Ein Standort in Gütersloh bringt ja nicht nur – wie allgemein vermutet – Nachteile mit sich. Nein, man ist ja auch in der Nähe von Paderborn und damit auch in der Nähe der Uni Paderborn. Dort nun lehrt die Junior Professorin Anja Iseke und führt immer mal wieder aus meiner Sicht spannende Studien rund um das Themenfeld Employer Branding durch. Grund genug für ein Interview – auf geht’s:
saatkorn.: Frau Jun.-Prof. Iseke, bitte stellen Sie sich den Saatkorn. LeserInnen doch kurz vor!
saatkorn.: Wie sind Sie persönlich beim Themenfeld Employer Branding gelandet?
Wie in anderen Beziehungen auch, ist der Beginn einer Arbeitsbeziehung wichtig für den weiteren Verlauf: Wie schafft man es, dass sich der oder die Richtige für einen interessiert, welche Erwartungen haben beide Seiten, wie lernt man sich kennen? Diese Fragen finde ich spannend, denn sie tangieren ein Personalmanagementthema, das in der Forschung erstaunlicherweise noch relativ wenig Beachtung gefunden hat, aber für die Personalpraxis zunehmend wichtig wird. Daraus ergibt sich die Aufgabe für die Forschung, Erkenntnisse zu erzielen, die Unternehmen helfen, Employer Branding erfolgreich zu gestalten.
saatkorn.: Stellen Sie fest, dass das Thema generell für Studierende und Unternehmen an Bedeutung gewinnt?
Ganz klar. Studierende interessieren sich aus drei Gründen besonders für Employer Branding. Erstens betrifft es sie persönlich als Bewerber aktuell oder in naher Zukunft. Zweitens verknüpft das Thema zwei traditionell attraktive Arbeitsgebiete, nämlich Personalmanagement und Marketing. Und drittens erkennen Studierende an Job- und Praktikumsangeboten in dem Bereich, dass die Nachfrage nach Employer Branding-Kompetenzen steigt. Das ist ja auch ein Indiz dafür, dass Employer Branding für Unternehmen eine hohe strategische Bedeutung bekommen hat. Nicht nur für kleine und mittelständische Unternehmen wird es immer schwieriger, ihren Personalbedarf adäquat zu decken – für immer mehr Unternehmen werden Personalengpässe zu einem Wachstums- und Innovationshindernis, und die gezielte und effektive Ansprache von Fach- und Führungskräften ist oder wird eine Schlüsselkompetenz vieler Unternehmen.
saatkorn.: Naturgemäß führen Sie an der Universität immer wieder Studien rund um Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting durch. Aus diesem Grund werden wir auf Saatkorn. in den nächsten Monaten immer mal wieder Studienergebnisse vorstellen. Heute geht es los mit dem Thema „Work-Life Balance Praktiken und Arbeitgeberattraktivität“. Was war die konkrete Fragestellung, wen haben Sie befragt?
Work-Life-Balance (WLB) – in Zeiten von Fach- und Führungskräfteengpässen und der Generation Y als Zielgruppe auf dem Arbeitsmarkt ein wichtiges Recruiting-Thema. Immer mehr Unternehmen werben auf ihrer Karrierehomepage damit, dass sie Mitarbeitern freizeitorientierte HR-Praktiken, wie z.B. eine flexible Arbeitszeitgestaltung, bieten. Wir haben uns gefragt: Macht das Angebot von Work-Life-Balance Praktiken das Unternehmen für Hochschulabsolventen attraktiver? Reagieren Bewerber unterschiedlich auf Work-Life-Balance Praktiken?
Zusammen mit Patricia Kraus, Masterstudentin an unserer Fakultät, habe ich dazu knapp 200 Studierende verschiedener Universitäten in Deutschland online befragt. Allen Befragungsteilnehmern wurde eine Stellenanzeige für eine Trainee-Stelle in einem fiktiven Unternehmen gezeigt.
Per Zufallsgenerator wurde ungefähr der Hälfte aller Befragten zusätzlich ein Ausschnitt der Karriereseite des Unternehmens gezeigt (siehe folgende Grafik). Dieser Ausschnitt umfasste die Information, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle bietet, zusammen mit zwei Testimonials von Mitarbeitern.
Alle Befragungsteilnehmer wurden anschließend gebeten anzugeben, wie attraktiv sie das jeweilige Unternehmen finden und ob sie beabsichtigen, sich bei dem Unternehmen zu bewerben.
saatkorn.: Welche Ergebnisse der Studie haben Sie persönlich überrascht, womit haben Sie gerechnet?
Wir haben damit gerechnet, dass das Angebot von Work-Life-Balance Praktiken den Arbeitgeber generell attraktiver macht; es stellt schließlich einen zusätzlichen Benefit dar. Interessanterweise reagieren sehr leistungsorientierte Studierende kaum auf das Zusatzangebot, während weniger leistungsorientierte Studierende sich mit größerer Wahrscheinlichkeit bewerben, wenn das Unternehmen flexible Arbeitszeiten anbietet. Dieses Ergebnis kann man damit erklären, dass Hochschulabsolventen, die in der Regel über geringe Berufserfahrung verfügen und nur wenig über das Unternehmen wissen, das Angebot von Work-Life-Balance-Praktiken als Signal für eine geringere Leistungsorientierung des Unternehmens interpretieren.
Überrascht hat uns, dass Frauen dies jedoch offenbar anders interpretieren als Männern: Leistungsorientierte Frauen finden das Unternehmen attraktiver, wenn es Work-Life-Balance Praktiken anbietet. Bei leistungsorientierten Männer ist es umgekehrt: Sie schätzen die Attraktivität niedriger ein, wenn das Unternehmen Work-Life-Balance Praktiken offeriert.
saatkorn.: Welche Implikationen leiten Sie aus Ihrer Studie für Unternehmen ab, gibt es Handlungsempfehlungen?
Unternehmen sollten sich bewusst machen, dass nicht alle Hochschulabsolventen in gleicher Weise auf Work-Life-Balance-Angebote reagieren. Unsere Studie liefert Hinweise darauf, dass leistungsorientierte Frauen andere Jobmerkmale attraktiv finden als leistungsorientierte Männer. Unternehmen müssen leistungsorientierte Frauen also anders ansprechen als leistungsorientierte Männer.
Allgemein zeigt die Studie, dass Unternehmen Employer Branding gezielt nutzen können, um die passenden Kandidaten zu einer Bewerbung zu motivieren und die Anzahl unpassender Bewerbungen zu reduzieren. Das setzt aber voraus, dass man zwei Dinge weiß, nämlich a) welchen Bewerbertyp man rekrutieren möchte und b) welche Angebote und Informationen dieser Bewerbertyp attraktiv findet. Hier gibt es noch weiteren Forschungsbedarf.
saatkorn.: Vielen Dank, Frau Iseke – ich bin schon gespannt auf die nächsten Studien!