Die selbstwirksame Organisation – das Playbook für intelligente Kollaboration. So heißt das neue Buch von Autor Gebhard Borck. Ich hatte Gelegenheit, mit dem Autor zu sprechen und er hat dankenswerter Weise 3 druckfrische Bücher in die SAATKORN Lostrommel gepackt. Dazu mehr unten. Jetzt auf ins Interview:
SAATKORN: Herr Borck, bitte stellen Sie sich den SAATKORN Leser*innen doch kurz vor.
Ich bin ein Transformations-Katalysator. Sprich, ich reduziere die Energie, die eine Firma benötigt, um sich grundlegend zu verändern. Das erreiche ich mit, aus der Praxis erprobten Denkwerkzeugen. Indem ich konkrete, drängende Probleme meiner Kunden auf eine oft für diese ganz neue Art angehe und löse, geschieht die Veränderung, während wir die anstehende Arbeit erledigen. So gesehen bin ich mehr als ein Berater: Anstatt Luftschlösser zu bauen, decke ich Konflikte auf, rede Tacheles. Neben diesem Fokus meines Engagements mache ich auch Vorträge, schreibe Bücher und unterstütze Geschäftsführer als Sparringpartner in ihrer persönlichen Entwicklung. Im Kern geht es mir darum, dass wir eine wünschenswerte und doch eher seltene Fairness systematisiert in die Wirtschaft bringen.
SAATKORN: Gerade ist ein spannendes Buch von Ihnen erschienen: „Die selbstwirksame Organisation – das Playbook für intelligente Kollaboration“. Wie ist die Idee zu dem Buch entstanden?
Ganz ehrlich? Als der Verlag im Herbst 2019 auf mich zu kam, um ein Erklärbuch zu den Geschichten aus meinem Vorgängerbuch „Chef sein? Lieber was bewegen!“ zu schreiben, hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Zum einen war der Auftragskalender für 2020 bereits gut gefüllt. Zum anderen gibt es schon so viele Bücher darüber, wie neues Arbeiten wiederholbar funktionieren soll. Aus zwei Gründen setzte ich mich schließlich auf den Hosenboden und nahm die Herausforderung an. Der Erste war Corona. Indem die meisten Kunden unsere Zusammenarbeit gleich zu Beginn der Pandemie auf Eis legten, schenkten sie mir die nötige Zeit. Der Zweite war wichtiger. Mein Verlag bot mir sein Format des Playbooks an. Darin durfte ich wiederum frei schalten und walten. Allein die Vorstellung, eine Spielanleitung für mein Bild von Betriebswirtschaft zu schreiben, elektrisierte mich. Schon in meinem allerersten Buch wies ich darauf hin, dass kooperative, lebensbejahende Firmen Arbeit als Spiel verstehen. Also liegt es doch sehr nahe, sie im Format eines Playbooks zu unterstützen? Ein Regelwerk, um eine ganz andere Betriebswirtschaft spielen zu lernen.
SAATKORN: Was verstehen Sie unter „Selbstwirksamkeit“?
Aus der Psychologie hergeleitet ist es die Überzeugung eines einzelnen Menschen, auch schwierige Situationen und Probleme aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Das ist eine der wichtigsten Grundlagen für ein zufriedenes Leben. Denn fehlt mir der Glaube, etwas erreichen zu können, sinkt die Wahrscheinlichkeit enorm, dass es dennoch gelingt.
Auf eine Organisation übertragen, geht mein Verständnis weiter. Ich sehe es als die Fähigkeit von Firmen, völlig unvorhersehbare Herausforderungen gerade durch die kluge Zusammenarbeit der Menschen zu meistern. Und ich stelle mich schon seit Jahren der Aufgabe, Betrieben dieses Können systematisiert zu erschließen.
SAATKORN: Ein zentraler Begriff in Ihrem Buch „Die selbstwirksame Organisation“ ist die „Betriebskatalyse“. Was ist damit gemeint?
Ich bin überzeugt, formale Weisungsbefugnis ist das Problem, für dessen Lösung sie sich hält. Im Dreiklang aus Anweisung, Kontrolle und Belohnung/Bestrafung soll wiederholbar effizient Höchstleistung entstehen. Dazu erklären wir auf einem Stück Papier, dem Organigramm, wer denkt und wer arbeitet. Schon seit ein paar Jahrzehnten zeigen sich die Grenzen des Erfolgs, so Firmen zu strukturieren. Auf diese Art rauben sich die Betriebe den Zugang zur Klugheit weiter Teile ihrer Belegschaft. Doch die ist leider nötig, wollen sie in einer komplexen Wirtschaftswelt überleben. Neben diesen und anderen ausführlich bekannten Schwierigkeiten, die klassisches Management mit sich bringt, übernimmt es allerdings überlebensnotwendige Aufgaben in einer Organisation. Dazu gehören vor allem auch Steuerung und Erfolgsprüfung.
Da meine Inhalte in konkreten Kundenprojekten entstehen, brauchte ich schon vor über zehn Jahren ganz praktische Antworten auf Fragen wie: „Sagen wir, die Führungskräfte sind weg, wie weiß die Firma dann, ob sie noch erfolgreich ist? Ein Mitarbeiter, der keine Ansagen mehr bekommt, mach doch letzendlich, was er will.“ Gerade durch den Wandelmut meiner Kunden gelang es uns bis heute, alle diese Fragen zu den Notwendigkeiten des Managements zu beantworten, ohne formale Weisungsbefugnis dafür einzusetzen. Sehr häufig, mit einem höheren Wirkungsgrad als vorher. Wie sowas im Rundumblick für eine ganze Organisation sinnvoll gelingt, das beschreibt die Betriebskatalyse. Und das ganze, ohne ein One-Size-Fits-All-Modell daraus zu machen. Denn das misslingt spätestens beim dritten Fall, auf den es übertragen werden soll.
Mit der Betriebskatalyse bleibt jede Firma individuell und doch helfen allen Firmen dieselben Denkwerkzeuge, für sich passende Erfolgsgeschichten zu schreiben.
SAATKORN: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die Betriebskatalyse funktionieren kann?
An und für sich gibt es nur zwei. Zuerst müssen die Eigentümer und die Geschäftsführer zulassen, dass es geschieht. Aufgrund dieser Bedingung eignet sich das Konstrukt sehr gut, um Mittelständler wieder einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Großfirmen zu verschaffen. Bei Letzteren sind die Eigentumsverhältnisse meistens so vielschichtig, dass eine belastbare Unterstützung der Transformation hin zu Betriebskatalyse unwahrscheinlich wird. Das hängt mit der zweiten Voraussetzung zusammen.
Es braucht die Bereitschaft, konsequent zu sein. Was heißt das? Eine Aufgabe, die Management auch übernimmt, ist, die Belegschaft von den direkten Reaktionen des Marktes abzuschirmen. Die Betriebskatalyse ist allerdings darauf angewiesen, dass die Konsequenzen aus dem eigenen Tun bei jedem:r Mitarbeiter:in ankommt. Denn ohne diese Rückmeldung ist uns Menschen unklar, ob unser Handeln in unserem Sinne wirksam ist. Das bedeutet im schlimmsten Fall, dass ich eine Dummheit, die die Belegschaft begehen will, zulasse, um die Kolleg:innen selbst aus den dann entstehenden Problemen lernen zu lassen. Dieses konsequente Zuschauen, fällt vielen Eigentümer:innenn und Geschäftsführer:innen naturgemäß sehr schwer. Meine Kund:innen zeigen allerdings, dass ihre Sorgen unbegründet sind. In praktisch allen Fällen beweist die Belegschaft, die betriebskatalytisch kollaboriert, dass sie entweder gleich gute oder sogar bessere Lösungen findet, wenn man sie nur lässt.
SAATKORN: Wer sollte sich „Die selbstwirksame Organisation – das Playbook für intelligente Kollaboration“ Ihrer Meinung nach zulegen?
Jede:r die:der ernsthaft etwas an unserer Wirtschaft ändern will. Alle, die mutig sind, mehr zu verändern, als nur das Bestehende zu optimieren. Zuvorderst ist es ein Buch, das kleinen und mittelgroßen Firmen einen Weg aufzeigt, wie sie ihre meist eh schon den Menschen zugewandte Kultur in diesen turbulenten Zeiten erhalten. Ja sie können damit sogar Wettbewerbsvorteile gegenüber klassisch organisierten Unternehmen herausholen.
Durch das Format des Playbooks ist es sicherlich auch ein interessantes Buch für Organisationsentwickler und Changemanger, die mehr wollen, als nur Methoden abspulen. Gerade der Teil über die Denkwerkzeuge eröffnet dazu neue Perspektiven.
SAATKORN: Haben Sie ein gutes Beispiel für die selbstwirksame Organisation?
Da fallen mir gleich mehrere ein. Doch zwei zeigen es ganz anschaulich sowohl unternehmensweit und existenziell wie eher im kleinen. Das Erste erlebte ich mit der Alois Heiler GmbH. Dort konfrontierten wir in den Jahren 2015/16 starke Schwierigkeiten durch eine einsetzende Marktkonsolidierung. Der Umsatz sank, während die Aufwände gleich blieben oder sogar leicht stiegen. In der Betriebskatalyse gibt es ein Denkwerkzeug, das Hausverstand heißt. Ein Teil der Umsetzung davon ist, den Mitarbeitern die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Arbeit so zu zeigen, dass sie sie verstehen. Bei Heiler hieß das, wir erarbeiteten eine Form der Deckungsbeitragsrechnung pro Installation unterschieden nach Kundensegmenten. So sah jede:r sofort, mit welchen Kundengruppen die Firma aktuell Geld verdiente und wo man drauflegte. Die Betriebskatalysatoren erläuterten zudem die einfache Formel Ertrag = Umsatzerlöse – Aufwände. Im Jahr nach der Betriebsversammlung stieg der durchschnittliche Verkaufspreis um über zwanzig Prozent. Zugleich sanken die Materialkosten pro Installation um sechs Prozentpunkte. Das alles ohne ein konkretes Projekt seitens der Geschäftsführung. Keine Taskforce. Kein Optimierungsprojekt. Kein Zusatzaufwand. Die Mitarbeiter wurden aus sich selbst heraus wirksam.
Ein kleineres aber doch auch häufig anzutreffendes Problem, erlebte ich bei der Teledata-IT in Stuttgart. Es ging darum, die Büroflächen besser zu nutzen. Dafür mussten etliche Mitarbeiter umziehen und/oder neu zusammen ziehen. In den meisten Firmen, die ich kenne, ist allein der Gedanke daran schon ein Alptraum. Persönliche Befindlichkeiten treffen hier auf betriebliche Interessen und räumliche Gegebenheiten. In vielen Fällen ein Ausgangspunkt für ausgedehnte Streitigkeiten und jahrelang offen stehende Beziehungsrechnungen. In der Betriebskatalyse beziehen wir alle Menschen in eine Entscheidung mit ein, die die Folgen des Beschlusses umsetzen müssen. Bei der Teledata war das praktisch jede:r, die:der im stuttgarter Büro saß. Eine Mitarbeiterin, die auch Katalysatorin ist, übernahm das Prozess-Design der Entscheidung. Wir machen da keine einfache Mehrheitswahl daraus. Vielmehr überlegen wir uns, wie wir die Einbezogenen unterstützen können, um zu einer belastbaren Lösung zu kommen. Ein Geschäftsführer ging zum Startzeitpunkt des Vorhabens gerade in Urlaub. Er erzählte mir später: „Gebhard, das war der Hammer. Ich nahm an, das Thema läuft noch wochenlang nach meinem Urlaub weiter. Doch am Ende war es so, dass alle schon umgezogen waren, als ich zurückkam. Kein Gezeter, keine verärgerten Gesichter. Alles lief reibungslos. Mein einziges Problem ist, dass ich jetzt hin und wieder durch die Gänge laufe, weil ich nicht weiß, wo ein bestimmter Kollege sitzt.“ Er freute sich sehr, dass seine Firma aus sich selbst heraus wirksam wurde.
Organisationen:
– in denen die Mitarbeitenden die Probleme selbst in die Hand nehmen und lösen, ohne auf die Geschäftsführung zu warten oder sogar im Widerspruch mit ihr und
– in denen die Eigentümerstruktur das zulässt, ja begrüßt und
– die weiterhin klar wirtschaftlich erfolgreich sind,
das sind selbstwirksame Organisationen.
SAATKORN: Welche Rolle spielt HR in Ihrem Ansatz?
Als Fachabteilung eine rein administrative im Sinne von nötiger Personalverwaltung. Als ständige, in die Organisation integrierte, gegenseitige Unterstützung der Kolleg:innen untereinander, eine herausragende. In selbstwirksamen Organisationen spielt die klassische Weisungskarriere eine sehr geringe oder gar keine Rolle mehr. Dafür ist die persönliche Entwicklung der Menschen in der Firma eine der spannenden Herausforderungen. Betriebskatalyse funktioniert schlussendlich nur unter Erwachsenen. Leider begünstigen die heutigen Strukturen sehr stark elterliches (vorschreibend, bestimmend, beschützend) und kindhaftes (unterordnend, annehmend, hilfesuchend) Verhalten. Diese Mischung ist für den Erfolg in einer turbulenten Welt toxisch. Doch die damit einhergehenden Gewohnheiten sind sehr stabil. Die Ressource Mensch steht also mehr denn je im Zentrum der Frage: Wie gelingt‘s? Allerdings verabschieden wir uns von der Idee, dass es eine zentrale Abteilung geben kann, die es schafft, diese Herausforderungen zu meistern. Es ist das gemeinsame Miteinander. Es geht darum, aufeinander zu achten. Das ist gleichermaßen im Bezug auf Leistung, Gesundheit und seelischer Ausgeglichenheit nötig. Ich drücke es mal so aus: Die Aufgaben von HR sind vermutlich größer. Die Notwendigkeit der Existenz einer formal dafür verantwortlichen Organisationseinheit nimmt radikal ab.
SAATKORN: Herr Borck, ganz herzlichen Dank für das Interview zu „Die selbstwirksame Organisation“. Und viel Erfolg mit dem Buch.
Wer nun Lust auf Mehr hat, dem kann geholfen werden. Zusammen mit Gerhard Borck verlose ich 3 Bücher „Die selbstwirksame Organisation – das Playbook für intelligente Kollaboration“. Dazu sende mir eine Email mit dem Betreff „Selbstwirksamkeit“ an gewinne@saatkorn.com. Die Gewinner*innen werden in einem der nächsten SAATKORN Newsletter bekannt gegeben. Das Gewinnspiel läuft bis zum 21. November, 0 Uhr. Viel Glück!