Die besten Unternehmen für Frauen – BRIGITTE sucht!
Die besten Unternehmen für Frauen – die BRIGITTE sucht auch in diesem Jahr wieder top Arbeitgeber:innen für das weibliche Geschlecht. Betriebe können mit einem Online-Fragebogen zeigen, wie sie im Bereich Gender-Gerechtigkeit aufgestellt sind – die besten werden im Magazin ausgezeichnet. Hier geht’s zur kostenlosen Registrierung.
An der Studie „Die besten Unternehmen für Frauen“ beteiligt ist ein fünfköpfiger Beirat – Katrin Rulle, stellv. Studienleiterin, hat mit zwei der Beirätinnen über das Projekt, Diversity und den aktuellen Stand der Gender-Gerechtigkeit gesprochen. Ana-Cristina Grohnert ist Vorstandsvorsitzende der Charta der Vielfalt, davor war sie als Vorständin für Personal bei der Allianz tätig. Susanne Hüsemann ist Geschäftsführerin von Queb, dem Bundesverband Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Los geht’s!
Katrin Rulle: Seit vier Jahren sucht die BRIGITTE „Die besten Unternehmen für Frauen“. Von einigen Teilnehmenden hören wir, dass sie selbstverständlich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern machen. Ist es tatsächlich ungerecht, Frauen speziell zu fördern?
Susanne Hüsemann: Solange es keine eindeutige Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau gibt, ist es auch nicht unfair, Frauen speziell zu fördern. Natürlich gibt es deutliche Zeichen einer größeren und stärkeren Wahrnehmung der Erforderlichkeit einer speziellen Förderung. Alleine mit Blick auf den diesjährigen Weltfrauentag und was einzelne
Arbeitgeber daraus kommunikativ gemacht haben. Jetzt mag man kritisieren: Kommunikation ist das eine; Umsetzung das andere. Man muss die PS auch auf die Straße bringen. Völlig richtig. Aber diese Kommunikation wäre vor 10 Jahren so noch undenkbar gewesen. Ebenso wie die BRIGITTE Studie „Die besten Unternehmen für Frauen“. Dennoch ist sie auch nach wie vor dringend erforderlich. Wir haben beispielsweise mit Blick auf gleiche Gehaltszahlungen leider immer noch eine Lohnlücke von knapp 20 Prozent. Damit liegt Deutschland auf Platz 25 (!) innerhalb der EU. Da ist also noch ordentlich Luft nach oben. Und Corona hat letztlich nicht zur Verbesserung der Lage beigetragen. Im Gegenteil: ich bin im Jahr 2020 bei unserer Jurorenrunde für die Brigitte Studie noch optimistisch davon ausgegangen, dass Corona mit Blick auf die Rolle der Frau eher hilfreich sein wird. Dabei dachte ich daran, dass die Arbeit im Home Office und die Vertrauensarbeitszeit an Akzeptanz gewinnen würde, was wiederum insbesondere auch Frauen zugutekäme. Janina Kugel hat es im vergangenen Jahr schon geahnt und kritischer gesehen, denn: Frauen sind teilweise in alte Muster zurückgeworfen worden: Haushalt, Kinderbetreuung, Homeschooling – während Männer teilweise wieder ins Office zurückgekehrt sind. So kamen hybride Videokonferenzen zustande: die weiblichen Angestellten waren von zu Hause zugeschaltet und ihre männlichen Kollegen häufig im Office beim Arbeitgeber vor Ort. Eine Zweiklassengesellschaft, die sich entgegen und trotz des aktuellen Trends wieder gebildet hat. Eigentlich unglaublich, aber tatsächlich zu beobachten. Kurzum: es gibt weiterhin viel zu tun und es gilt die Thematik unbedingt auch weiterhin sensibel zu beobachten.
Ana-Cristina Grohnert: In dieser Diskussion gehen auch einige Aspekte durcheinander. Es gibt Leute, die schon den Abbau von Hindernissen und Benachteiligungen für Frauen als Förderung missverstehen. Und ich erlebe immer wieder sehr starke emotionale Reaktionen auf das Thema. Es gibt Männer, die das Gefühl haben, dass plötzlich alle Frauen an ihnen vorbeiziehen. Das ist in der Realität natürlich gar nicht so. Aber Emotionen sind auch Realitäten. Ich denke aber, dass wir mit zunehmender Transparenz und Objektivität in den Prozessen in den nächsten Jahren deutliche Fortschritte machen werden. Die Möglichkeiten für Frauen werden also zunehmen.
Katrin Rulle: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Dinge, die Unternehmen tun können, um wirklich Gendergerechtigkeit herzustellen?
Susanne Hüsemann: Den Kopf frei machen und eine notwendige Kultur in den Unternehmen schaffen! Wir alle sind nicht frei von Mustern im Kopf. Wenn doch, trifft das am ehesten wohl noch auf unsere Kinder zu. Im Sinne der Gendergerechtigkeit werden die Mutigen belohnt. Es ist durch zahlreiche Studien nachgewiesen, dass stereotype Teams weniger gut funktionieren als heterogene. Pinguine rekrutieren Pinguine war vorgestern – das ist wirklich Old School. Die Patriarchen der letzten Jahrzehnte – oder böse formuliert: „die alten weißen Männer“ – haben ausgedient. Leider treffen sie häufig bis heute in der Mehrzahl der Fälle die Entscheidungen. Und sie entscheiden sich weder für die alleinerziehende Mutter noch für den geschlechtsneutralen Hipster. Diese Monokultur ist toxisch für unsere Gesellschaft. In Deutschland sind gerade mal 10 Prozent der Vorstände weiblich. Im internationalen Vergleich sind wir damit Vorletzter. Ketzerisch könnte man formulieren, dass wir im Impfen noch besser sind als mit Frauen in Vorstandsposten. Und die Quote ist im Jahr der Pandemie sogar noch gesunken. Man scheint auf alt bewährtes zurück zu greifen: Männer. Dieses Muster gilt es zu brechen. Und ohne Quote hat das leider nicht funktioniert. Ich war nicht immer Befürworterin einer Frauenquote, aber der Blick auf die Zahlen unter der Freiwilligkeit der Anwendung einer Frauenquote hat mich überzeugt.
Ana-Cristina Grohnert: Meine Erfahrung ist, dass wir in den Unternehmen zwar oft schon die Prozesse haben, im entscheidenden Moment aber immer ein Umweg oder eine Hintertür gesucht und auch gefunden wird, und dann ist es doch wieder ein Mann. Ich bin auch aus der Not heraus für die Quote, weil es nicht anders geht. Aber momentan glaube ich, dass der öffentliche Druck noch wichtiger ist. Wenn sie jedes Mal einen kleinen Shitstorm in den Sozialen Medien abbekommen, wenn es wieder nicht für eine Frau gereicht hat, dann müssen Sie irgendwann reagieren. Und im Unterschied zu früher kann man heute sagen, dass Frauen stärker sensibilisiert sind und die Prozesse auch besser sind. Nun geht es um konsequentes Handeln und im Rahmen von Reportings werden dann die Fortschritte transparent gemessen. Da fällt Stagnation schon auf!
Katrin Rulle: Bei der Charta der Vielfalt und Queb geht es nicht nur darum, die Arbeitsbedingungen im Unternehmen möglichst fair und gut zu gestalten, sondern auch darum, darüber zu sprechen. Warum ist das bei diesem Thema so wichtig?
Ana-Cristina Grohnert: Letztendlich geht es um ein Umdenken. Wir wollen ein aufgeklärtes und reflektiertes Management, das nach besten Sachinteressen Entscheidungen für das Unternehmen trifft, und nachhaltige Wertschöpfung generiert. Die wirtschaftliche Vernunft und das humanistische Gebot müssen Hand in Hand gehen. Wir denken, dass Achtsamkeit und Wertschätzung in der Arbeitswelt die besten Grundlagen für alle sind, Beschäftigte, Kundinnen und Kunden, und auch die Kapitalseite. Indem wir in diesem Kontext immer wieder darüber sprechen, eröffnen wir auch Skeptikern einen Zugang und können diejenigen für Diversity gewinnen, die das bislang nur als Schlagwort kennen und nicht ernst nehmen. Wir wollen auch denjenigen eine Perspektive eröffnen, die unter Druck stehen und noch nicht wissen, wie sie reagieren sollen.
Susanne Hüsemann: Der Mangel an Fachkräften wird immer akuter, wenngleich die Pandemie die Geschwindigkeit kurzfristig rausgenommen hat. Gleichzeitig haben wir „da draußen“ viele top ausgebildete Frauen, non-binäre Menschen, Transgender-Personen, Menschen mit Behinderung, etc., die sich mittlerweile sehr genau aussuchen können für welchen Arbeitgeber sie arbeiten wollen. Und entsprechend wählen sie auch aus. Würden Sie als Transgender lieber bei einem Unternehmen mit alten und starren Strukturen arbeiten oder bei einem jungen Start-up, wo man nicht gleich als „Quoten-Fundus“ abgestempelt wird? Die Arbeitswelt ist glücklicherweise definitiv nicht (mehr) so schwarz-weiß, aber in den Köpfen ist eben genau das ein großes Thema. Da steckt noch viel Aufklärungsarbeit drin und wir haben entsprechend viel zu tun – sowohl in der internen als auch der externen Kommunikation.
Katrin Rulle: Ist Diversity ein Thema im Employer Branding und Recruiting? Welche Möglichkeiten – oder auch Herausforderungen – haben Unternehmen hier?
Ana-Cristina Grohnert: Natürlich, Diversity ist ein Querschnittthema. Und gerade im Recruiting und Employer Branding haben Sie sehr einfache Ansatzmöglichkeiten. Kommuniziere ich Offenheit oder schließe ich – möglicherweise
auch nur unbewusst – bestimmte Menschen aus. Wie gestalte ich transparente, faire und objektive Prozesse, die eben nicht in die Monokultur führen, sondern diese aufbrechen. Das schwierigste an diesem Thema, ist einen Widerspruch zu verstehen, und auszuhalten: Wir bilden eine Unternehmenskultur nicht dadurch, dass wir möglichst viele ähnliche Menschen um uns sammeln. Wir brauchen stattdessen möglichst unterschiedliche Leute, damit wir uns selbst als Organisation ständig herausfordern und dadurch verbessern. Wenn Sie so wollen, ist Diversity Management also genau das Gegenteil dessen, was die Skeptiker immer darin vermuten, nämlich gerade kein oberflächliches Wohlfühlprogramm, sondern die planmäßige Nutzung von Unterschieden und Widersprüchen, um zu besseren Diskussionen und Lösungen zu kommen.
Katrin Rulle: Gendergerechte Sprache kommt langsam im Alltag an, die Vorstandsquote kommt – was sind aus Ihrer Sicht jetzt die nächsten wichtigen Schritte und Themen?
Susanne Hüsemann: Das sind in meinen Augen die ganzheitliche Betrachtung der Diversity-Themen. Wir müssen unseren Fokus mehr auf die Nutzung der Vielfalt der Möglichkeiten richten. Ich persönlich würde mir wünschen, dass beispielsweise ein(e) Philosoph*in in Zukunft wie selbstverständlich die Möglichkeit hat bei einer Investment Bank zu arbeiten und freue mich auf den Tag, wo die erste Transgender-Person auf einem Vorstandsposten sitzt. Das ist sicher noch ein langer Weg, aber ich bin überzeugt, es lohnt sich ihn zu gehen.
Ana-Cristina Grohnert: Ich würde mir wünschen, dass wir wegkommen von diesen kleinen Einzelmaßnahmen und hin zu einer ergebnisbezogenen wirtschaftlichen Betrachtung. Ich arbeite gerne auf der Basis von aussagekräftigen Zahlen. Ich könnte mir vorstellen, dass über die sogenannten ESG-Kriterien in der Bewertung von Unternehmen nochmals ein neuer Drive entsteht, also letztlich über die wirtschaftlichen Erwartungen von Investierenden. Diejenigen in den Unternehmen, die ihre Bastionen der Vergangenheit so krampfhaft verteidigen, lernen es wohl nur durch die Kraft von Märkten, die sich verändern.
Katrin Rulle: DANKE für das Interview – wir sind gespannt auf die Ergebnisse der diesjährigen BRIGITTE Studie „Die besten Unternehmen für Frauen“.
HIER kann man sich kostenlos zur Teilnahme registrieren.
Wer noch mehr über die Hintergründe zur Studie „Die besten Unternehmen für Frauen“ erfahren möchte, kann sich HIER den SAATKORN Podcast dazu anhören.