jahren?
saatkorn.: Wie würden Sie die Generationen Y und Z charakterisieren? – Sehen Sie da tatsächlich so wenig Hoffnung für Idealismus, eigene Wertvorstellungen und das Bedürfnis einen eigenen Weg zu gehen?
Ich halte diese Generationsbezeichnungen ja für den größten Blödsinn oder um es vielleicht auf den Punkt zu bringen: es sind einfach Produktbezeichnungen, mit dem ein Beratungsprodukt verkauft werden soll. Wie man so schön sagt, ist ja heute das „naming“ ganz entscheidend, wenn man mit einem Produkt am Markt Erfolg haben will. Generation Y ist einfach ein geiler Name, aber sonst nichts. Der Begriff ist völlig bedeutungslos, ja sinnlos oder vielleicht einfach banal. Ja, es gibt einen Teil der Jugend, der von sich sagt, im Zentrum ihres Lebens die digitale Entrepreneurship steht, aber in Hamburg Horn oder Berlin Marzan werden sie von denen sehr wenige finden. Der Idealismus und die Werte sind aber dort und da, unten und oben weg. Die Entrepreneurs haben keine Moral, weil sie nur den Markterfolg im Schädel haben und die Harz-4-Egozentriker sind moralisch verzweifelt, weil sie die Gesellschaft ohne Respekt behandelt. Und die gesellschaftliche Mitte ist starr vor Angst, weil sie Angst hat abzusteigen. Kein gutes Klima für Idealismus und moralisches Handeln, oder?
saatkorn.: Sprechen wir über die Jugend in Deutschland. Angesichts des Fachkräftemangels, der aus der Digitalisierung resultierenden erheblich größeren Transparenz über Arbeitgeber und nicht zuletzt der Tatsache, dass jüngere Generationen ihr Leben oft viel ganzheitlicher begreifen als vorhergehende Generationen könnte man doch auch meinen, dass gerade die heutige Jugend viel weniger angepasst sein müsste. Oder?
Also der Fachkräftemangel ist eine ideologische Fiktion. Oder sind wir schon so weit, dass wir nur noch Menschen die eine technische oder betriebswirtschaftliche Ausbildung haben als Fachkräfte bezeichnen? Soziologen,Germanisten, Theaterwissenschafter, Theologen, Philosophen – ich könnte jetzt noch lange weiter aufzählen – hätten wir genug, aber wir setzen sie nicht ein, weil sie im betriebswirtschaftlichen Sinn nicht produktiv sind. Wir entwickeln uns zu riesigen Technologiemonstern ohne humanistische Vernunft, ohne Empathie. Die halbierte Vernunft regiert, eine technische Vernunft, die ohne humanitäres Einfühlungsvermögen Prozesse rationalisiert um die Profitrate zu steigern. Und dann fragt man sich, warum die Jugend vor dem Hintergrund solcher Verhältnisse heute unangepasster sein soll? Die müssen sich anpassen, wenn sie ein Bestandteil des Technologiemonsters sein wollen. Für den kleinen Erfolg muss man sich heute soweit herrichten und ummodeln lassen, dass man sich am Ende selbst nicht mehr erkennt. Und wenn man einen Tag nicht richtig motiviert und mit lachendem Gesicht am Werke ist, dann macht man sich verdächtig und der Betriebspsychologe kommt. Und das Leben ganzheitlich begreifen, ja wenn man als Ganzheitlichkeit die Ökonomie und ihre Imperative setzt. Denn ihnen ist alles untergeordnet. Was außerhalb der produktiven Sphäre ist, zum Beispiel die menschliche Reproduktion, muss nach der Pfeife der Warenproduktion tanzen. Wenn wir das ganzheitlich nennen wollen, dann nennen wir es halt so. Das Ganze wird aber von einem Teil dominiert, de, ökonomischen Teil.
saatkorn.: Was ist Ihr Lösungsvorschlag auf Basis der von Ihnen skizzierten Situation?
Es gibt keine großen Lösungen mehr, die Zeit der großen Lösungen ist vorbei. Ich vertrete kleine Lösungen, den Rückzug aus dem großen Ganzen so weit es geht, den Aufbau von autonomen kleinen Inseln, in denen gegen den Mainstream gelebt werden kann. In der Postdemokratie kann man von den Menschen nicht mehr verlangen Verantwortung für das große Ganze zu tragen. Wir sind ja den politischen und ökonomischen Eliten ausgeliefert, die machen was sie wollen und manipulieren uns wo es nur geht. Den passiven Bürger, der heute mit Gleichgesinnten seine eigenen kleine alternative Welt baut, kann heute kein moralischer Vorwurf mehr treffen. Denn nicht er hat sich von der Politik verabschiedet, sondern die Politik von ihm.
saatkorn.: Vielen Dank für das Interview!
Um das Buch zu gewinnen, einfach hier mitdiskutieren.