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Digitale Transformation wird unterschätzt

Digitale Transformation: eine neue Studie von etventure und der GFK zeigt erheblichen Nachholbedarf für deutsche Unternehmen. Insbesondere die Zusammenarbeit von Startups und Großunternehmen sollte intensiviert werden. Engpass sind wie so oft die richtigen Mitarbeiter. Ich hatte Gelegenheit mit Phlipp Depiereux, Unternehmer und Gründer von etventure, zu sprechen. Auf geht’s: 

saatkorn.: Philipp, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.

Philipp Depiereux von etventure

Philipp Depiereux, echter Unternehmer und Gründer der Digitalberatung und Startup-Schmiede etventure. Gemeinsam mit meinen Partnern, Philipp Herrmann und Christian Lüdtke, habe ich etventure 2010 mit der Vision gegründet, die Erfahrungen als Unternehmer und Innovationstreiber im Mittelstand, in der Konzernwelt, in Startups sowie in Digitalprojekten im Silicon Valley in einem Unternehmen zu bündeln.

Unter dem Leitgedanken „Nur echte Unternehmer treiben den digitalen Wandel“ unterstützen wir Unternehmen aus verschiedensten Branchen, wie etwa die Wüstenrot & Württembergische, das Family-Equity-Unternehmen Haniel, den Stahlhändler Klöckner oder Daimler Financial Services, dabei, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren. Gleichzeitig bauen wir als Company Builder eigene Startups unter dem Dach von etventure auf.

Digitale Transformation: Chefetagen unentschlossen

saatkorn.: Ihr habt gerade in Zusammenarbeit mit der GfK eine Studie zum Thema „Digitale Transformation“ veröffentlicht. Was war das Setting der Studie, wer wurde wann befragt?
Die Studie trägt den Titel „Digitale Transformation und Zusammenarbeit mit Startups in Großunternehmen“. Dafür hat die GfK Nürnberg Anfang dieses Jahres eine telefonische Befragung unter den 2.000 Großunternehmen in Deutschland durchgeführt, die einen Mindestumsatz von jährlich 250 Millionen Euro ausweisen. Befragt wurden Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte, die mit der Digitalisierung in den jeweiligen Unternehmen befasst sind.

Zentrale Ergebnisse der Studie von etventure

saatkorn.: Ist auf Basis Eurer Studie inzwischen breitflächig angekommen, dass die digitale Transformation eine Kernherausforderung für nahezu jedes Unternehmen ist – oder gibt es insgesamt immer noch große Beharrungstendenzen?
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass das Thema Digitalisierung und noch viel wichtiger, die Frage „Wie soll ich das Thema für mein Unternehmen angehen?“ noch längst nicht in allen Unternehmen angekommen ist. Beispielsweise geben gerade einmal 6 Prozent der befragten Unternehmen an, dass die Digitalisierung für sie das Top-Unternehmensthema ist. Und nur weitere 35 Prozent sehen die Digitalisierung als eines der drei wichtigsten Themen. Wenn aber, wie man daraus ablesen kann, eine deutliche Mehrheit der Unternehmen Digitalisierung heute noch immer nicht als eines der Top-Unternehmensthema auf der Agenda hat, sehen wir durch die Befragung bestätigt, dass viele Unternehmen – auch entgegen mancher Selbsteinschätzung – noch unzureichend auf die Digitalisierung vorbereitet sind.

Die Untersuchung zeigt außerdem erstmals dezidiert, was die größten Hemmnisse in den Unternehmen bei der Digitalen Transformation sind. Das Stichwort „Bewahrerorganisation“ passt in diesem Zusammenhang sehr gut: Als das mit Abstand größte Hemmnis der Digitalisierung wurde die Verteidigung bestehender Strukturen genannt.

Zentrales Hemmnis: Bewahrertendenzen

Auch fehlende Zeit und Erfahrung spielen natürlich eine Rolle. Außerdem wurde bemängelt, dass man in den jeweiligen Bereichen zu festgefahren sei und Führungskräfte vor den weitreichenden und radikalen Entscheidungen zurückscheuen, die aber für die Digitale Transformation essentiell sind.

Digitale Transformation muss Chefsache sein

saatkorn.: Was sind Eure Handlungsempfehlungen Richtung Unternehmen?
Für uns sind es im Prinzip fünf zentrale Regeln der Digitalisierung. Zusammengefasst sind dies: Digitalisierung ist Chefsache, Digitalprojekte müssen zunächst außerhalb des Unternehmens, im geschützten Raum entwickelt, getestet und prototypisch umgesetzt werden, radikal nutzerzentriert mit Design-Thinking-Methoden arbeiten, mit dem Lean-Startup-Ansatz in kurzen Entwicklungszyklen testen und last but not least braucht es Mitarbeiter mit einer Startup-DNA.

saatkorn.: Was heißt das im Einzelnen?
Zunächst muss jedem Unternehmen klar sein: Die Digitale Transformation bedeutet einen radikalen Eingriff in bestehende Prozesse und Strukturen im Unternehmen. Entscheidungen mit dieser Tragweite können letztlich nur Vorstand und Geschäftsführung treffen. Die volle Rückendeckung der Chefetage ist deshalb Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung.

Der größte Widerstand, wie die Studie – wie gerade erwähnt – auch zeigt, kommt aus der Organisation selbst. Daher starten wir Digitalprojekte grundsätzlich außerhalb der Unternehmen, in einem geschützten Raum. Nur in einem solchen Rahmen ist der notwendige Freiraum für innovatives Denken und agiles Testen gegeben. Ideen, die im Kleinen nachweislich erfolgreich sind, lassen sich dann im Unternehmen auch leichter durchsetzen.

Der Ansatz des Design Thinking stellt den Kunden in den Mittelpunkt: Das heißt, nur die Idee, die auch wirklich ein Kundenbedürfnis bedient, setzt sich durch. Entscheidend ist, dass das Produkt auch im weiteren Verlauf nur die allernötigsten Funktionen umfasst, die man braucht, um ein Problem zu lösen.

Ergänzt wird dieses Vorgehen durch den Lean-Startup-Ansatz: Nach dem Motto „fail fast and cheap“ wird durch Lean-Startup schon in einer frühen Phase deutlich, wel- ches Geschäftsmodell Potenzial hat und welches nicht. Durch das Vorgehen mit diesem Methodiken, vergehen so von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt nur wenige Wochen. Und Schnelligkeit ist einer der Schlüssel bei der digitalen Transformation.

Und schließlich: Es braucht die richtigen Mitarbeiter für die Digitalisierung. Denn neue Technologien und Innovationen erfordern auch neue Kompetenzen. Digital-Know-how ist dabei wichtiger als Branchenkenntnis. Erfolgreiche digitale Entrepreneure verbinden als „echte Unternehmer“ Expertise aus verschiedenen Welten, dazu gehört Konzernerfahrung, aber vor allem unternehmerisches Mindset und Startup-Mentalität.

Digitale Transformation: Engpass Mitarbeiter

saatkorn.: Wie findet man solche Mitarbeiter?
Das genau ist das entscheidende Problem. Dieses Profil des „Digital Entrepreneurs“ ist ein rares Gut. Aus diesem Grund hat etventure vor Kurzem gemeinsam mit der Personal- und Unternehmensberatung Kienbaum das Joint Venture „Unternehmer-Schmiede“ gegründet. Die Unternehmer-Schmiede versteht sich als Manufaktur für Führungs- und Fachkräfte mit unternehmerischer Digitalkompetenz. Das heißt, dass Kandidaten nicht einfach nur rekrutiert werden, sondern durch ein individuelles „on the job“ Training weiterentwickelt werden. Das Ziel ist es, die notwendigen Kompetenzen und Methoden zu vermitteln, damit die „Digital Entrepreneurs“ dann im jeweiligen Unternehmen eigenständig Digitalprojekte leiten und vorantreiben können.

saatkorn.: Zu guter Letzt: was hat Dich persönlich an den Studienergebnissen am meisten überrascht?
In erster Linie hat die Studie viele Dinge bestätigt, die wir regelmäßig auch bei Gesprächen mit Vorständen und Geschäftsführern hören. Sie müssen heute nicht mehr erklären, welche Bedeutung Digitalisierung für das jeweilige Unternehmen hat. Die Frage ist eher, wie schaffen wir das? Wie setzen wir eine Digitalstrategie auf und wie können wir im Unternehmen den notwendigen Kulturwandel anstoßen? Hier muss sich die Erkenntnis durchsetzen, der Weg ist das Ziel. Keine Strategie, die dann wasserfallartig abgearbeitet wird. Wenn Sie so vorgehen, können Sie sicher sein, dass ein digitales Unternehmen, sei es Startup oder eines der etablierten Tech-Unternehmen, in der Zwischenzeit längst die Schnittstelle zum Kunden besetzt hat. Geschwindigkeit ist entscheidend, mit ersten Ideen zu starten und dann mit dem bereits beschriebenen Vorgehen, erste digitale Leuchtturmprojekte aufbauen.

Aber um doch einen Punkt zu nennen, der mich in diesem Ausmaß überrascht hat: In drei Viertel der Unternehmen (76 Prozent) wird die Digitalisierung der hauseigenen Unternehmensentwicklung oder der IT-Abteilung anvertraut. Meine These dazu: Der überwiegende Teil wird auf diesem Weg scheitern. Denn, die Kernaufgabe des IT-Leiters ist es, die IT-Infrastruktur fehlerfrei am Laufen zu halten und ständig weiter zu entwickeln, während für die Digitalisierung vor allem eine schnelle Produktentwicklung, radikale Nutzerzentrierung und Datenfokussierung wichtig ist. Dies ist weitestgehend konträr zur eigentlichen DNA einer IT-Abteilung. Daher ganz wichtig: Digitalisierung ist kein IT-Thema!

saatkorn.: Vielen Dank für das Interview.

 

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