Exklusiv-Interview mit XING CEO Thomas Vollmoeller
Seit Jahren staune ich über die Entwicklung von XING. Oftmals wird die Entwicklung angesichts der vermeintlichen Bedrohung durch LinkedIn deutlich kritischer gesehen, als die tatsächlichen Zahlen es hergeben. XING eilt von Rekord zu Rekord, hat sich super mit dem Thema New Work positioniert und ist in den letzten Wochen auf einer massiven Akquise-Tour gewesen. Ich hatte Gelegenheit, mit XING CEO Vollmoeller ausführlich zu sprechen. Thomas Vollmoeller hat XING in den letzten 5 Jahren sehr erfolgreich ausgebaut und ist auch privat dem Thema New Work verbunden. Auf geht’s:
saatkorn.: Thomas, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Thomas Vollmoeller: Ich bin Thomas Vollmoeller, CEO der XING AG. Gemeinsam mit jetzt mehr als 1.000 Kolleginnen und Kollegen verfolgen wir bei XING das Ziel, die Arbeitswelt für alle zu einer besseren zu machen. Privat bin ich trotz der sportlichen Leistungen St-Pauli-Fan, trotz des Wetters gern in Hamburg und obwohl ich viel unterwegs bin, sehr gern zu Hause bei meiner Familie.
saatkorn.: Du bist nun seit fast 5 Jahren der CEO von XING. Was waren für Dich die größten Herausforderungen, wenn Du zurück schaust?
Thomas Vollmoeller: Als ich 2012 bei XING an den Start gegangen bin, wollte ich das Unternehmen zu alten Wachstumsraten zurückführen, denn das Potenzial schien mir von Anfang an riesig. Dazu mussten wir aber schon ein paar Dinge verändern – und aus der klassischen Arbeitswelt kommend musste ich mich durchaus erst an agile Teams und dezentrale Entscheidungsstrukturen gewöhnen. Aber wir haben uns rasch zusammengerauft und gemeinsam den Grundstein gelegt für die tolle Entwicklung der letzten Jahre.
saatkorn.: Welche Fehler hat XING in den letzten 5 Jahren gemacht und was habt Ihr daraus gelernt?
Thomas Vollmoeller: „Make Mistakes!“ ist einer der Werte von XING. Wir haben Preiserhöhungen nicht gut an unsere Mitglieder kommuniziert, Produkte weiterentwickelt und die Community nicht immer gut abgeholt, wenn alte Features wegfielen und und und. Daraus haben wir gelernt: Man kann kaum zu viel kommunizieren. Und je besser und enger der Dialog mit unseren Nutzern ist, desto mehr vermeiden wir Missverständnisse. Ohne Mitglieder ist XING schließlich nichts.
saatkorn.: XING steht ja nun glänzend da. Die im Markt oftmals zirkulierende Haltung, dass XING gegenüber LinkedIn mittelfristig einen schweren Stand haben könnte, hat sich bislang nicht bewahrheitet. Vielfach wird aber im Markt diskutiert, wo die Reise für XING mittelfristig hingehen soll. Was sind die großen Themen für die nahe Zukunft, sowohl strategisch als auch produktseitig?
Thomas Vollmoeller: Wir sind die Nummer 1 im deutschsprachigen Raum. Wir wollen das auch bleiben. Wir setzen auf den Megatrend „Wandel der Arbeitswelt“. Helfen unseren Mitgliedern, die Chancen der damit einhergehenden Veränderung zu nutzen und die Risiken zu minimieren. Die Jobs zu finden, die zu ihnen passen. Menschen zu treffen, die sie inspirieren und das nicht nur virtuell, sondern im richtigen Leben. Wir sind außerdem einer der größten Distributoren von Wirtschaftsnews in Deutschland. Auf diese Weise sorgen wir dafür, dass XING-Mitglieder immer á jour sind, was in ihrer Branche diskutiert wird. Und last but not least: Wir unterstützen Unternehmen, die richtigen Talente zu finden. Unser Antrieb ist es, XING-Mitgliedern zu helfen, ein besseres Arbeitsleben zu haben. Und wir verfolgen diesen Anspruch nicht nur in unserem Produkt, denn wir engagieren uns massiv für das Thema „New Work“. Wir haben also viel zu tun und haben uns entsprechend ambitionierte Ziele gesetzt: Bis 2020 wollen wir rund 16 Millionen Mitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben und unseren Jahresumsatz nochmals verdoppeln.
saatkorn.: Und gerade habt Ihr mit Prescreen ein Bewerbermanagementsystem gekauft…
Thomas Vollmoeller: …ja, und in derselben Woche mit InterNations außerdem ein weltweites soziales Netzwerk für Expats. Das war das erste Mal in der Geschichte von XING, dass wir zwei Akquisitionen innerhalb einer Woche getätigt haben.
Mit InterNations übernehmen wir einen echten Spezialisten für lokales Offline-Netzwerken. Das neue Mitglied der XING-Familie wird uns unterstützen, unsere Kompetenzen in diesem Bereich noch deutlich stärker auszubauen. Durch die Akquisition von Prescreen verfügen wir über ein cloud-basiertes Bewerbermanagementsystem, das flexibel ist und dem Nutzer ein hoch modernes intuitives Interface bietet, um dem Wunsch nach einem effizienten, aber dennoch einfach zu bedienenden Tool gerecht zu werden.
saatkorn.: Wie passt Prescreen in das XING Gesamtportfolio? – Im Laufe der Zeit habt Ihr ja immer wieder spannende Akquisitionen gehabt, zum Beispiel kununu?!
Thomas Vollmoeller: kununu ist eine tolle Erfolgsgeschichte und hat auch noch Jahre nach der Übernahme bis heute einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von XING. So können wir zum Beispiel auch auf der XING-Plattform Stellen nach Arbeitgeberfreundlichkeit filtern. Welche andere Plattform kann das schon? Gleichzeitig ist kununu selbst eine starke Marke und ein äußerst erfolgreiches Tool. Ähnlich stelle ich mir die Entwicklung von Prescreen vor. Das Produkt ist eine ideale Ergänzung unseres E-Recruiting-Portfolios. Wir haben auf der einen Seite die einzelnen Facetten des Lizenzpakets „XING E-Recruiting 360°“ – bestehend aus Tools zur passiven sowie aktiven Kandidatensuche, für das Empfehlungsmanagement sowie das Employer Branding. Mit Prescreen haben wir nun das fehlende Bindeglied im Portfolio: Hierüber lassen sich Kandidaten verwalten sowie der Bewerbungsprozess planen und steuern.
Prescreen kann auch künftig unabhängig von XING genutzt werden. Aber natürlich arbeiten wir auch an einer Anbindung von Prescreen an die XING E-Recruiting Produkte. So ist z. B. angedacht, dass Unternehmen künftig aus dem Prescreen Bewerbermanagementsystem heraus in Kombination mit dem XING TalentManager direkt auf XING nach Kandidaten suchen können. Denkbar ist auch, dass Personaler über Prescreen Jobs auf XING posten. Und um intelligente, stets aktuelle Talentpools aufbauen zu können, wollen wir Lebensläufe der Bewerber mit den entsprechenden XING Profilen verknüpfen.
saatkorn.: In den letzten Jahren hat sich XING erfolgreich mit dem Thema New Work repositioniert. Der bisherige Höhepunkt war die New Work Experience vor einigen Wochen. Wie siehst Du die Veranstaltung im Rückblick und was wünscht Du Dir für nächstes Jahr?
Thomas Vollmoeller: Die New Work Experience in Berlin war ein echter Erfolg. Das sage zum Glück nicht nur ich, das ist auch das Feedback der Teilnehmer. Das Event hat mir auch persönlich unglaublich viel Spaß gemacht.
Wir wollen wichtige Impulse setzen und die richtigen Menschen zusammenbringen, um die Zukunft der Arbeit nicht allein technologischen Entwicklungen und alten Industrielogiken überlassen. Wir glauben, das Thema geht uns nicht nur alle an, wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Zukunft mitgestalten sollten. Und dass wir die Chance haben, die Arbeitswelt von morgen zu einer besseren zu machen. Deshalb sind wir bereits mitten in den Planungen für die nächste NWX, die am 6. März 2018 ihren Auftakt in der Elbphilharmonie haben wird.
saatkorn.: Das Thema New Work scheinst Du auch persönlich ernst zu nehmen. Mir zumindest sind kaum CEOs bekannt, die selbst ein Sabbatical gemacht haben. Was sind Deine Erfahrungen durch Dein Sabbatical?
Thomas Vollmoeller: Mein Sabbatical – ein durchaus angenehmes Beispiel für New Work. Ich habe mir eine Auszeit von drei Monaten genommen, und war gemeinsam mit meiner Frau unter Anderem in Australien, Myanmar und Südafrika unterwegs. Zeit genug hatten wir ja. Es war eine tolle Erfahrung und hat mir gezeigt, wie gut es tut, aus der Tretmühle des Alltags auszubrechen. Ich hatte Zeit, noch grundsätzlicher über XING nachzudenken. Dinge in Frage zu stellen, die wir ‚immer so gemacht‘ haben. Mich zu hinterfragen. Und es war auch eine sehr interessante Erfahrung zu sehen, dass ich ersetzbar bin. Mein Vorstandskollege Ingo hat mich nämlich super vertreten.
saatkorn.: Und wie haben die XING Mitarbeiter darauf reagiert?
Thomas Vollmoeller: Die haben das sehr positiv begleitet und sich gemeinsam mit mir gefreut, dass das Thema so viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Außerdem ist natürlich klar: Wenn ich das machen kann, gilt das auch für jeden Mitarbeiter. Ich ermuntere unsere Mitarbeiter dazu, es mir gleich zu tun! Sie haben erfahren: Der CEO findet es okay ein Privatleben zu haben, Interessen zu verfolgen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Mal rauszugehen, auf andere Gedanken zu kommen. Und ich bin überzeugt: Auch die Company profitiert davon. Man wird kreativer und hat ganz neue Ideen.
saatkorn.: Thomas, vielen Dank für das Interview – und weiterhin viel Spaß und Erfolg mit XING!