Eine Marke für Alles – Kolumne von Frank Schabel
Gäbe es den Fachkräftemangel nicht, hätte es den bis heute anhaltenden Hype um Employer Branding wohl nicht gegeben. Er hat dafür gesorgt, dass HR-Verantwortliche darauf pochen, neben die Corporate Brand eine eigene Marke zu stellen: Nur über eine Arbeitgebermarke sei es möglich, auf dem umkämpften Arbeitsmarkt die passenden Talente in der gebotenen Anzahl zu finden. Lassen wir dabei die dahinter lauernde Frage nach Macht- und Anerkennungszuwachs für den HR-Bereich beiseite.
Überzeugt hat mich diese Argumentation nie. Eine Marke sollte stark genug sein, bei allen Zielgruppen zu greifen – bei Kunden genauso wie bei Partnern, Mitarbeitern und Bewerbern. Das schließt keineswegs aus, im Gegenteil, die Markeninhalte je nach Zielgruppe differenziert zu präsentieren und hierfür eigene Kampagnen zu lancieren. Nur: Ihr Stoff, ihre Botschaften und ihr zentrales Design kommen aus dem Markenkern und werden nicht losgelöst entwickelt.
In der heutigen Praxis bewegen wir uns bei Corporate und Employer Brand oft in hybriden Welten. Bildet die Marke in Unternehmen die zentrale Richtschnur, sieht es für Employer Branding eher schlecht aus. Meist sind diese Unternehmen auch ohne Arbeitgebermarke auf dem Arbeitsmarkt attraktiv genug. Je weniger die Marke leitet und je schlechter die Karten für Unternehmen auf dem Bewerbermarkt aussehen, umso mehr Fläche gewinnt eine Zwei-Marken-Welt.
Dass sich Marketing- und HR-Abteilungen hierbei abstimmen, ist nicht die Regel. Dann heißt hybrid gleich intransparent und unklar, wer welche Markenthemen treibt. Das ist gegenwärtiger umso relevanter, da sich zwei Themen in den Vordergrund spielen: Nachhaltigkeit und Purpose. Beide Themen spielen für alle Zielgruppen eines Unternehmens eine wichtige Rolle, für Kunden genauso wie für Bewerber. Nur, wer bindet jetzt diese Themen wohldurchdacht in den gesamten Markenauftritt ein? Jeder für sich, so es ein Corporate und Employer Branding gibt. Oder schlägt jetzt wieder die Stunde für einen zentralen Ansatz?
Aus meiner Sicht ja: Nachhaltigkeit und Purpose sollten aus einem Guss präsentiert werden und einheitlich in einer Marke integriert sein. Denn die Frage, welchen Sinn ein Unternehmen stiftet, berührt direkt den Markenkern, die diesen Purpose widerspiegeln muss. Ähnliches gilt für Nachhaltigkeit. Meinen es Unternehmen ernst mit ihr, gilt es, sie in die Marke einzubetten. Sonst ist die Gefahr groß, das sehen wir derzeit, dass Nachhaltigkeit und Purpose ebenfalls als eigenständige Themen kommuniziert werden. Als neuer separater Strang des Außenauftritts. Um Zielgruppen nicht noch mehr zu verwirren, sollten die Themen wieder verknüpft werden.
Wenn Marken mehr denn je gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen aufgreifen, stellt sich auch die Frage nach der Markenarchitektur neu: Wie fest bleibt ein Markenkern in schnelllebigen Zeiten und wie fluide seine Oberfläche nach außen, ohne den Markenkern zu pulverisieren. Einfach ist dieser Spagat beileibe nicht. Denn Markenkerne sind idealtypisch ein stabiles Konstrukt, das Orientierung und Sicherheit erzeugen soll.
Stabil heißt jedoch nicht unantastbar. Wenn sich Märkte und Bedürfnisse von Zielgruppen schnell ändern, steht die Marke regelmäßig auf dem Prüfstand. Erst recht bei so dominanten Themen wie Nachhaltigkeit und Purpose. Müssen die Markenwerte adaptiert werden? Stimmt die Positionierung noch? Was bleibt Kern, was erodiert und muss neu justiert werden. Zwischen Konstanz und Wandel zu balancieren, wird mehr und mehr zu einer hohen Markenkunst.
Aber vielleicht sind solche Überlegungen längst Makulatur, wie das gute alte Sender-Empfänger-Modell. Heute beeinflussen Kunden, Influencern, NGOs und Mitarbeitern sowie das Partnernetzwerk mit ihrer Kommunikation die Marken immer stärker. Vorbei scheinen die die Zeiten zu sein, in denen Markenführung noch eine Hoheitsdisziplin omnipotenter Marketer war.
Frank Schabel, Senior Advisor mit den Schwerpunkten Change, Marketing und Kommunikation