Wie im Mittelstand das Thema digitale Ausbildung angegangen wird, zeigt das Unternehmen Riva Engineering, ein auf Glas- und Metallgebäude spezialisierter Fassadenbauer. Ich hatte Gelegenheit, mit Sven Meyer und Bernhard Pallas zu sprechen. Auf geht’s:
saatkorn.: Bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.
Sven Meyer: Ich bin Sven Meyer, Meister für Metallberufe und Ausbildungsleiter bei der Riva GmbH Engineering. Meine Erfahrungen kommen aus der Fertigung, Ausbildung sowie Berufs- und Arbeitspädagogik im Strafvollzug. Bei der IHK bin ich ehrenamtlich in den Prüfungsausschüssen für die Aus- und Weiterbildung aktiv.
Bernhard Pallas: Mein Name ist Bernhard Pallas, Diplomingenieur Maschinenbau und Leiter der IT bei Riva. Nach Tätigkeiten im Ingenieurbereich habe ich mehr als zwei Jahrzehnte in der IT zugebracht. Hier bei RIVA bin ich ebenfalls Ausbilder für IT Berufe und engagiere mich zudem ehrenamtlich bei der IHK in den entsprechenden Prüfungsausschüssen.
saatkorn.: Was sind die wesentlichen Herausforderungen im Ausbildungsmarketing und -recruiting für die Riva Engineering?
Meyer: In vielen Betrieben bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Für uns hingegen ist die große Herausforderung, aus der Anzahl der vielen Bewerber diejenigen herauszufinden, die unsere Firmenwerte teilen und mittragen wollen. Neben der Leidenschaft für unsere Produkte und großem Interesse an den Tätigkeiten, die wir anbieten, gehören dazu der respektvolle Umgang miteinander, der Wille, herausragenden Leistungen zu erreichen und das Durchhaltevermögen das Erreichte zu halten und sich stets zu verbessern.
saatkorn.: Sie haben sich diesen Herausforderungen mit einem umfassenden Personalmarketing und -recruiting Ansatz gestellt. Es wäre klasse, wenn Sie zunächst etwas zur Ausbildung bei Riva Engineering erläutern könnten, denn auch die ist ja nicht 08/15…
Meyer: Unser Ziel war es von Anfang an, die Ausbildung zu 100% zu digitalisieren. Besonders zur Migration in die Cloud gab es dabei anfänglich einige Diskussionen. Doch inzwischen haben wir unser Ziel weitestgehend erreicht. Jeder Einsteiger bekommt direkt zu Beginn der Lehrzeit ein eigenes Tablet, das über die gesamte Lehrzeit hinweg treuer Begleiter ist. Wir bieten die Lerninhalte für die Industriemechaniker, Mechatroniker, Industriekaufleute und Fachinformatiker ausschließlich digital auf dem persönlichen Gerät der Azubis an. Dafür hat der Cloud-Spezialist IT-Improvement GmbH eine eigene Ausbildungsplattform auf Basis von Office 365 und Microsoft Azure konzipiert und entwickelt – Connect2Learn. Dabei wurden die Anforderungen von IT- und Ausbildungsleitung ebenso mit einbezogen wie die Wünsche der Azubis selbst. Dort ist die gesamte Ausbildungsverwaltung wie Zeiterfassung, Urlaubsantrag, Krankmeldung, Schichtplanung und Ausbildungsnachweis als App Wochenbericht 4.0 enthalten.
Ebenso von IT-Improvement neu entwickelt, wurden auf Microsoft Power BI basierende Reports für Ausbilder, die auf einen Blick zeigen, welche Berichte fehlen oder noch nicht freigezeichnet wurden. Zudem wollen wir erreichen, dass unsere Auszubildenden vernetzt in ihrem digitalen Klassenzimmer ihre Ausbildungsinhalte möglichst selbstständig erarbeiten. Ein weiteres Beispiel aus der Alltagspraxis ist die Vollvernetzung der Lehrmaschinen im umfangreichen RIVA-Maschinenpark, die für die Azubis via Cloud erreichbar sind.
saatkorn.: Wie wird das nun an den Mann bzw. die Frau gebracht? Welche Kanäle bespielen Sie im Ausbildungsmarketing?
Meyer: Wir sind aktiv bei Facebook, Instagram und Youtube. Daneben sind wir auf lokalen Bildungsmessen und Schulveranstaltungen vertreten und stehen in regem Austausch mit unserer örtlichen IHK. Unsere Ausbildung soll ganz vorne mit dabei sein und deswegen entwickeln wir unsere eigene Ausbildung 4.0.
saatkorn.: Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach digitale Kanäle?
Meyer: Unsere Azubis sind zwar als „Digital Natives“ quasi mit dem Handy in der Hand auf die Welt gekommen. Trotzdem ist es schwierig, den Azubis die Bedeutung der Digitalisierung in der Fertigung nahezubringen. Beispielsweise muss ein zukünftiger Industriemechaniker in der Lage sein, über einen Bildschirm mehrere Anlagen zu überwachen und zu steuern, um bei Bedarf die richtigen Maßnahmen einzuleiten
Pallas: Im IT-Bereicht ist es zwar normal Informationen digital weiterzugeben. Doch insgesamt sind unsere Projekte so komplex und qualitativ auf einem so hohen Niveau, dass wir das ohne Digitalisierung überhaupt nicht bewältigen könnten. Mit Connect2Learn wird den jungen Mitarbeitern der Zugang zur Industrie 4.0 erleichtert und sie erwerben von Anfang an die Digital- und Medienkompetenzen, die sie bei RIVA brauchen.
saatkorn.: Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts Ausbildung 4.0?
Pallas: Als IT-Leiter habe ich natürlich zuerst die Datensicherheit im Blick. Deshalb mussten wir eine Lösung finden, die die Datensicherheit absolut gewährleistet. Außerdem sollte es schnell gehen, damit sind sofort selbst entwickelte Cloud Lösungen rausgefallen. Eine Anforderung war auch, die volle Kompatibilität mit den Standard-Office Anwendungen von Microsoft – und zwar auf jedem Gerät!
Meyer: Wir wollten die Lösung für unsere Azubis möglichst attraktiv gestalten. Die Azubine und der Azubi sollten sich sofort in die Lösung einfinden und bestimmte Funktionen wie Newsfeeds oder chatbasierte Teamarbeit aus der privaten Nutzung digitaler Netzwerke wiedererkennen, quasi ein Coming-Home-Effekt. Die Funktionalitäten digitaler Netzwerke liefern Komponenten von Office 365.
saatkorn.: Und was waren die zentralen Erfolgsbedingungen?
Meyer: Wichtig war, dass sich alle unsere Ausbilder auf dieses Neuland gewagt haben und dass wir – Ausbildung, IT und Geschäftsleitung – uns am Schluss absolut einig waren, wie dieser Weg beschritten wird.
Pallas: Da kann ich mich nur anschließen. Mit Hilfe von Microsoft und unserem Partner IT-Improvement haben wir es geschafft in nur drei Monaten in die Cloud zu migrieren. Der Plan der attraktiven Ausbildung 4.0 ging voll auf: Die hohe Ausbildungsquote bei RIVA von fast 20% ist eine der besten unter den Unternehmen der Region.
saatkorn.: Herr Meyer, Herr Pallas, vielen Dank für das Interview.