Gastautor Stefan Wagner ist beim Thema Employer Branding schon von Anfang an dabei, seit nun fast 20 Jahren. In dieser Zeit hat er die spannende Entwicklung der Disziplin von der einfachen Anzeige bis hin zu komplexen Positionierungsstrategien und Kampagnen miterlebt. Der Head of Client Services und Consulting von Medienfabrik embrace erklärt, wie Employer Branding im Jahr 2016 aussieht:
Die Employer Brand Evolution
Vor 20 Jahren war der Begriff „Employer Branding“ in Fachkreisen noch ganz neu. Angefangen hatte alles mit dem „War for talents“, wie sich viele erinnern. Zu der Zeit waren Anzeigenschaltungen das Maß der Dinge. Wollte man innovativ sein, dann schaltete man in Online-Jobbörsen – mit Employer Branding hatte das allerdings noch nichts zu tun. Allenfalls Beratungsunternehmen und innovative Konzerne wie die SAP oder Siemens waren schon ansatzweise im Markenaufbau unterwegs. Man kann sagen: das war die erste Phase der Employer-Brand-Evolution.
Erst 2006/2007 kamen die ersten größeren Projekte auf, in denen es dann darum ging, mit welchen Arbeitgeberleistungen man als Unternehmen unterwegs ist. Unternehmen machten sich Gedanken, wer ihre Zielgruppen sind und welche Kommunikationswege und -mittel eingesetzt werden können, um auch mal den Jobbörsenbereich zu verlassen. Als innovativ galten in dieser zweiten Phase generell Maßnahmen in Social-Media-Kanälen. Employer Branding war dabei stark durch die strikte Auflistung und den Vergleich von Arbeitgeberleistungen definiert. In dieser Phase stecken die meisten Arbeitgeber bis heute. Die Employer Value Proposition (EVP) ist ein vermeintlich heiliger Gral – aber eben nur selten mit Differenzierungspotenzial.
Erlebbar wird die Employer Brand erst durch starkes Storytelling
Zu einer kompletten Arbeitgebermarke zählt noch einiges mehr als nur die EVP. Sie steht als Alleinstellungsmerkmal sicher im Fokus – aber darauf müssen dann ein Employer Claim und eine Employer Story aufgebaut werden. Denn eine uniforme EVP nützt weder dem Unternehmen zur Positionierung, noch dem Bewerber zur Orientierung etwas. Wirklich erlebbar wird die Brand – und damit auch der Arbeitgeber – erst durch die individuelle Employer Story. Arbeitgeberleistungen spielen selbstverständlich auch heute noch eine Rolle. Aber eben nicht als Kern der Brand, sondern als „Beleg“ für die Brand, als Beweisführung.
In der dritten Phase des Employer Branding geht es also darum, Arbeitgebermarken durch ein starkes Storytelling erlebbar zu machen – und zwar über die Mitarbeiter, also aus dem Unternehmen heraus. Das heißt: Die Mitarbeiter und ihre Geschichten mit dem Arbeitgeber müssen zum Kern der Arbeitgeberkommunikation gemacht werden. Hier geht es dann weniger um die Darstellung von faktischen Leistungen, sondern vielmehr um Erlebnisse, um Beweise für Philosophie und Werte. Mit „Geschichten“ sind dabei nicht die klassischen Interviewfilme oder „Daumen-hoch-in-die-Kamera-lächeln“-Videos gemeint. Das ist okay, aber die sind durch die schiere Masse mittlerweile sehr leicht austauschbar. Es geht darum, die Mitarbeiter für das Thema „Arbeitgeberpositionierung“ zu gewinnen und sie zu echten Beteiligten zu machen. Konsequent umgesetzt entstehen daraus dann Geschichten, die kontinuierlich erzählt werden, weil Menschen begleitet werden. Hier kommen – in intelligenter Kombination – auch Soziale Medien ins Spiel.
Im Mittelpunkt der Arbeitgeberkommunikation steht allerdings nach wie vor die Karriere-Website, vielleicht ergänzt um einen Blog. Kanäle wie Facebook, Youtube, Instagram und (bisher noch vereinzelt) WhatsApp müssen je nach Zweckmäßigkeit und Umsetzbarkeit für ein Unternehmen ausgewählt und aufeinander abgestimmt werden. Das verlangt Strategie, Konsequenz, Zeit und Ressourcen – aber es lohnt sich.
Personaler müssen für den Employer-Branding-Prozess voll einstehen
Employer Branding stellt natürlich auch die Personaler vor große Herausforderungen. Sie sind die entscheidenden Moderatoren und Treiber des Prozesses. Nun erhalten sie endgültig die strategische Rolle, die sie lange wollten. Aber: Sie müssen diese Rolle auch annehmen und durchsetzen. Das bedeutet: Personaler müssen den Employer-Branding-Prozess als solchen begreifen, Trends erkennen und kontinuierlich an ihm arbeiten. Sie müssen sich Mitarbeiter an ihre Seite holen, interne und externe Kommunikation verbinden und gegenüber der Unternehmensführung für den Prozess einstehen und ihn gegen Widerstände verteidigen – auch wenn es mal eine wirtschaftliche Delle gibt. Denn eins wird nie funktionieren: eine Employer Brand schnell aufzusetzen und hochzufahren und sie dort dann ohne weiteres Engagement zu halten und weiterzuentwickeln. Das ist echte Arbeit, keine Show.
Kandidaten werden zukünftig virtuell am Arbeitsplatz umhergeführt
Employer Branding entwickelt sich immer weiter. Ein Trend, von dem man in der HR-Kommunikation bald noch mehr hören wird, ist Virtual Reality. Erste Projekte gibt es bereits, aber noch ist viel Luft nach oben. Zukünftig können Unternehmen interessierten Kandidaten dann vom Messestand aus den Arbeitsplatz zeigen, obwohl man hunderte Kilometer weit entfernt ist. Am Ende des Tages wird im Employer Branding aber nach wie vor der persönliche Kontakt und die Pflege von Beziehungen und Netzwerken entscheidend bleiben. Damit sind ausnahmsweise nicht die Xings und LinkedIns dieser Welt gemeint, sondern solche Beziehungen, die den Kandidaten und Unternehmen zugleich Mehrwert bieten und möglichst individuell gepflegt werden. Hier ist careerloft ein gutes Beispiel.
Mein Tipp zum Schluss: Employer Branding ist keine Raketenwissenschaft. Sie hat viel mit dem guten alten „gesunden Menschenverstand“ zu tun, mit Konsequenz und mit Ausdauer. Die vielen Arbeitgeberpreise sind da nur ein kleiner Indikator für eine Employer Brand – entschieden wird der Kampf um Talente an anderer Stelle. Wenn man das beherzigt, ist man auf dem richtigen Weg.