Gallup Engagement Index: erstmals seit Jahren leichten Rückgang der inneren Kündigung, Interview mit Marco Nink
Gallup Engagement Index: Schon seit Jahren verfolge ich die jährliche Gallup-Studie zum Engagement-Index. Heute wurden die aktuellen Zahlen für 2013 bei einer Pressekonferenz in Berlin veröffentlicht. Ich hatte Gelegenheit, kurz mit Marco Nink zu sprechen, der als Strategic Consultant bei Gallup für die Studie zuständig ist. Auf geht’s:
saatkorn.: Bitte erläutern Sie den saatkorn. LeserInnen doch kurz, was Gallup macht.
Gallup ist ein forschungsbasiertes Beratungsunternehmen an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Psychologie. Wir beraten Unternehmen in den Bereichen Personal- und Kundenmanagement, Unternehmenskultur und Führungskräfteentwicklung. Ein Schwerpunkt ist die emotionale Mitarbeiterbindung: Wir unterstützen Unternehmen dabei, die emotionalen Faktoren am Arbeitsplatz zu messen und zu managen. Hierbei verfolgt Gallup einen ganzheitlichen Ansatz: Unsere Berater begleiten den gesamten Prozess im Unternehmen – von der Messung des Status quo über die Umsetzung bis hin zur Begleitung der Nachfolgeprozesse. Eines unserer zentralen Instrumente zur Messung der emotionalen Mitarbeiterbindung sind die sogenannten Q12. Hierbei handelt es sich um zwölf Fragen zum Arbeitsplatz und -umfeld.
saatkorn.: Zum wievielten Mal erscheint eigentlich der Engagement-Index und was verbirgt sich hinter dieser Studie? Was ist das Set-Up?
Seit dem Jahr 2001 erstellen wir jährlich, anhand dieser zwölf Fragen zum Arbeitsplatz und -umfeld den Engagement Index für Deutschland. Die Studie gibt Auskunft darüber, wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern und damit das Engagement und die Motivation bei der Arbeit ist. Dabei haben wir drei Gruppen von Mitarbeitern identifiziert:
- Mitarbeiter mit hoher emotionaler Bindung an ihren Arbeitgeber sind mit Herz, Hand und Verstand bei der Arbeit und setzen sich freiwillig für die Ziele ihres Unternehmens ein.
- Eine große Gruppe leistet Dienst nach Vorschrift und spult tagtäglich das Pflichtprogramm ab.
- Schließlich gibt es noch die Gruppe der Inneren Kündiger: Diese Mitarbeiter haben sich gedanklich bereits aus dem Unternehmen verabschiedet und schaden mit ihrem Verhalten teilweise sogar dem Geschäft ihres Arbeitgebers.
Für die Untersuchung werden jedes Jahr abhängig Beschäftigte ab 18 Jahren nach einem mehrstufigen Zufallsprinzip ausgewählt und mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI) befragt. Für den aktuellen Engagement Index haben wir 1.368 Arbeitnehmer interviewt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland.
saatkorn.: Ich fand die Zahlen aus dem letzten Engagement-Index ziemlich alarmierend, denn damals hatten ja nur 15 % der Befragten eine hohe emotionale Bindung an Ihren Arbeitgeber. Hat sich das positiv verändert?
Unsere aktuellen Daten deuten darauf hin, dass sich die Qualität des Arbeitsumfeldes und damit auch die emotionale Bindung der Arbeitnehmer leicht verbessert haben. Der Anteil der Inneren Kündiger ist erstmals seit Jahren rückläufig. Ihr Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr von 24 Prozent auf 17 Prozent geschrumpft. Allerdings ist die Gruppe der emotional hochgebundenen Mitarbeiter nur gering gewachsen: Sie hat in diesem Jahr einen Anteil von 16 Prozent. Die größte Gruppe (67 Prozent) leistet nach wie vor Dienst nach Vorschrift. Es läuft am Arbeitsplatz somit vieles besser, aber längst noch nicht alles perfekt. Mitarbeiter werden zwar weniger demotiviert, aber noch lange nicht zu Höchstleistungen angespornt.
saatkorn.: Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Erkenntnisse aus dem aktuellen Engagement-Index für das Jahr 2013?
Zentrale Erkenntnis ist für uns: Die emotionale Bindung der Mitarbeiter wirkt als eine Art Schutzimpfung gegenüber ungewollter Mitarbeiterfluktuation. Dies ist gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels nötig, denn Unternehmen fällt es immer schwerer, den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken. Wie die emotionale Mitarbeiterbindung hilft, Fachkräfte zu halten, zeigen die folgenden Zahlen: 93 Prozent der emotional hoch gebundenen Mitarbeiter, aber nur 45 Prozent derjenigen ohne emotionale Bindung, planen in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma tätig zu sein. Generell wollen von den emotional ungebundenen Mitarbeitern nur 21 Prozent bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber Karriere machen. Bei denjenigen mit hoher emotionaler Bindung sind es immerhin 65 Prozent.
Ein weiterer zentraler Bereich, zu dem wir in diesem Jahr wichtige Erkenntnisse gewonnen haben, ist das Thema Wellbeing – das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Ein Viertel der Arbeitnehmer ist voll und ganz der Meinung, dass ihr Arbeitgeber sich für ihr allgemeines Wohlergehen interessiert. Mehr als die Hälfte aller Unternehmen (57 Prozent) bietet zum Beispiel Programme zur Gesundheitsförderung an. Lediglich 40 Prozent der Beschäftigten nutzen diese Angebote jedoch auch. Hier sehen wir die Führungskräfte in einer Vorbildfunktion, die angebotenen Programme selbst zu nutzen und damit auch ihre Mitarbeiter zu motivieren.
saatkorn.: Herr Mink, herzlichen Dank für das Interview!
5. Was glauben Sie, wie sich der Engagement-Index mittelfristig entwickeln wird?
Ich bin kein Zukunftsforscher und habe auch keine magische Glaskugel. Was sich aber abzeichnet: Führungskräfte versuchen zunehmend, auf ihre Mitarbeiter einzugehen, ihnen zuzuhören und sie in Entscheidungen einzubinden. Kurz: Sie interessieren sich nicht nur als Arbeitskraft für sie, sondern als Mensch. Wenn die Unternehmen dem Thema Führung noch größere Aufmerksamkeit schenken, wird sich auch die Mitarbeiterbindung und damit der Engagement Index stetig verbessern. Wichtig ist dabei: Nicht jeder Fachexperte auf einem Gebiet ist auch eine gute Führungskraft. Generell sind nur wenige Menschen geborene Führungskräfte – Führung kann man aber bis zu einem gewissen Grad durch gezieltes Training und Coaching lernen.
6. Was sind Ihre Empfehlungen Richtung Entscheidungsträger in Unternehmen, was müssen CEOs und HRler tun, um den Engagement-Index positiv zu beeinflussen?
Viele Unternehmen setzen Mitarbeiterbindung zunächst mit einem hohen Gehalt gleich. Eine angemessene Entlohnung ist auf jeden Fall wichtig, doch der entscheidende Faktor für die emotionale Mitarbeiterbindung ist die richtige Führung durch den direkten Vorgesetzten. Die Geschäftsführung sollte die Bereitschaft zeigen, einen Veränderungsprozess anzustoßen und diesen Prozess langfristig und mit langem Atem zu verfolgen. Der Personalabteilung kommt dabei die Rolle eines strategischen Partners zu, die Führungstalent belohnt und Führungskräfte fördert.
Es steht aber nicht nur die Geschäftsführung oder die Personalabteilung in der Pflicht, sondern jeder Angestellte, der eigene Mitarbeiter führt. Denn Führungskräfte sind der Hebel, an dem die Unternehmen ansetzen müssen, um die Qualität des Arbeitsumfeldes zu verbessern. Mitarbeiter müssen zum Beispiel wissen, was von ihnen erwartet wird. Führungskräfte sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter alles haben, was sie brauchen, um ihre Arbeit zu erledigen. Und die Mitarbeiter sollten vor allem Möglichkeiten haben, um sich zu verbessern und zu entwickeln. Dafür ist regelmäßiges Feedback durch den Vorgesetzten das A und O – und eines der zentralen Elemente für eine hohe Mitarbeiterbindung.
In einer Konsum- / Wegwerfgesellschaft, in der innere Bindung eher bekämpft (z.B. durch verfrühte Kindergrippe / steigende Scheidungsraten / Alleinerziehende / Gleichmacherei / Mainstreaming,… ) wird, damit künftig der „neue psychologische Vertrag“ des Human Ressource Managements umgesetzt werden kann („Akzeptanz von Unsicherheit“, Zeitarbeit, max. Flexibilität, etc.) und um alle Menschen weg von der traditionellen Familie auf den Arbeitsmarkt zu drängen (Singles konsumieren zum Ausgleich des Bindungsbedürfnis ca. 56% mehr und sind anfälliger für Mainstream-Konsumzwang) wird sich dies so schnell auch nicht ändern lassen.
Scheint so, als ob die Rechnung dennoch aufgeht: Verlust der Unternehmen durch wenig emotionale Bindung ist wahrsch. kleiner als Gewinn durch mehr Konsum und billigere Arbeitskräfte, ansonsten wäre der Aufschrei und das Gegenwirken deutlich größer auf die Gallup Studien.
Zur derzeitigen Entwicklung gibt es auch leider kaum Alternativen in einer globalisierten Welt, in der die BRIC-Staaten immer weiter qualitätstechnisch zu den alten Industrienationen aufschließen. Deutschland konkurriert mit Schwellenländer, welche wenig Sozialregulierung anwenden und auf billigere Lohnkosten zurückgreifen bei immer besserer Produktqualität. Zunächst vesuchte man diesem Umstand durch Outsourcing zu begegnen, doch dies bringt nicht unerhebliche, versteckte Kosten (Transport, Know-how-Verlust,…) mit sich. Nun ist der nächste Anpassungsschritt unsere soziale Sicherheit (Zeitarbeit statt unbefr. Vertrag) und Lohnkosten kurzfristig zu senken (Abitur / Studium für alle, quantität statt Leistungsprinzip und Innovationskraft) um international mithalten zu können und unsere Großkonzerne im eigenen Land zu halten, solange bis die Lohnkosten und Bedingungen sich international etwas mehr annähern.