FUTURE TALENTS REPORT 2023: alle Infos
Future Talents Report 2023 erschienen – Interview mit Kristina Bierer
Der Future Talents Report ist die größte Praktikanten-Studie Deutschlands und das schon seit mehreren Jahren. Initiator der Studie, für die jedes Jahr mehrere Tausend Future Talents befragt werden, ist die Münchener Unternehmensberatung CLEVIS. Im SAATKORN-Interview berichtet Kristina Bierer, CLEVIS-Partnerin und Studienleiterin über die Ergebnisse des gerade veröffentlichten Future Talents Report 2023. Auf geht’s:
SAATKORN: Kristina, bitte stell Dich doch den Saatkorn Leser:innen doch einmal kurz vor.
Gerne. Ich bin Kristina Bierer, Partnerin bei der CLEVIS GmbH, der HR-Beratung mit Sitz in München. Wir legen unseren Beratungsfokus auf die Kernthemen HR-Digitalisierung, Business Transformation und HR-Strategieberatung.
Mit dem Future Talents Report haben wir eine in der HR-Szene maßgebende Studie verankert, die seit mittlerweile 13 Jahren analysiert, was Future Talents antreibt, was sie von Arbeitgebern erwarten und wie sie auf den Arbeitsmarkt streben. Für Unternehmen sind die Insights, die wir mit unserer Studie schaffen vor allem deshalb so wichtig, weil sie zeigen, wie man in Zeiten des Fachkräftemangels die kommende Arbeitsmarktgeneration rekrutiert und an sich bindet.
SAATKORN: Der Future Talents Report ist seit Jahren die Studie schlechthin, wenn es um Praktikanten und Praktikantinnen geht. Kannst Du uns noch einmal etwas über das Setting der Studie erzählen?
Der diesjährige Future Talents Report ist bereits die 13. Ausgabe. Seit 2010 liefert die Studie nun schon ein vollumfängliches Bild dazu, wie sich die Arbeitgeberqualität und das Arbeitgebermarkenimage deutscher Unternehmen aus Sicht von Praktikant:innen und Werkstudent:innen entwickelt. In diesem Jahr haben wir wieder nahezu 3.000 Teilnehmende befragt, zwei Drittel davon waren Praktikant:innen und ein Drittel Werkstudent:innen. Ihr Durchschnittsalter betrug zum Zeitpunkt der bundesweiten Umfrage 27 Jahre. Das Ergebnis ist auch in diesem Jahr ein wichtiger Gradmesser dazu, wie junge Talente in die Arbeitswelt eintauchen und anschließend ihre Arbeitgeber bewerten.
SAATKORN: Wie zufrieden sind Praktikanten und Praktikantinnen aktuell mit ihrem Beschäftigungsverhältnis?
Insgesamt ist der Zufriedenheitsgrad der Future Talents mit ihrem Praktikum ungebrochen hoch. Wie schon im letzten Jahr sind 80 % der Befragten mit ihrer Tätigkeit zufrieden, 79 % würden es weiterempfehlen. In diesem Kontext sehen wir aber seit Jahren eine hohe Zufriedenheit. Die Zeiten, in denen Praktikant:innen am Ende ihres Arbeitsverhältnisses nur die Kaffeemaschine und den Kopierer in-und auswendig kannten, sind längst vorbei. In Zeiten des fortschreitenden Fachkräftemangels als demografisches Dauerproblem der Zukunft, kommt dem Umgang mit Praktikant:innen oder Werkstudent:innen für Arbeitgeber eine noch größere Bedeutung zu. Future Talents sind die Fach- und Führungskräfte von morgen. Das haben Arbeitgeber längst erkannt und binden sie daher entsprechend ihrer Fähigkeiten und Skills in verantwortungsvolle Aufgabenbereiche ein.
SAATKORN: Vor der Pandemie war ein Praktikum im Homeoffice fast undenkbar. Scheinbar stand das dem Anspruch eines Praktikums entgegen, einen Arbeitgeber wirklich kennenzulernen. Wie hat sich das in den letzten drei Jahren verändert?
Unsere Ergebnisse zeigen, dass im vergangenen Jahr mehr als zwei Drittel der Nachwuchstalente die Möglichkeit hatten ihr Praktikum von zu Hause zu absolvieren. Zum Vergleich: Vor der Pandemie lag der Anteil der Homeoffice-Praktikant:innen noch bei 26 %. Hier hat also ein komplettes Umdenken stattgefunden. Wie in anderen Beschäftigungsverhältnissen gehört das Homeoffice mittlerweile ganz selbstverständlich zum Praktikum. Das ist bis hierhin noch wenig überraschend. Das Besondere an der aktuellen Konstellation ist, dass die Talente mit Homeoffice-Möglichkeit zufriedener mit ihrem Arbeitsverhältnis sind als diejenigen, die nur im Unternehmen arbeiten. So zeigen sich 79 % der Talente mit Homeoffice Möglichkeit mit ihrer Work-Life-Balance und ihrer Führungskraft zufrieden, während dem nur 61 % beziehungsweise 67 % von denen zustimmen, die ihre Tätigkeit in Präsenz durchliefen. Auch die Arbeitsbelastung im Sinne von Stress, Termindruck oder Arbeitsaufkommen empfanden mehr Studienteilnehmende im Homeoffice als angemessener (77 %) als im Unternehmen (66 %). Das heißt: Das Homeoffice hat sich etabliert. Auch wenn es zunächst paradox klingt, kann trotzdem gesagt werden: Man kann einen Arbeitgeber auch von zu Hause aus bestens kennenlernen.
SAATKORN: Wie flexibel wird im Homeoffice gearbeitet und wie wirkt sich dieses auf die Arbeitszeit aus?
Wir erkennen, dass die Future Talents mit der Flexibilität, die ihnen das Homeoffice bietet, sehr gut klarkommen. In Sachen Arbeitsbelastung oder Work-Life-Balance haben wir schon gesehen, dass dies positive Auswirkung auf die Wahrnehmung des Praktikums hat. In Sachen Arbeitszeit verändert sich im Homeoffice rein von der Arbeitsdauer nicht viel. Andersherum gesagt: Im Homeoffice wird genauso ambitioniert an den Aufgaben gearbeitet wie im Unternehmen. Das lässt sich zum Beispiel an den geleisteten Überstunden erkennen. Insgesamt arbeiten Praktikant:innen durchschnittlich 34,1 Wochenstunden. 46 % von ihnen satteln zusätzlich Überstunden auf ihre Arbeitszeit – die meisten zwischen zwei und fünf Stunden pro Woche. Das finden 64 % von ihnen auch angemessen, unabhängig davon, wo sie arbeiten. Hauptgrund diese Überstunden zu leisten, ist vielfach der eigene Anspruch gute Arbeitsergebnisse zu erzielen sowie das jeweilige Projekt noch am entsprechenden Arbeitstag abzuschließen. Beides geben jeweils mehr als ein Fünftel der Befragten an. Nur 9 % setzen auf Überstunden, weil sie deswegen auf ein Jobangebot spekulieren. Gerade einmal 6 % geben an, das Gefühl zu haben, Mehrarbeit würde von ihrem Arbeitgeber vorausgesetzt.
SAATKORN: Seit Jahren ist der Future Talents Report unter anderem auch ein Gradmesser für die Gehaltsentwicklung im Praktikum. Was verdient der Nachwuchs aktuell?
Zunächst haben wir eine bemerkenswerte Steigerung des Gehalts im Jahresvergleich feststellen können. So stieg das monatliche Salär im Vergleich zum Vorjahr, als es im Schnitt bei 1.071 Euro lag, um 9 % auf 1.164 Euro. Vor drei Jahren lag das Gehalt für ein Praktikum im Durchschnitt bei 1.053 EUR und 2019 bei 1.028 EUR. Nur auf freiwillige Praktika bezogen, stieg das monatliche Einkommen gar auf mehr als 1.500 Euro. Unsere Vermutung: Hier machte sich bereits die Einführung des Mindestlohns zum 1. Oktober des vergangenen Jahres bemerkbar. Allerdings ist der Verdienst nicht das entscheidende Kriterium für die Wahl eines Praktikums. Hier spielt der Ruf eines Unternehmens die entscheidende Rolle, gefolgt von den angebotenen Entwicklungsmöglichkeiten, der Atmosphäre beim Vorstellungsgespräch sowie dem positiven Einfluss auf den Lebenslauf.
Trotzdem noch eine zusätzliche Bemerkung zu den Gehältern nach Geschlechtern. Denn auch im Praktikanten-Umfeld existiert ein leichtes „Gender Pay Gap“. So verdienen Männer aktuell 8,8 % mehr als Frauen. Hier gibt es also in vielen Unternehmen noch Nachholbedarf, was die Anpassung von Gehältern angeht.
SAATKORN: Die akuten Personalprobleme in fast allen Branchen würde den Schluss nahelegen, dass Future Talents genau die junge Zielgruppe sind, die Arbeitgeber früh und entschlossen an sich binden sollten. Aber sind die Talente überhaupt offen dafür, sich schon früh an ein Unternehmen zu binden?
Ja, das sind sie. Viele der Nachwuchstalente können sich eine Weiterbeschäftigung bei ihrem Praktikumsarbeitgeber sehr gut vorstellen. Da zeigt sich, dass der bereits erwähnte hohe Zufriedenheitsgrad bindet. Die meisten Future Talents, nämlich 59 % wünschen sich eine Festanstellung bei ihrem Praktikum-Arbeitgeber, mehr als ein Viertel können sich eine Position als Werkstudent:in vorstellen und für jede:n Fünfte:n ist es eine Option, die Abschlussarbeit im Unternehmen zu schreiben. Weniger hoch im Kurs steht dagegen eine Anstellung über ein Stipendium, die nur 9 % anstreben oder ein „Gap Year Programm“, das nur für 7 % interessant ist.
Um die Voraussetzungen dafür auch mittelfristig zu schaffen, halten viele Nachwuchstalente im Anschluss an ihr Beschäftigungsverhältnis den Kontakt zu den Unternehmen. Drei Viertel berichten von einem beruflichen Netzwerk, das sie sich im Praktikum innerhalb des Unternehmens aufgebaut haben und entsprechend pflegen. 82 % halten auch außerhalb des Jobs privat den Kontakt zu den vormaligen Kolleg:innen. Das sind gute Voraussetzungen, um später wieder zusammenfinden zu können.
SAATKORN: Im Rahmen Eurer Studie werden auch immer Arbeitgeber ausgezeichnet, die eine besonders große Arbeitsqualität für Future Talents sicherstellen. Welche Unternehmen haben in diesem Jahr dabei gut abgeschnitten?
Für unser Ranking werten wir aus, wie zufrieden die Talente mit ihrem Arbeitsverhältnis waren, wie gut ihr Erwartungshorizont erfüllt wurde und ob sie das jeweilige Unternehmen weiterempfehlen würden. Das Ergebnis ist ein aussagekräftiges Ranking mit den Nachwuchsarbeitgebern, die die höchste Arbeitgeberqualität erreichen. Die Top Ten besteht in diesem Jahr aus folgenden Unternehmen: Holtzbrinck Publishing, Procter & Gamble, Kindernothilfe, Texas Instruments, Adolf Würth, Curacon, SAP, Dr. Oetker, Carl Zeiss sowie Phoenix Contact.
SAATKORN: Was ist Dein Rat an Arbeitgeber, die sich attraktiv für Future Talents aufstellen möchten?
Zunächst ist es wichtig festzustellen, dass wie wir es bei Praktikant:innen genau wie bei anderen Zielgruppen auch mit einem Kandidatenmarkt zu tun haben, in dem sich die Talente die Arbeitgeber aussuchen und nicht umgekehrt. Das bedeutet: Unternehmen müssen sich schon in ihren Recruitingmaßnahmen strecken, um die passenden Talente zu finden. Dabei sollten sie schon frühzeitig die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen inklusive einer Übernahmeperspektive in den Mittelpunkt stellen. Darauf achten junge Menschen – weniger auf die Bezahlung oder aufwändige Mitarbeiter-Benefits.
Wurden sie schließlich nach erfolgreicher Rekrutierung während ihres Praktikums vom Arbeitgeber überzeugt, sollten Unternehmen nicht zögern, Nägel mit Köpfen zu machen und sie nach Möglichkeit an das Unternehmen binden oder ihnen zumindest die Perspektive dazu aufzeigen. Wenn sie erst einmal anderenorts ins Berufsleben eingestiegen sind, wird es ungleich schwerer und teurer sie zurückzugewinnen.
SAATKORN: Herzlichen Dank für das Interview zum Future Talents Report 2023, liebe Kristina!
Gute Nachricht an alle SAATKORN-Leser: Interessierte Arbeitgeber können sich den Studienband zum Future Talents Report 2023 kostenlos auf der Webseite von CLEVIS herunterladen. Hier geht es direkt zum Download.