Frank Schabel: Gastkommentar zum HR-Report 2022
HR-Report 2022: Frank Schabel mit einem Gastkommentar
Doppelspiel zwischen Reden und Handeln
Die Business-Stücke, die auf den großen Schaubühnen der Social Media gespielt werden, kreisen fast immer um wohlklingende Begriffe. Von New Work über Agilität und Purpose bis hin zu Diversity oder Nachhaltigkeit – je nachdem, was gerade von (selbsternannten) Trendsettern als der letzte Schrei deklariert wurde.
Nun ist Theater bekanntlich nicht gleich Wirklichkeit. Es unterhält, es belehrt, es konfrontiert uns mit anderen Welten. Das fasziniert uns, zumindest während der Inszenierung. Tauchen wir wieder in die schnöde Welt des bitteren Berufsalltags zurück, ist vom Bühnenglitzer meist nichts mehr zu sehen. Vielmehr spielen hier noch die klassischen Stücke.
Empirie ohne Glitzer
Dies zeigen auch die empirischen Befunde des diesjährigen HR-Reports auf. Er fokussiert sich auf den Verteilungskampf in Organisationen um knappe Ressourcen im Angesicht von Corona. Denn laut den knapp 1.000 Befragten dreht sich die organisatorische Wirklichkeit um allseits bekannte Themen. So fokussieren sich die Strategien von Unternehmen nach wie vor darauf, ihr Brot- und Buttergeschäft zu stabilisieren, ihre gängigen Kennzahlen nach oben zu treiben und ihre Prozesse zu optimieren. Wer erwartet hätte, dass sich die gehypten Themen auch in der Empirie wiederfinden, Pustekuchen. Ein neues Produktportfolio zu entwickeln, ökologisch zu produzieren oder Innovationen voranzutreiben – all das findet in der strategischen Ausrichtung nur geringen Widerhall.
Das deckt sich auch 1:1 mit den Handlungsfeldern, in die Unternehmen investieren. Wenn sie die Effizienz und Effektivität steigern, wird der Geldbeutel geöffnet. Dagegen bleibt er meist verschlossen, wenn es um innovative Lösungen geht oder um Aktivitäten, den Klimawandel zu begrenzen. Wo das Geld für Investitionen herkommt? Hier läuft ebenfalls das klassische Spiel ab. Es werden in guter alter Manier Kosten reduziert und Prozesse optimiert. Dagegen tauchen andere Finanzierungswege kaum auf dem Radar auf.
Frank Schabel: Kluft zwischen Reden und Handeln
Diese Kluft zwischen Reden und Handeln, das berühmt-berüchtigte Talking Action Gap, sehen wir im HR-Report seit Jahr und Tag. Es deckt sich zudem mit früheren Erhebungen, wie die Studie „Zwischen Effizienz und Agilität“ aus 2018). Auf den gut beleuchteten Bühnen der Organisationswelten reden Akteure über hippe Themen. Dann wird der CEO, der sich bis dato nur für Kennzahlen interessierte, auf einmal zum verbalen Vorreiter für New Work. Doch auf den Hinterbühnen findet fernab der Scheinwerfer das klassische Spiel „Kerngeschäft sichern“ statt.
Warum wir uns in diesen Doppelspielen befinden, dafür gibt es hinreichend Gründe. Wie die zentrale und gleichwohl schnöde Tatsache, dass es im Business zuallererst um Geld geht. Es zu verdienen, gibt Stabilität auf allen Ebenen und befriedet die Kapitelgeber. Schöne Pirouetten zu drehen, können sich Unternehmen nur leisten, wenn sie jenseits der künstlerischen Note hartes Geld verdienen, auch wenn dies die Evangelisten neuer Arbeitswelten in ihren wohlklingenden Auftritten ausblenden.
Gefährliches Doppelspiel
Trotzdem ist es gefährlich, dieses Doppelspiel zu weit zu treiben. Mitarbeitende, die ihre Vorturner reden hören, wissen, dass vieles davon in ihrem Alltag Schall und Rauch ist. Sie haben ein feines Gespür für Diskrepanzen. Dass dies nicht gerade auf ihre Motivation einzahlt, versteht sich von selbst. Das trifft im Übrigen auch auf die Change-Orgien zu, die sie über sich ergehen lassen. In der Hoffnung, sie einigermaßen schadlos zu überstehen.
Eigentlich müssten wir qua Erfahrung wissen, dass sich Unternehmenskulturen nicht per Knopfdruck und hochglänzender Reden in agile und selbstorganisierte Bahnen lenken lassen. Vielmehr sind sie zäh und sie zu verändern, dauert Jahre, nicht Monate. Dazu bedarf es nicht effekthaschender Inszenierungen, sondern einen langen Atem und fundiertes Handeln.
Bei allem: Werden hippe Themen auf der Vorderbühne gespielt, sind sie immerhin offiziell gesetzt und können nicht wieder kleingeraspelt werden. Das stiftet Hoffnung. Denn gerade fähige Mitarbeitende oder Bewerbende schauen mittlerweile genau darauf, ob Unternehmen ihren Verlautbarungen Taten folgen lassen. Ist dem nicht so, sind sie heutzutage ungleich schneller bereit, ihren Arbeitgeber zu verlassen oder machen von vornherein einen Bogen um Unternehmen, deren Talking Action Gaps zu gravierend sind.
Frank Schabel, Mitinitiator und Mitautor des HR-Reports von Beginn an, ansonsten Senior Advisor in einer Unternehmensberatung. HIER geht’s zu seinem LinkedIn Profil. Den Hays HR-Report 2022 kannst Du HIER kostenlos downloaden.
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