Diversity: CEO trotz Schwerbehinderung
Diversity wird leider oft immer nur auf das Geschlechtsthema reduziert. Dabei ist das Themenfeld ja viel breiter. Was mir persönlich auf die Nerven geht, ist dass gerade Behinderungen immer noch so oft ein Tabu-Thema sind. Aber es gibt ja auch inspirierende Beispiele von Menschen, die trotz Handicap Herausragendes leisten.
K. Nadeem Arif ist so ein Mensch. Er ist Gründer und CEO von outsourcing4work. Und ich freue mich sehr, dass er seine Story hier und heute auf SAATKORN erzählt. Für mich ein gelebtes Diversity Beispiel, aber lest selbst:
SAATKORN: Herr Arif, bitte stellen Sie sich den SAATKORN Leser:innen doch kurz vor.
Mein Name ist K. Nadeem Arif. Ich bin 1969 in Lahore, Pakistan geboren und bin 1985 als Asylsuchender nach Deutschland gekommen. Nun lebe ich mit meiner Familie in Groß-Gerau in Hessen. Seit 2007 bin ich an CFS (Chronisches Erschöpfungssyndrom) erkrankt und schwerbehindert.
SAATKORN: Was macht outsourcing4work?
outsourcing4work wurde 1993 von mir gegründet. Wir haben uns von einem Softwareunternehmen zu einem Berater in Personalfragen und Vermittler von IT-Fachkräften aus Indien entwickelt. outsourcing4work verbindet die Vorteile des Offshore-Outsourcings mit der Sicherheit und Qualität eines deutschen Vertragspartners. Unser Businessmodell ist vielversprechend: Flexibel, zeit- und kostensparend. Wir schützen vor den Risiken.
Unsere indischen IT-Experten arbeiten zum einen remote von Indien aus und zeitgleich bieten wir Unternehmen in Europa auch unser erfolgreiches Recruiting-Outsourcing (Relocation) an. Hierbei suchen wir nach den besten IT-Fachkräften und unterstützen unsere Kunden beim sogenannten Relocation Prozess, hier finden Sie mehr Informationen www.outsourcing4work.de. Heute gehört outsourcing4work zu einem der ältesten und erfolgreichsten 100%-Remote-Unternehmen in Deutschland.
SAATKORN: Das ist wirklich etwas Besonderes, in Ihrer Situation ein Unternehmen führen. Wie funktioniert das ganz praktisch: ein international erfolgreiches Unternehmen leiten – und das krankheitsbedingt meist vom Bett aus?
Ich bin in der glücklichen Lage, trotz meiner Einschränkungen durch die Krankheit eine sinnvolle und produktive Arbeit zu haben. Mein Unternehmen war schon immer meine Arbeit und auch meine Leidenschaft. Wenn meine Gesundheit es zulässt, arbeite ich sitzend oder liegend. Da ich grundsätzlich an keinen Kunden-, Partner- oder anderen Terminen teilnehme und das komplette Tagesgeschäft an unsere sehr selbständig arbeitenden Mitarbeiter übertragen habe, bin ich an keine Zeiten gebunden. Ich kümmere mich hauptsächlich um die strategischen Arbeiten im Unternehmen. Diese Arbeiten kann ich auch dann nachgehen, wenn ich im Bett liege. Dabei nutze ich sehr häufig mein Smartphone, um Notizen zu schreiben oder kurz mit den Mitarbeitern zu kommunizieren.
SAATKORN: Nun ist die outsourcing4work ja kein Einpersonen-Unternehmen, sondern Sie haben mehr als 150 Mitarbeiter:innen. Wie funktioniert Führung in Ihrer Situation?
Zunächst einmal spielt Vertrauen eine wichtige Rolle, auf beiden Seiten. Viele Führungskräfte und Manager denken, dass bei dezentralen Strukturen die Mitarbeiter verloren gehen und man die Kontrolle verliert. Dabei liegt auch bei einer zentralen Führung der Erfolg nicht in der Kontrolle, sondern im Vertrauen und Zutrauen. Vertrauen bildet die Grundlage für die Führung von Mitarbeitern auf Distanz.
Bei outsourcing4work erhalten die Mitarbeiter mehr Verantwortung und müssen befähigt werden eine Selbstkontrolle durchzuführen. Unsere Mitarbeiter können sich somit in unser Unternehmen selbstverantwortlich mit einbringen. Die Aufgabe unseres Managements ist es, die Mitarbeiter und deren Fähigkeiten zu fördern, damit diese eigenverantwortlich die wertschöpfenden Prozesse durchführen können.
Bei outsourcing4work übernimmt das Management die Verantwortung für die Ausarbeitung der Prozesse, so dass die Mitarbeiter die erforderlichen Aufgaben erfüllen können. Zu den Kernaufgaben von unseren Führungskräften gehört daher, dass diese Ihre Teams und Mitarbeiter koordinieren, unterstützen, beraten und diese zur Selbstführung befähigen.
SAATKORN: Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach unternehmensintern gegeben sein, damit eine Schwerbehinderung kein Grund ist, Führungskraft zu werden und zu sein und Diversity wirklich leben zu können?
Grundsätzlich beinhalten die Aufgaben einer Führungskraft das Managen von Personen und Prozessen. Im Mittelpunkt der Führungsaufgabe steht der Aufbau einer sozialen Organisation mit der Intension, eigene oder fremdgestellte Aufgaben zu lösen, wobei die Ausrichtung an den Unternehmenszielen und natürlich den wirtschaftlichen Erfolg gerichtet werden sollten. Dies ist auch für Menschen mit Behinderung möglich, die keine geistigen Einschränkungen haben.
Die Digitalisierung bietet unerschöpfliche neue Möglichkeiten und Chancen auch Menschen mit Behinderung einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Es bestehen nahezu keinerlei Grenzen, wenn die Vorteile der Digitalisierung genutzt werden. Sie ermöglicht Unternehmen dezentrale und flexible Organisationsstrukturen aufzubauen und somit auch die Möglichkeit Menschen mit Behinderung leichter zu integrieren. Natürlich spielt hierbei die Unternehmenskultur und ein gutes Change Management eine wichtige Rolle. Eine Schwerbehinderung sollte daher, niemals ein Ausschlusskriterium sein.
SAATKORN: Wie wichtig ist es Ihnen, mit Ihrer Schwerbehinderung ein Role Model für mehr Diversity zu sein?
Es war eine sehr schwere Entscheidung für mich über meine Krankheiten und Schwächen in der Öffentlichkeit zu sprechen und es hat lange gedauert, bis ich mich dazu durchringen konnte. Von einem erfolgreichen Unternehmer erwartet man eigentlich Stärke und jemand der im Unternehmen überall präsent ist. Kein Zweifel, dass ich durch meine Krankheiten nicht mehr dieselben Möglichkeiten habe, wie ein gesunder Mensch. Ich möchte aber mit meinem Beispiel kranken und behinderten Menschen Mut machen und im Sinne von Diversity auch Wege aufzeigen, wie sie die Digitalisierung und die Möglichkeiten der remote Arbeit für ein besseres, aber auch wirtschaftlich erfolgreichen Lebens für sich nutzen können. Dafür veranstalten wir verschiedene Events und führen Webinare unter dem Titel „Remote Arbeit – so können Menschen mit Behinderung davon profitieren“ durch.
Mein persönliches großes Ziel ist, ich möchte die wirtschaftlich sehr zurückgebliebene Stadt Rabwah (Chenab Nagar) in Pakistan, wo ich einige Jahre gelebt habe bevor ich ausgewandert bin, zu einem IT Hub für remote Arbeit entwickeln. In den nächsten 5 Jahren plane ich 1.000 neue Arbeitsplätze in Pakistan zu schaffen.
SAATKORN: Welche Reaktionen erleben Sie auf Basis Ihrer persönlichen Geschichte und Situation auf Kund:innenseite und auf Mitarbeiter:innenseite?
Leider ist es mir seit vielen Jahren nicht mehr möglich, mit unseren Kunden im direkten Kontakt zustehen. Seitdem ich meine Geschichte öffentlich gemacht habe, bekomme ich durchweg positive Rückmeldungen und Anerkennung.
SAATKORN: Wie können wir als Gesellschaft dahin kommen, dass mehr Selbstverständlichkeit für die Integration von behinderten Menschen im Arbeitsleben entsteht?
Da sehe ich vor allem folgende Themen:
- Eine Krankheit/Behinderung nicht als Hindernis ansehen
- Die Chancen der Digitalisierung nutzen
- Remote Integration von Menschen mit Behinderung
- Open Mindset und offen für neues sein
- Gleichberechtigung
- Zugang zum Arbeitsmarkt (antidiskriminierungsstelle.de)
SAATKORN: Herr Arif, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch rund um gelebte Diversity und wünsche Ihnen weiterhin viel Spaß und Erfolg mit outsourcing4work!