Die Themen Feedback und Digital Leadership sind in deutschen Unternehmen angekommen. In der Theorie. Die praktische Umsetzung hinkt jedoch hinterher. Die USA, insbesondere die IT- und Start-up Szene im Silicon Valley, sind uns da um Einiges voraus. Claudine Petit und Daniel Böhmer vom Feedback-Spezialisten Questback waren Anfang März im Silicon Valley, um sich Inspiration und Best Practices von erfolgreichen US-Unternehmen einzuholen und die Feedback-Kultur dort einmal auf Herz und Nieren zu prüfen. Ich hatte Gelegenheit zu einem Gespräch mit den Beiden. Auf geht’s:
saatkorn.: Claudine und Daniel, stellt euch unseren LeserInnen doch bitte kurz vor.
Claudine: Gerne! Ich bin Claudine Petit und arbeite als Director Marketing für Zentraleuropa bei Questback. Ich bin gebürtige Saarländerin, habe aber in München meine Lieblingsstadt gefunden. Mein Arbeitgeber sitzt in Köln, mein Mann arbeitet wiederum in Frankfurt, das internationale Questback Headquarter ist in Oslo. Reisen gehört also absolut zu meinem Alltag. Glücklicherweise reise ich ausgesprochen gerne und habe mich sehr gefreut, als es Anfang März mit der LeadershipGarage nach San Francisco ging. Obwohl uns der kalifornische Winter leider nicht verwöhnt hat. Es war fast genau so kalt wie hier…
Daniel: Ich bin Daniel Böhmer und Head of Presales Central Europe bei Questback. Ich lebe in Bonn und habe eine echte Schwäche für Gadgets aller Art. Innovativ müssen sie sein und am besten ein ausgefeiltes Design haben. Und schon bin ich gefangen. Ich berate unserer Kunden zu allen Fragen von Mitarbeiter-Feedbackprozessen. Digital Leadership ist ein Thema, das viele unserer Kunden gerade sehr beschäftigt. Die Gespräche im Silicon Valley haben mich in vielen Dingen bestätigt, aber auch tolle neue Impulse gegeben.
saatkorn.: Ihr habt dort am LeadershipGarage Forschungssymposium „Inside Silicon Valley“ teilgenommen und ausführlich auf Eurem Blog darüber berichtet. Wie unterscheidet sich eurer Ansicht nach das Verständnis von Führung, von Feedback-Kultur in Deutschland und der USA?
Claudine: Die Deutschen sind ja bekannt für Pünktlichkeit, Strukturiertheit und Zuverlässigkeit. Nicht zufällig ist Deutschland immer wieder Exportweltmeister und der deutsche „Mittelstand“ zum Synonym für Stabilität geworden. Die globalisierte Wirtschaft und die Notwendigkeit, Prozesse zu digitalisieren, um international mithalten zu können, lässt aber so manchen Manager nervös werden. Denn theoretisch weiß er: Das gegenwärtige Verständnis von Führung und die Art, wie Unternehmen gesteuert werden, müssen sich komplett verändern. In Zukunft werden zum Beispiel feste Abteilungen mit individuell zusammengestellten Projektteams arbeiten, oder werden gar komplett von solchen abgelöst. Der Teamleiter hat so eine ständig neue Mannschaft vor sich, einige der Teammitglieder trifft er nie persönlich, sondern kommuniziert mit Collaboration-Tools oder via Messenger mit ihnen. In den USA ist vieles davon schon Realität.
saatkorn.: Was müssen Führungskräfte in Zukunft können, um da mithalten zu können?
Claudine: Die vielen Gespräche, die wir im Silicon Valley geführt haben, kreisten immer wieder um folgende zentrale Erkenntnisse:
- Aus dem Manager muss ein Coach oder Mentor werden, der seine Mitarbeiter dazu befähigt, das Beste aus dem jeweiligen Projekt herauszuholen.
- Hierarchien müssen abgebaut werden, stattdessen ist netzwerkbasiertes Arbeiten mit mehr Flexibilität gefragt. Führungskräfte müssen künftig noch mehr auf Vertrauensbasis agieren.
- Vor allem für Führungskräfte, aber grundsätzlich für alle Mitarbeiter gilt: Das einzig Stete ist der Wandel. Im Valley gibt es dafür den Leitspruch „be ready for the unexpected things“.
saatkorn.: Wie kann dieser „Change“ in deutschen Unternehmen in Gang gesetzt werden? Habt ihr da konkreten Input erhalten?
Daniel: Wir wurden von vielen Seiten darin bestätigt, dass Feedback ein zentrales Element von Führungsprozessen ist. Stefan Schnabl von Google erzählte uns, dass das Unternehmen Feedback-Tools dazu einsetzt, Entscheidungsprozesse zu demokratisieren und Hidden Champions auszumachen. Google stellt damit sicher, dass keine Idee im Unternehmen ungehört und ungenutzt bleibt. Die Maxime dahinter heißt „Listen & Act“: Jeder Mitarbeiter wird als Experte auf seinem Gebiet respektiert, jede Meinung zählt. Der Erfolg gibt Google Recht.
Unser Gespräch mit Larry Leifer von der d.school zeigte, dass auch Design Thinking ein vom Feedback getriebener Prozess ist. Dieser Ansatz bedeutet vereinfacht gesagt, dass ein Produkt komplett auf die Bedürfnisse des Anwenders zugeschnitten wird. Leifer geht sogar so weit zu sagen, dass allein die Menge an Feedback, das nach einer Produktneuvorstellung zurückkommt, entscheidet, ob es ein Erfolg wird. Egal welche Qualität das Feedback hat.
Das Hightech Start-up „Made in Space“ lieferte uns eine tolle Metapher dafür, dass anlassbezogene Feedback-Erhebungen, sogenanntes On-demand Feedback, der jährlichen Mitarbeiterbefragung überlegen sind: Made in Space stellt 3D-Drucker für die Nutzung in der Schwerelosigkeit her. Damit können Astronauten Werkzeuge, die sie für ihre Arbeit in der Raumstation benötigen, sofort selbst ausdrucken, und müssen nicht auf die quartalsweisen Lieferungen von der Erde warten. Statt ein Werkzeug also erst bis zu drei Monate später – und damit meist zu spät für die Problemlösung – zu bekommen, erhalten die Astronauten Hilfe on demand. Die „Feedback-Entsprechung“ wäre: Mitarbeiterfeedback, das alle zwei Jahre eingeholt wird, kommt für viele Probleme, die sich in diesen zwei Jahren angesammelt haben, zu spät. On-demand Feedback ist hier deutlich sinnvoller und effektiver.
saatkorn.: Wann sind eurer Meinung nach deutsche Unternehmen reif für On-demand Feedback?
Daniel: Meine Gespräche auf der HR-Tech in Hamburg Mitte März zeigten: Große deutsche Konzerne wissen, dass die ein- bis zweijährige Mitarbeiterbefragung nicht mehr ausreicht, um dem Feedback der Mitarbeiter den Stellenwert einzuräumen, das es verdient. Sie trauen sich aber noch nicht, On-demand Feedback oder Always-on Feedback, das von Mitarbeiter proaktiv gegeben werden kann, einzusetzen. Obwohl die Technologien dafür bereit stehen und Giganten wie Google, die hinsichtlich Komplexität und Größe mit deutschen Konzernen vergleichbar sind, längst damit arbeiten.
Claudine: Ja, das ist eigentlich paradox. Das Forschungsprojekt „LeadershipGarage“, an dem auch Questback beteiligt ist, ist auf dem besten Weg, das zu ändern. Hochkarätige Forscher aus dem universitären Umfeld und Praktiker aus unterschiedlichen Unternehmen suchen gemeinsam nach Lösungen, die innerhalb einer typisch deutschen Unternehmenskultur funktionieren. Auf unserem Questback Blog reflektieren wir fortlaufend unsere Mitarbeit bei der LeadershipGarage.
saatkorn.: Danke für das Gespräch und euer Update zum Thema Feedback und Digital Leadership.